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The Crooked Fiddle Band - Overgrown Tales

Review

Wenn sich Bands nach einer „Fiddle“ benennen, ist das meistens ein musikphilosophisches Statement. Denn das historische Instrument der „Fidel“, welches auch in Deutschland mal gespielt wurde, wird weder von FIDDLER’s GREEN, FIDDLERS 3, noch THE CROOKED FIDDLE BAND gespielt. Stattdessen grenzt man sich damit von der klassischen Violinenspielweise ab und greift atmosphärisch in den Kosmos irischer Kneipen und tanzbarer Kolonialmusik. Erwähnte CROOKED FIDDLE BAND passt ebenso in dieses Schema, wirkt aber dank der Abwesenheit eines Sängers, und der Violine als somit einziges Melodieinstrument, angenehm konsequenter und musikalisch anspruchsvoller als viele Vertreter der Irish Folk Welle, die die oben genannte Erlanger Band vor ein paar Jahren ausgelöst hat. Und weil die Australier es mit ihrem aktuellen Album geschafft haben, trotz aller Raffinesse auch jede Menge Wirrheit und Uptempo-Anarchie zu zelebrieren, könnte mit „Overgrown Tales“ auch der Durchbruch nach Europa gelingen.

Wie der Sound der Band allerdings genau klingt, ist angesichts der großen Abwechslung und Ausdehnung des Konzeptes schwer zu bestimmen. Was man aber recht gut sagen kann, ist, dass „Overgrown Tales“ temporeich und tanzgewaltig beginnt, gegen Ende aber immer öfter weite Klanglandschaften aufbaut. Einige Nummern klingen eher experimentiv, andere schlichtweg brilliant. So wie der Opener „Countess Bathory’s Finishing School For Girls“, der jeder Pseudo-Folk-Band zeigt, was für raue und urige Sachen man innerhalb einer genretypischen Instrumentierung mit Geigen, Folkgitarren und Schlagzeug durchprügeln kann. Oder die Songs „The Ruination Of Junkyard Joe“ und „All These Pitchforks Make Me Nervous“, welche tendenziell zu den unsperrigeren und melodischeren gehören, trotz allem aber immer noch eine knochenverbiegende Moshpulkatmosphäre ausstrahlen. Gegen Ende bieten sich bei „The Mountain Hag’s Advices“ oder „Beneath Ash and Oceans“ Vergleiche mit ruhigeren APOCALYPTICA-Nummern an, bis das abschließende (fünfzehnminütige!) Epos „What The Thunder Said“ neben sehr ergreifenden Melodien vor allem auch mit einer plötzlich breiter gewordenen Instrumentierung auffällt. So fühlt man sich fast wie bei der legendären MIKE OLDFIELD Platte „Amarok“, wenn verschiedene gefügte Songteile auch durch andere Gitarren und Spielweisen deutlich gemacht werden. Die Produktion ist dabei je nach Bedarf kneipentauglich oder etwas breiter angelegt. Dem dafür verantwortlichen Steve Albini, der auch schon NIRVANA abgemischt hat, gelingt es aber stets, ein gutes Maß Seele und Eigenständigkeit in der Musik drinzubehalten.

Womit ich an „Overgrown Tales“ auch überhaupt nichts aussetzen kann, und das Rezensieren sehr genossen habe. Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, dass sich eine derart zugespitzte Folkplatte schneller aushört, als qualitativ vergleichbare Rundlinge aus anderen Genres. Vielleicht kann man es am ehesten mit der Mittelalterszene vergleichen, in der Bands wie SUBWAY TO SALLY historische Instrumente und Spielweisen für große Massen zugänglich machen, die deutlich authentischere Renaissancemusik aber einem kleineren Kreis mit Bands wie CORVUS CORAX offenbart wird. So sprechen FIDDLER’s GREEN zwar größere Massen an, wer aber darüber hinaus die Seele des Irish Folk möglichst authentisch verstehen will, und darüber hinaus auch modernen Songwritinganleihen nicht abgeneigt ist, kommt an der CROOKED FIDDLE BAND nicht vorbei. Was hier nämlich an künstlerischen Vermögen drinsteckt, ist einfach nur fantastisch.

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03.08.2011

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