Insomnium - Anno 1696

Review

Mit ihrem neunten Studioalbum „Anno 1696“ haben es INSOMNIUM diesen Monat auf Platz 1 unseres Soundchecks geschafft. Wenig überraschend, da bereits die vorab veröffentlichten Singles „Lilian“, „White Christ“ und „The Witch Hunter“ auf ein sehr starkes Album hingedeutet hatten. Wie bereits das 2016er „Winter’s Gate“ basiert „Anno 1696“ auf einer von Fronter Niilo Sevänen verfassten Kurzgeschichte. Diese ist in einigen Versionen des Albums enthalten. Thematisch geht es darin um eine sehr dunkle Periode der finnischen Geschichte, in der es neben der in Europa allgemein stattfindenden Hexenverfolgung auch eine als „The Great Famine“ bezeichnete Hungersnot gab, die innerhalb von nur zwei Jahren rund ein Drittel der finnischen Bevölkerung dahinraffte. Das Album bewegt sich somit zwischen Fakt und Fiktion und hat allein inhaltlich einiges zu bieten.

INSOMNIUM konsolidieren ihre stilistischen Schwerpunkte

Um „Anno 1696“ gleich zu Beginn musikalisch auf den Punkt zu bringen: Das Album führt nicht nur Stilelemente ein, die man von INSOMNIUM so bisher nicht kennt, sondern bildet gleichzeitig einen Querschnitt durch die verschiedenen Schaffensperioden der Band. Es konsolidiert somit die stilistischen Schwerpunkte, die INSOMNIUM vor allem auf „Winter’s Gate“ und „Heart Like A Grave“, aber auch auf „Shadows Of The Dying Sun“ und davor gesetzt haben. Diese verschmilzt es zu einem sehr gut funktionierenden Mix. Der Opener und Quasi-Titeltrack „1696“ verbindet so stimmungsvolle und leicht folkige Momente mit von Blast Beats getriebenem Geballer und für die Band typischen, sich zum Teil überschneidenden Leadmelodien.

Das darauffolgende „White Christ“ versprüht bereits einen ROTTING-CHRIST-Vibe, bevor Gastsänger Sakis Tolis überhaupt in Erscheinung tritt. Hier wechseln sich Strophen, die stilistisch an das griechische Urgestein erinnern, mit einem charakteristischen INSOMNIUM-Refrain ab. Die Musik stammt jedoch ausschließlich aus der Feder von Gitarrist Markus Vanhala. Im Anschluss daran führt „Godforsaken“ mit folkig-ätherischem weiblichen Gesang à la ELUVEITIE ein recht unerwartetes Element ein. Dieser stammt von der finnischen Sängerin Johanna Kurkela und wird alsbald von einer druckvollen Dampfwalze abgelöst.

Ein zweites „While We Sleep“ auf „Anno 1696“?

Mit „Lilian“, dem eingängigsten Stück auf „Anno 1696“, besinnen sich INSOMNIUM stilistisch auf ihre Alben von 2009 bis 2014 zurück. Mit dem Track haben sie sogar (fast) ein zweites „While We Sleep“ geschaffen, denn obwohl sich die Stücke musikalisch nicht wirklich ähneln, reißen sie auf die gleiche Weise mit und erzielen damit einen ähnlichen Effekt. „Lilian“ sowie der Rausschmeißer „The Rapids“ gehören zu den stärksten Tracks auf „Anno 1696“. „The Unrest“ zeigt sich mit Lagerfeuerromantik vergleichsweise balladesk und schlägt damit eine Brücke zum letzten Release, der 2021er EP „Argent Moon“. Etwas vernachlässigt wird sonst der Klargesang von (vorrangig) Jani Liimatainen, der auf der Platte zwar präsent ist, aber doch sehr sparsam eingesetzt wird.

Insgesamt ist „Anno 1696“ mit das härteste INSOMNIUM-Album geworden, obwohl „Winter’s Gate“ hier schon gut vorgelegt hat. Vor allem der Blackened-Death-Einschlag wurde deutlich ausgebaut. Kritikpunkte gibt es wenige, was das Album zu einem sehr starken Release macht. Auch wenn es nicht ganz an seinen Endgegner „Shadows Of The Dying Sun“ herankommt, so ist es dem doch näher als die bisherigen dazwischenliegenden Releases. Sollte dieses Album ein neues Kapitel in der Schaffensphase der Band eröffnen, so dürfen wir definitiv gespannt sein, was als Nächstes kommt.

18.02.2023

headbanging herbivore with a camera

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