Whitesnake
1987 30th Anniversary Edition

Special

WHITESNAKE feiern dieser Tage das dreißigjährige Jubiläum ihres Albums „1987“. Passend dazu erscheint die Platte in einer aufwendigen „Anniversary Edition“, die wir für euch unter die Lupe genommen haben.

Das Album

WHITESNAKE sind in den Anfangstagen ihrer Karriere vor allem für bluesbasierten Hard Rock bekannt. Bandkopf David Coverdale wurde in den 70ern als Sänger von drei DEEP-PURPLE-Alben zu einem gefragten Mann. 1974 veredelte er „Burn“ und „Stormbringer“ mit seiner schlagkräftigen Stimme, 1975 „Come Taste The Band“. Die Band trieb er derweil mehr in Richtung Blues und Soul. WHITESNAKE ist also nur die logische Fortsetzung seiner DEEP-PURPLE-Zeit. Doch 1987 wagt David Coverdale mit seiner Band einen radikalen Schritt.

Für die amerikanische Veröffentlichung des 84er Albums „Slide It In“ hatte der damals neu eingestiegene ex-THIN-LIZZY-Gitarrist John Sykes bereits neue Gitarrenspuren eingespielt. Zusätzlich wurde das Album für Übersee neu gemixt, um es für den nordamerikanischen Markt attraktiver zu machen. Nach einer erfolgreichen Platzierung der Platte in den amerikanischen Top 40 wird Sykes zum neuen Songwriting-Partner von Coverdale befördert. Im Frühjahr 1985 reisen die beiden für eine Songwriting-Session nach Südfrankreich. Dabei entstehen zwei Stücke, die die Richtung für die nächste Platte vorgeben sollten: „Still Of The Night“ und „Is This Love“. Sieben weitere Stücke schreiben die beiden im Folgenden gemeinsam. Zusätzlich sollen für das kommende Album die beiden Bandhits „Here I Go Again“ und „Crying In The Rain“ neuaufgenommen werden.

Kein Friede, Freude, Eierkuchen

Während des Aufnahmeprozesses kommt es allerdings zu massiven Spannungen zwischen den beiden Kreativköpfen. Schlussendlich muss Sykes gehen und die übrigen Gitarrenspuren werden von Adrian Vandenberg und dem damaligen DIO-Gitarristen Vivian Campbell eingespielt, die auch die anschließende Tour bestreiten. Das Ergebnis dieses nervenaufreibenden Prozesses erscheint in den USA als „Whitesnake“ , in Europa hingegen ebenso schlicht als „1987“. Beide Titel haben ihre Berechtigung. Zum einen ist das Album nämlich ein musikalischer Neustart. WHITESNAKE lassen den bluesigen Hard Rock hinter sich. Stattdessen gibt es auf „1987“ (wir bleiben jetzt mal beim hiesigen Titel) Glam Rock der Marke MÖTLEY CRÜE und BON JOVI. Zum anderen markiert das Jahr 1987, dank der Platte, den endgültigen kommerziellen Durchbruch für WHITESNAKE. Allein in den USA verkauft sich die Scheibe über acht Millionen Mal und die anschließende Tour führt die Band nur noch durch große Arenen.

Whitesnake (Bandfoto 1987)

Hits, Hits, Hits!

Das ist angesichts der schieren Masse an Hits auch kein Wunder. Die europäische Version eröffnet direkt mit dem Hard-Rock-Hammer „Still Of The Night“, eine der größten Rockhymnen aller Zeiten. Das Riffing ist unfassbar präzise, und insbesondere David Coverdale darf hier richtig auftrumpfen. Von aggressiven, hohen Schreien bis hin zu gefühlvollem Gesang im atmosphärischen Mittelteil, der LED ZEPPELIN alle Ehre machen würde, zeigt er in den sechseinhalb Minuten seine gesamte stimmliche Bandbreite. Ein weiteres Riff-Highlight ist das peitschende „Bad Boys“, das wie alle Songs auf der Platte mit einem absoluten Mitsing-Refrain gesegnet ist. Aber neben harten Rockern überzeugen auch die Schmuseballaden, schießen sie doch immer haarscharf am Kitsch vorbei. Ein Klammertanz zu „Looking For Love“ oder „Is This Love“ dürfte 1987 wohl der Beginn so mancher erfolgreichen Beziehung gewesen sein. Und wenn es doch Mal in die Hose ging, dann half „You’re Gonna Break My Heart Again“ bei der Verarbeitung.

