Mötley Crüe - Girls, Girls, Girls

Review

„Girls, Girls, Girls“ – ein Albumtitel, der das Image von MÖTLEY CRÜE so perfekt wie nur möglich auf den Punkt bringt. Schließlich standen die Glam-Metaller in den 80ern wie kaum eine zweite Band für den hedonistischen Lebensstil ihrer Szene. Dazu gehörten reihenweise Frauengeschichten und Strip-Club-Aufenthalte.

MÖTLEY CRÜE wollen hoch hinaus…

Obwohl das Quartett seit der Veröffentlichung des zweiten Albums „Shout At The Devil“ zum Arena-Act mutiert ist, hat es mit dem ersten Platz der Billboard-Charts immer noch nicht geklappt. „Girls, Girls, Girls“ soll das 1987 endlich ändern. Die Voraussetzungen dafür sind allerdings alles andere als gut.

Bassist und Bandkopf Nikki Sixx steigt der plötzliche Starruhm zu Kopf. Seinen Reichtum nutzt er vor allem, um seiner Liebe zum Heroin zu frönen. Seine Probleme gehen so weit, dass er sogar die Beerdigung seiner Großmutter verpasst. Sie war das einzige Mitglied seiner Familie gewesen, welches ihm je wirklich wichtig war.

…befinden sich allerdings ganz unten

Der Rest der Band bewegt sich ebenfalls dem Tiefpunkt entgegen. Wie schon bei „Theatre Of Pain“ kommt das Songwriting dadurch nur schleppend voran. Gerade einmal neun Songs bringen MÖTLEY CRÜE zustande. Um „Girls, Girls, Girls“ auf Albumlänge zu strecken, hängt die Band noch eine Live-Version des ELVIS PRESLEY-Covers „Jailhouse Rock“ hinten dran.

Zu Beginn der Platte lassen sich diese Probleme hinter den Kulissen allerdings nicht erahnen. „Wild Side“ ist ein waschechter Hit, Mitgröl-Refrain inklusive. Ein treibender Groove von Tommy Lee peitscht den Song vorwärts, während die Bridge durch vertrackte Rhythmen überrascht. Die Krönung ist das mitreißende Riffing.

„Girls, Girls Girls“ hat einen fulminaten Titelsong

Der anschließende Titelsong setzt noch einen drauf. In „Girls, Girls, Girls“ besingt Vince Neil die Strip-Club-Besuche von MÖTLEY CRÜE, während Lee mit seinem Drum-Beat für die dazu passende Tanzbarkeit sorgt. Ein arschcooles Gitarrenriff aus der Mick-Mars-Schmiede tut sein übriges dazu, um aus dem Track einen unsterblichen Klassiker zu machen.

Doch dann wird es finster – und zwar nicht nur thematisch. „Dancing On Glass“ handelt von den Drogenproblemen der Bandmitglieder. So eindringlich der selbstkritische Text auch ist, so belanglos kommen Riffs und Melodien daher. Einzig der soulige Gastgesang gegen Ende lässt aufhorchen. Der „Bad Boy Boogie“ macht es danach wenig besser.

Eine kleine Steigerung

Mit „Nona“ trägt Sixx ein kurzes Stück bei, dessen einzige Textzeile „Nona, I’m outta my head without you“ lautet. Diese wenigen Worte bringen auf den Punkt, wie verloren er sich nach dem Tod seiner Großmutter fühlt. Musikalisch allerdings verpackt Sixx seinen Schmerz in nichtssagendes Gitarrengeklimper und Kirmes-Keyboards.

In der zweiten Hälfte gelingt MÖTLEY CRÜE zumindest eine kleine Steigerung. „Five Years Dead“ reitet zwar auf Blues-Klischees rum, ähnlich wie „Sumthin‘ For Nuthin'“, doch dafür gibt es in beiden Songs wenigstens coole Mainriffs. Die Ballade „You’re All I Need“ wiederum trieft vor genau dem Kitsch, den der Titel verspricht. Von den Eigenkompositionen ist einzig „All In The Name Of…“ noch eine durchweg mitreißende Ode an den Rock’n’Roll mit einem eingängigen Refrain.

Mehr Energie, bitte

Das abschließende „Jailhouse Rock“-Cover zeigt die Band als energiegeladenen Live-Act. Ein bisschen mehr von dieser Kraft hätte dem neuen Songmaterial auf „Girls, Girls, Girls“ gut getan. Bis auf das gottgleiche Eröffnungsdoppel gelingen MÖTLEY CRÜE auf ihrem vierten Album kaum Hits. Der Großteil des Materials verläuft sich im Mittelmaß. Mehr als ein nettes Riff hier und da gibt es über weite Strecken nicht. Da kann auch dir gelungene, weil angenehm rotzige Produktion kaum drüber hinwegtrösten.

Den Fans ist das im Jahr des Erscheinens egal. „Girls, Girls, Girls“ avanciert zum Millionenseller. Platz eins der Charts bleibt MÖTLEY CRÜE angesichts von WHITNEY HOUSTONs Hit-Album „Whitney“ allerdings verwehrt. Die Spitze sollte die Band erst im nächsten Anlauf erreichen.

05.06.2019

"Irgendeiner wartet immer."

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