Deep Purple
"The Vinyl Collection": Alle Studioalben von "Machine Head" bis "The House Of Blue Light" in einer Box

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Deep Purple

DEEP PURPLE – das sind erst einmal Rockgiganten der Siebziger, die ebenso berühmt für ihren Rockstandard „Smoke On The Water“ sind wie für exzentrische Livedarbietungen; das ist aber auch das Gegensatzpaar von klassischen Versatzstücken und experimentellem Hard Rock – und vor allem Musiker, die teils nicht miteinander konnten, aber nur in dieser Konstellation Magisches erschufen. Kurzum: Wer sich in der Rockhistorie auskennen möchte, kommt um das Werk der Herren Blackmore, Lord, Gillan, Paice, Glover, Coverdale, Hughes und Bolin nicht herum.

Universal Music veröffentlicht nun die LP-Box „The Vinyl Collection“, auf dem die sieben Studioalben zwischen „Machine Head“ von 1972 und „The House Of The Blue Light“ (1987) zu finden sind, wobei die Platten auch einzeln erhältlich sind. Alle sieben Alben wurden anhand der originalen Mastertapes remastert, was jedoch nicht mehr als ein kurzes Zucken verursachen sollte: Loudness-Exzesse und notorisches Verschlimmbessern ist den Alben glücklicherweise erspart geblieben.

Einziger Wermutstropfen: Der Box liegen zwar die beiden Alben nach der Reunion von 1984 bei, nicht jedoch „In Rock“ (1970) und „Fireball“ (1971), obwohl der stilistische Bruch nach dem Ausklingen der Sechziger und dem Wechsel vom Mk.-I- zum Mk.-II-Line-Up in der Historie DEEP PURPLEs prägender gewesen ist als alles nachfolgende. Der Grund: Die Rechte für die beiden genannten Frühsiebziger-Werke liegen bei der WEA und nicht bei Universal. Wer sich also das ganze Bild des Wirkens der Briten in den Siebzigern machen möchte, muss weiterhin auf die bereits wiederveröffentlichten CDs oder die bereits existierenden LP-Ausgaben von „In Rock“ und „Fireball“ zurückgreifen.

Im Folgenden werfen wir einen Blick auf die sieben neu aufgelegten Alben „Machine Head“, „Who Do We Think We Are“, „Burn“, „Stormbringer“, „Come Taste The Band“, „Perfect Strangers“ und „The House Of Blue Light“.

Machine Head (1972)

Man mag jetzt darüber sinnieren, ob ein Überhit jetzt Fluch oder eher Segen für ein Album ist; Fakt ist: „Machine Head“ hat mit „Smoke On The Water“ wohl einen der am häufigsten rezipierten Rocksongs schlechthin abbekommen, macht unter diesen Umständen aber trotzdem eine durchaus gute Figur. Erstes Indiz: „Machine Head“ startet selbstbewusst mit dem Highway-Rocker „Highway Star“, bei dem die Band, allen voran das Solistenduo Blackmore/Lord, alle Register zieht. Ansonsten herrschen dezente Bach- und Blues-Anleihen vor, es gibt den einen oder anderen Standard und mit „Never Before“ eine eher einfach Good-Time-Rock-Nummer, aber mit „Space Truckin'“ und dem relaxten „Lazy“ genügend Stoff auf der Habenseite.

Das Album wurde im Dezember 1971 im mobilen Studio der ROLLING STONES in Montreux in der Schweiz aufgenommen – ursprünglich sollten die Aufnahmen im Casino stattfinden, aber nachdem Fans während eines Konzerts von FRANK ZAPPA auf dem Dach der Location Feuer legten, musste die Band schließlich ins Grand Hotel umziehen. Einen bleibenden Eindruck auf das Album hat der Vorfall zudem gehabt, schrieb ihn Sänger Ian Gillan doch in seinem Text zu „Smoke On The Water“ ins kollektive Rockbewusstsein. (9/10)

Who Do We Think We Are (1973)

Wie kontert man seinen eigenen Erfolg, den man mit dem Vorgängeralbum errungen hat? „Who Do We Think We Are“ aus dem Jahr 1973 zeigt, wie man es machen kann… aber auf gar keinen Fall machen sollte. Es ist schon verdächtig, wenn ein mäßig cooler Song wie „Woman From Tokyo“ als stellvertretend für das ganze Album stehender Hit herhalten muss. Ian Gillan kreischt darauf ganz nett, aber sonst? Überhaupt bietet Studioalbum Nummer sieben nur wenige Hinhörer – da wird solide nach vorne gerockt, aber eben ohne große Überraschungen. Einzig „Mary Long“ und „Smooth Dancer“ lassen ein wenig aufhorchen.

