Sabaton - The Great War

Review

Alle Jahre wieder gelingt es einer Handvoll Männer aus dem schwedischen Städtchen Falun, die Metalszene mit ihrer neusten Platte in Aufruhr zu versetzen. Dabei könnten die Meinungen zu den leidenschaftlichen Hobbyhistorikern gar nicht unterschiedlicher ausfallen: Für die einen gehören SABATON unlängst zur absoluten Genre-Elite, während andere sich am liebsten stundenlang über weichgespülten Schlager-Metal, Geschichtsklitterung oder das zugegebenermaßen recht skurrile Auftreten von Frontmann Joakim Brodén und seinen Männern auslassen. Viel Zündstoff also, der die Kommentarspalten und die Gemüter aller Beteiligten gleichermaßen zum Kochen bringt.

Mindestens genauso explosiv geht es seit jeher auch bei SABATON selber zu. Seit 20 Jahren drehen die Schweden nahezu alles, was auch nur im Entferntesten mit Krieg, Heldentum und Opferbereitschaft zusammenhängt, durch den Power Metal-Fleischwolf, angefangen im antiken Griechenland („Sparta“), vorbei an der Wikingerära („Swedish Pagans“) und dem Dreißigjährigen Krieg („Gott mit uns“), bis hin zu jüngeren Konflikten, wie dem Vietnamkrieg („Into the Fire“) oder dem Zweiten Golfkrieg („Reign of Terror“). Auf „The Great War“ widmen sich Brodén & Co. nun ausschließlich dem Ersten Weltkrieg. Jenem düsteren Kapitel also, welches das noch sehr junge 20. Jahrhundert in seinen Grundfesten erschütterte. Was man von diesem ambitionierten Projekt erwarten darf, erfahrt ihr hier!

SABATON – Erwartbar trotz einiger Highlights

Historisch betrachtet stellt der Erste Weltkrieg in vielerlei Hinsicht einen drastischen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit dar: Mit etwa 40 beteiligten Konfliktparteien galt er als der bis dato umfassendste Krieg, beendete gleichzeitig das Zeitalter der Imperialismus und ist aufgrund seiner schwerwiegenden Folgen als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts bekannt. Ganz schön schwere Kost also, mit der sich SABATON da befassen. Dass die Schweden trotz allem ihrem formelhaften Songwriting die Treue halten, dürfte inzwischen niemanden mehr überraschen.

Der Opener „The Future of Warfare“ strotzt zwar nur so vor Energie, klingt ansonsten jedoch größtenteils wie jeder andere x-beliebige Song der Skandinavier. Selbiges gilt für das nachfolgende „Seven Pillars of Wisdom“, wobei die Nummer vor allem dank ihres immensen Ohrwurm-Chorus noch einmal die Kurve bekommt. Überhaupt scheinen sich SABATON auf „The Great War“ einmal mehr darauf zu verlassen, dass ihr klischeebeladener, geradliniger Sound auch diesmal Fanherzen höher springen lässt. So liefert „82nd All the Way“ einen stilistischen Mix aus poppigen Kitsch-Keyboardmelodien, treibender Rhythmik und einem Refrain, den man spätestens gegen Ende des Songs in und auswendig kann. „The Attack of the Dead Men“ kann dahingegen überhaupt keine Akzente setzen – weder positiver, noch negativer Natur. Auch derartige Lückenfüller gehören inzwischen leider zum Standardrepertoire des Quintetts.

Apropos standardmäßig: „Devil Dogs“ klingt geradewegs so, als hätten sich SABATON einen Tick zu oft aus „Power Metal für Dummies“ bedient. Die Nummer trieft nur so vor stereotypischem Gitarren- und Keyboardgedudel und dürfte selbst hartgesottene Fans vor eine Zerreißprobe stellen. Ganz anders verhält es sich da mit der Singleauskopplung „The Red Baron“, einer Huldigung an den legendären Kampfpiloten Manfred von Richthofen. Hier liefern die Schweden erstmals auf ganz hohem Niveau ab. Der episch-mitreißenden Melodie, den drückenden Hammond-Klängen und dem markanten Gesang kann man sich nur schwer entziehen. Auch der heroisch-stampfende, von Keyboards dominierte Titeltrack „Great War“ überzeugt, vielleicht auch, weil die Nummer gerade im Refrain sehr an den Klassiker „The Art of War“ erinnert.

„A Ghost in the Trenches“ und „Fields of Verdun“ erweisen sich als durchweg ordentliche, temporeiche und stimmungsvolle Songs. Wie angemessen Letzteres aufgrund der Weltkriegsthematik tatsächlich ist, bleibt eine andere Diskussion. Gegen Ende der Platte haben SABATON dann doch noch die ein oder andere Überraschung parat: Das aufwühlende „The End of the War to End All Wars“ trumpht nicht nur mit dem balladesken Intro, fulminanten Choreinlagen und seinem erhaben-gallopierenden Gitarrensolo auf, es ist auch ein Zeichen dafür, dass die schwedischen Panzerfreunde durchaus dazu bereit sind, die ein oder andere Konvention über Bord zu werfen. Die choralartige Vertonung des bekannten Weltkriegsgedichts „In Flanders Fields“ dürfte die wenigsten Fans wirklich interessieren, immerhin hängt sie mit dem Rest des Albums lediglich thematisch zusammen.

Von vielen geliebt, von manchen gehasst: SABATON spalten die Gemüter

„The Great War“ – Groß, aber nicht großartig

Auch Album Nummer neun mischt die Karten nicht neu: Wer SABATON von vornherein in die Ballermann-Schublade steckt, der sollte um „The Great War“ einen möglichst großen Bogen machen. All jene, die seit Jahren Sänger Joakim live lautstark dazu auffordern, „noch ein Bier“ zu trinken, werden dahingegen größtenteils auf ihre Kosten kommen. Wirklich punkten kann „The Great War“ nur dank des beachtlichen Ohrwurmfaktors einzelner Songs, dem immensen Live-Potential einiger Nummern und Brodéns gesanglicher Leistung, die das Album über weite Strecken trägt. Abzüge gibt es vor allem für das erschreckend uninspirierte Riffing, das triviale und oftmals recht monoton wirkende Songwriting und die Tatsache, dass sich SABATON nur in einigen Ausnahmefällen die Mühe machen, hier und da auch einmal ein Wagnis einzugehen. Manche Dinge ändern sich eben auch nach 20 Jahren nicht.

17.07.2019
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