Rotting Christ - The Heretics

Review

Ziemlich genau drei Jahre nach Veröffentlichung ihres letzten Albums „Rituals“ legen ROTTING CHRIST nun „The Heretics“ nach. Album Nummer 13 – an sich schon eine verheißungsvolle Zahl, wenn man an so etwas glauben mag – kommt damit im 32. Jahr der Bandgeschichte. Wie geht man an eine Veröffentlichung heran, deren Urheber schon fast genauso lange Musik machen, wie man selbst auf der Welt ist? Zum einen mit einer gehörigen Portion Respekt, denn ROTTING CHRIST behaupten sich nicht nur schon verdammt lange, sie haben es zudem geschafft, ihre Musik niemals in die Belanglosigkeit abrutschen zu lassen.

Zum anderen stellen sich entsprechend hohe Erwartungen ein, die es seitens der Band zu erfüllen gilt. Eine wirkliche Überraschung war „The Heretics“ für uns allerdings nicht mehr, denn wir waren Ende Oktober 2018 bereits bei der Listening Session in Berlin dabei. Eine Beschreibung der einzelnen Stücke könnt ihr unserem dazugehörigen Bericht entnehmen. In seiner Gänze und vor allem in seinem Detailreichtum ließ sich das Album damals bei einem einzigen Hördurchgang aber nicht annähernd erfassen. Zu den flüchtigen Eindrücken von damals gesellt sich hier also nun das gereifte Urteil.

ROTTING CHRIST lassen sich nicht leicht einordnen

Stilistisch entfernen sich ROTTING CHRIST mit „The Heretics“ nicht allzu weit von „Rituals“. Mit ihrem typischen Stilmix schaffen sie es, das Album abwechslungsreich zu gestalten und es dabei trotzdem wie aus einem Guss erscheinen zu lassen. Einer Genre-Einordnung entziehen sie sich dabei konsequent, es sei denn, man möchte das doch recht inhaltslose „Dark Metal“ gelten lassen, zu dem die Band üblicherweise erklärt wird. Etwas klarer ausgedrückt bewegen sich ROTTING CHRIST hier souverän zwischen Melodic Black und Melodic Death, liefern dabei oft eine gute Portion Doom und auch Groove, und sparen nicht mit atmosphärischen und progressiven Elementen.

„The Heretics“ lässt die Ketzer sprechen

Neben den roughen Vocals von Bandkopf Sakis Tolis haben sich längst auch Chöre und vor allem gesprochene Passagen etabliert. Passend zu Cover und Inhalten finden sich gregorianische Chöre und reichlich Literaturzitate, die von Gastsprechern rezitiert werden. Neben Voltaires Eindruck hinterlassendem „Those who can make you believe absurdities, can make you commit atrocities“ finden sich auch Zeilen von Dostojewski, Nietzsche, John Milton und Thomas Paine. Mit „The Raven“ wird Edgar Allan Poe sogar ein ganzer Song gewidmet, und auch die Bibel ist vertreten. Verschiedene kulturelle Einflüsse gibt es in Form fremdsprachiger Gäste wie Irina Zybina bei „Vetry Zlye“ und Ashmedi von MELECHESH bei „The Voice Of The Universe“. Nicht unterschlagen werden sollte aber natürlich auch der griechische Song „I Believe (ΠΙΣΤΕΥΩ)“, mit dem ROTTING CHRIST ihrer Muttersprache huldigen.

ROTTING CHRIST kratzen an der 10

Herausgekommen ist ein fest geschnürtes Paket voller unorthodoxer Kompositionen, die beispielsweise auf klassische Refrains verzichten und den Fluss immer wieder durch Rezitationen aufbrechen, es aber trotzdem schaffen, ein hohes Maß an Eingängigkeit zu erreichen. Man kommt nicht umhin, gleich die Mehrzahl der Stücke zu Hörtipps zu erklären. Konkret sind das auf „The Heretics“ „In The Name Of God“, „Heaven And Hell And Fire“, „Dies Irae“, „Fire God And Fear“, „The Voice Of The Universe“ und „The Raven“. Doch auch die hier nicht genannten Songs brauchen sich nicht zu verstecken. Einzig „The New Messiah“, der schon bei der Listening Session als schwächster Track auffiel, gefällt immer noch nicht. Mit diesem Album kratzen ROTTING CHRIST deshalb an der 10 und verpassen sie nur knapp, und nur wegen eines einzigen Songs.

21.02.2019

headbanging herbivore with a camera

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