Wenn man den kursierenden Gerüchten Glauben schenken mag, dann kommunizierte die Band untereinander kaum noch – kein Wunder, dass Bassist Roger Glover und Sänger Ian Gillan bald darauf das Weite suchen würden. Ein unwürdiges Ende des MK.-II-Line-Ups? Immerhin gab es ein gutes Jahrzehnt später dann doch noch ein Happy End. Aber die Coverabbildung? DEEP PURPLE als Seifenblasen? Ernsthaft? (5/10)

Burn (1974)

David Coverdale und Glenn Hughes ersetzten die abgewanderten Gillan und Glover, und mit dem nunmehr installierten Mk.-III-Line-Up und dem im November 1973 wieder in bewährter Manier in Montreux aufgenommenen Album „Burn“ im Gepäck wehte für DEEP PURPLE ein nicht zu übersehendes Zwischenhoch an. Jedenfalls versprüht allein der flott geriffte Titeltrack mehr Elan als das gesamte Vorgängerwerk. Ebenfalls nicht von schlechten Eltern: „Might Just Take Your Life“, „Lay Down, Stay Down“ und vor allem „Mistreated“.

Vor allem der doppelstimmige Gesang des Duos Coverdale/Hughes verleiht „Burn“ zusätzlichen Reiz – nicht zu vergessen die dezenten Soul- und Funkeinflüsse (beispielsweise in „Sail Away“). Jon Lord wiederum benutzte ganz dem Trend entsprechend erstmals Synthesizer, die besonders beim abschließenden Instrumental „A200“ zum Tragen kommen. Bleibt die Frage, wofür „A200“ überhaupt steht… der Legende nach handelte es sich dabei um ein Shampoo, mit dem Geschlechtskrankheiten behandelt wurden… eigentlich ziemlich smart, oder? (8/10)

Stormbringer (1974)

„Stormbringer“ ist das zweite und bereits wieder letzte Album der kurzlebigen MK.-III-Besetzung. Musikalisch, da sollten wir uns nichts vormachen, kann das Album nur in Ansätzen an PURPLES Glanztaten der frühen 1970er anknüpfen. Nüchtern betrachtet hat „Stormbringer“ mit dem Titeltrack eigentlich nur einen wirklichen Klassiker hervorgebracht (der vor allem durch seine manieristischen Synthesizer im Gedächtnis haften bleibt wie Kaugummi an der Schuhsohle). Und dass Gitarrist Ritchie Blackmore angesichts der funkigeren und leichteren Ausrichtung von „Stormbringer“ bald darauf das Weite suchen würde, ist im Nachhinein betrachtet ein durchaus logischer Schritt gewesen. Der Auslöser für seinen Abgang soll übrigens die von ihm gewünschte und seinen Bandkollegen abgelehnte Coverversion von „Black Sheep Of The Family“ gewesen sein, die Blackmore später mit RAINBOW aufnahm.

Trotzdem bietet das Album mit dem flotten „Lady Double Dealer“, der gefühlvollen, von David Coverdale gesungenen Ballade „Soldier Of Fortune“ sowie den eingängigen Tracks „Hold On“ (mit einem eigentlich fürchterlichen Background-Chor) und „The Gypsy“ einige gute Songs, die nur noch vom funky „You Can’t Do It Right“ getoppt werden, das ein wahrhaft abgefahrenes Synthesizer-Solo von Jon Lord auffährt. Somit ist das Schlimmste an „Stormbringer“ das fürchterliche Cover mit einem aus einem Tornado oder Regenbogen heranreitenden Pegasus. (6/10)

Come Taste The Band (1975)

