Testament
Vier Jahrzehnte zwischen Weiterentwicklung und Wiedererkennung
Special
TESTAMENT liefert mit „Para Bellum“ ein vielseitiges Album, das von brachialem Thrash bis zur überraschenden Power-Ballade „Meant To Be“ viele Facetten bereithält. Im Podcast spricht Eric Peterson über Tourerfahrungen, kreatives Arbeiten, den technischen Wandel im Studio und darüber, warum das Risiko, Dinge anders zu machen, für TESTAMENT heute wichtiger ist denn je.
TESTAMENT war jüngst auf Europatour. Viele Shows waren ausverkauft und das Publikum war breit gemischt, von alt bis jung und wieder zurück. Begleitet wurden sie von DESTRUCTION, OBITUARY und den Newcomern NERVOSA. Ein Tour-Paket, das zeigt, dass TESTAMENT weder museal noch elitär funktioniert, sondern mit offenen Türen auftritt.
Im Podcast klingt Eric Peterson weder nostalgisch noch abgeklärt, sondern sachlich zufrieden: Die Tour sei gut gelaufen, die Resonanz stimme. Ein simples, aber gutes Fazit. „Para Bellum“ hat daran einen spürbaren Anteil. Ein Album, das nicht „TESTAMENT in modern“ spielt, sondern konsequent weiterführt, ohne die DNA zu glätten.
TESTAMENT und das Kapitel „Para Bellum“
Der Entstehungsprozess von „Para Bellum“ war weniger dramatisch, als man vielleicht erwarten würde. Die Pandemie-Pause hat vor allem eins ermöglicht: Zeit. Peterson beschreibt die Schreibsessions als entspannt, fast beiläufig. Kein „Wir müssen jetzt“, sondern „Wir probieren, wenn es sich lohnt“. Das klingt undramatisch, ist aber eine Seltenheit in einer Szene, die sich oft durch Druck auszeichnet.
Der Einstieg von Drummer Chris Dovas war dabei wesentlich, nicht, weil er jung ist, sondern weil er musikalisch genauso denkt wie Peterson: rifforientiert, nicht starr. Der kreative Workflow basierte auf einer gemeinsamen Welle. Was bedeutet, dass es nicht nur wenige Erklärungen bedurfte, sondern das simple Ausprobieren von Ideen, die miteinander funktionierten und sich entfalteten, statt durch sture Ansage. Die musikalisch moderne Agressivität und die entstandenen melodischen Räume auf „Para Bellum“ wirken daher nicht nach kalkuliertem Update, sondern nach natürlicher Verschiebung.
„Meant To Be“: das unerwartete Zentrum
Überraschend steht ausgerechnet ein ruhigerer Song im Fokus: „Meant To Be“. Eine Ballade, die nicht in Pathos versinkt, sondern Atmosphäre entwickelt, getragen von einem echten Streichquartett. Das ist ungewöhnlich im Thrash, unterstreicht aber die Offenheit der Band. Die Idee kam von Chuck Billy. Peterson war zunächst skeptisch, weil „Streicher auf einem TESTAMENT-Album“ schnell nach Fremdkörpern klingen können. Doch der Song in Gänze überzeugt, da die Streicher nicht schmückendes Beiwerk sind, sondern Bestandteil der Struktur des Songs. Ein seltener Zug im Thrash, der hier nicht als Stilbruch, sondern als Selbstbewusstsein wirkt.
Technologie: Entlastung im Studio, Risiko auf der Bühne
Im Podcast widmet sich ein großer Teil des Gesprächs technischen Veränderungen: von analogem Tape-Schneiden bis zu Pro Tools, Logic, MIDI-Drums und digitaler Produktionsroutine. Peterson benennt klar, was daran positiv ist: Zeitersparnis, Flexibilität und Genauigkeit. Früher konnte ein fehlerhafter Schnitt eine ganze Aufnahme ruinieren. Heute lässt sich alles bearbeiten, verschieben und retten. Das führt auch seiner Beschreibung zufolge dazu, dass sich Musiker stärker auf Inhalte als auf die Machbarkeit konzentrieren können. Und dennoch stellt Peterson klar: Alles hat einen Preis! Studio-Perfektion erzeugt eine Erwartung, die live nicht funktioniert, aber auch nicht funktionieren soll. TESTAMENT spielen live bewusst ohne Clicktracks, weil Tempo und Energie vom Publikum kommen sollen, nicht vom Computer. Wenn ein Song live schneller wird, ist das kein Fehler, sondern eine Reaktion.
Kreativität: Nicht arbeiten, bis es weh tut
Interessant ist, dass TESTAMENT heute nicht mehr im „immer weitermachen“-Modus arbeitet, sondern Routinen etabliert hat, die Erschöpfung vermeiden. Wenn es im Studio nicht läuft, wird aufgehört. Film an, Bier auf, später neu anfangen. Manchmal entsteht dann spontan ein Teil, der bleibt, so Peterson. Dieser Ansatz macht die Musik nicht „locker“, sondern präziser, weil er Ideen filtert, statt sie zu erzwingen.
TESTAMENT: Wandel aus Neugier
Das Gespräch zeigt eine Band, die weder Innovation als Pflicht begreift noch Tradition als Schutzraum. Für TESTAMENT gilt: Musik und die Arbeit daran sollen Spaß machen. Dennoch wird deutlich, dass es nur ein schmaler Grad ist, sich nicht bis zur Erschöpfung zu treiben, sondern zu schreiben, wenn es sich lohnt. Sowie Technologien und Neuerungen zu nutzen, wenn sie helfen, und sie zu ignorieren, wenn sie stören.