Nach dem „Stormbringer“-Album zog Gitarristengott Ritchie Blackmore von dannen und machte das Feld frei für den Amerikaner Tommy Bolin; der erledigte seinen Job auf Platte souverän, und gerade die funkigere Ausrichtung von DEEP PURPLE in den mittleren Siebzigern verkörperte Bolin mit etwas mehr Elan als sein Vorgänger. Wer also auf den weniger hardrockenden Stil von „Burn“ und „Stormbringer“ steht, dürfte mit „Come Taste The Band“ ziemlich glücklich werden. Selbst wenn das Album beim Publikum damals mehr oder weniger durchfiel. Trotzdem: „Gettin‘ Tighter“, „Love Child“ und vor allem das von Coverdale und Hughes doppelstimmig vorgetragene „You Keep On Moving“ gehören definitiv zu den guten PURPLE-Songs. Das Albumcover? Ganz nach David Coverdales Geschmack. Für PURPLE-Verhältnisse allerdings ein wenig zu lieblich. (7/10)

Schade ist das Ende der Band im Jahr darauf: Nach einem gemeinsamen Konzert in Loverpool im März 1976 war ziemlich unspektakulär Schluss, zum größten Teil, weil Tommy Bolin drupp bis in die Haarwurzeln war und live nicht überzeugen konnte. So gesehen war es höchste Not, die Reißleine zu ziehen und abseits von DEEP PURPLE ein wenig durchzuatmen – was Tommy Bolin nicht mehr hinbekam: der zog im Dezember 1976 nämlich mit einer fatalen Mischung aus Heroin und Alkohol die finale Reißleine.

Perfect Strangers (1984)

Gute zehn Jahre nach dem letzten gemeinsamen Musikzieren fanden sich DEEP PURPLE also 1984 wieder zusammen… und Ian Gillan ließ für seine alte Liebe sogar den jüngst angetretenen Job bei BLACK SABBATH sausen. Das ist erstmal eine gute Entscheidung gewesen, denn vom Reunion-Album „Perfect Strangers“ bleibt der starke Titeltrack in Erinnerung – dieses Hardrockmonster mit diesen fiesen Orgelklängen, das die Band wieder als Schwergewicht des britischen Hardrocks etablierte. Daneben finden sich ein paar coolere Nummern auf dem Album wieder (allen voran „Knocking On Your Backdoor“ und vielleicht noch „Hungry Daze“) und ein paar weniger coole… gepaart mit typischen Gillan-Texten über Drinks, Frauen und alte Zeiten. Insgesamt überstrahlt der starke Titeltrack aber, dass „Perfect Strangers“ dann doch über weite Strecken ein Album ist, das nicht an alte Glanztaten anknüpfen kann.

Für das Albumcover wurden übrigens ganz dem Zeitgeist entsprechend alle Airbrushkünste dieser Welt herangezogen – immerhin erkennt man auch heute noch auf den ersten Blick, wann „Perfect Strangers“ das Licht der Welt erblickte. (5/10)

The House Of Blue Light (1987)

Mit „The House Of Blue Light“ werden üblicherweise zwei Probleme verbunden: Der Zusammenhalt des Mk.-II-Line-Ups hatte bereits im Schaffensprozess zum zweiten Album nach der Reunion merklich gelitten, was sich spätestens im zweiten Abgang von Ian Gillan 1989 manifestierte. Außerdem versuchten DEEP PURPLE sich dem Zeitgeist anzunähern, beispielsweise, indem Ian Paice bei „The Unwritten“ ein elektronisches Schlagzeug verwendete und Ritchie Blackmore einen Gitarrensynthesizer einsetzte. Später kommentierten verschiedene Bandmitglieder dieses Vorgehen als Fehler. Und auch von den Songs konnten nur wenige überzeugen: „Bad Attitude“, „Dead Or Alive“ mit seinem rasanten Instrumentalpart und „Hard Lovin‘ Woman“ gehen völlig in Ordnung, „Call Of The Wild“ als Wannabe-Stadionrockhymne irgendwie auch noch, aber den ganz großen Hit sucht man doch vergeblich. (6/10)

Wie es danach weiterging, ist bekannt: Gillan ging und wurde durch Joe Lynn Turner ersetzt, kam zurück, bis Ritchie Blackmore während eines Konzerts am 17. November 1993 in Helsinki von der Bühne stürmte und sich seitdem solo als Mittelalterbarde versucht. Jon Lord stieg 2002 aus und starb 2012, wodurch Ian Paice heute das einzig verbliebene Originalmitglied ist. Den ganz großen Hit haben DEEP PURPLE seitdem nicht mehr gelandet, aber Alben wie „Bananas“ oder das aktuelle „Now What?!“ sind durchaus zu empfehlen.

17.02.2016

- Dreaming in Red -

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