WHITESNAKE machen es noch mal

Und „Here I Go Again“? Dazu muss man wohl wahrlich nichts mehr sagen. Die Halbballade war bei Erscheinen des Albums schon totgenudelt. Trotzdem entwickelt sich auch die „1987“-Version abermals zum Hit, den markanten Riffs und Coverdales eindrucksvollem Gesang sei Dank. Einen in irgendeiner Weise schwachen oder mittelmäßigen Song gibt es auf „1987“ schlichtweg nicht. Elf Hits haben David Coverdale und co. hier angesammelt, die bis ans Ende aller Tage jeden Rockschuppen zum Kochen bringen werden. Als Produzent der Platte engagierten WHITESNAKE Mike Stone. Der hat zuvor bereits mit AOR-Größe wir JOURNEY und ASIA gearbeitet und weiß genau, welcher Sound der Band vorschwebt. „1987“ klingt sauber und aufgeräumt, aber nie zu glatt. Das Remaster der „Anniversary Edition“ ist zudem sehr vorsichtig und lässt die Songs satter klingen, ohne dabei den Originalsound zu verwässern. So gehört sich das!

Das Bonusmaterial

Wie es sich für eine aufwendige Reissue gehört, liegen der „1987 30th Anniversary Edition“ noch allerhand weiterer CDs bei. Da haben wir zum einen „Snakeskin Boots – Live On Tour 1987-88“. Dominiert werden die Live-Aufnahmen natürlich von den „1987“-Songs. Ein paar Ausflüge zu anderen Alben gibt es aber in Form von etwa „Slide It In“ oder „Ain’t No Love In The Heart Of The City“. Der Sound ist roh. Von einer großen Studiobearbeitung ist hier nichts zu hören. Auch die frenetischen Publikumsreaktionen kommen gut durch. Die CD liefert einen authentischen Eindruck von den Arena-Konzerten, die WHITESNAKE nach ihrem großen Durchbruch gespielt haben.

Ein intimer Einblick

Das nächste Schmankerl ist „87 Evolutions – Demos & Rehearsals“. Wie der Titel unschwer erkennen lässt, befinden sich darauf Demoaufnahmen von späteren Songs des Albums. Den Songwriting-Sessions von David Coverdale und John Sykes zu lauschen hat durchaus seinen Unterhaltungswert. Oft sind dabei nur Gesang und Gitarren zu hören. Coverdale singt improvisierte, oft witzige Texte über die Gitarrenriffs. Die groben Strukturen erinnern in den meisten Fällen an das spätere Endergebnis. Machen Songs, wie zum Beispiel „Still Of The Night“, sind aber nur in ihren Grundzügen erkennbar. In der zweiten Hälfte der CD gibt es auch vermehrte Proberaum-Mitschnitte der Band, die kurz vor den Aufnahmen entstanden sind. Soundtechnisch ist das natürlich alles nicht so dolle. Trotzdem ist dieser intime Einblick in die Arbeiten zu „1987“ für Fans wirklich eine tolle Sache. Genau wie die Aufnahmen der Live-CD, sind die Demos in der „30th Anniversary Edition“ erstmals erhältlich.

Die nächste CD heißt „87 Versions“ und enthält alternative Mix-Versionen einiger Album-Songs. Dabei sind sowohl brandneue Mixe, Radio Edits und extra für die Japan-Veröffentlichung von „1987“ angefertigte Varianten dabei. Für Komplettisten ganz nett, aber längst nicht so spannend, wie die beiden anderen Bonus-CDs.

Whitesnake – 1987 30th Anniversary Edition Inhalt

WHITESNAKE sprechen auch die visuellen Sinne an

Die letzte Scheibe der Box ist zur Abwechslung eine DVD. Die enthält zuallererst die gesammelten Musikvideos zum Album, die Ende der 80er auf MTV rauf und runter liefen. Dazu kommt eine halbstündige Dokumentation, in der Coverdale (ja, wirklich nur Coverdale) über die Entstehung des Albums und seine Bedeutung philosophiert. Untermalt wird das von Original-Aufnahmen und Interviews aus den 80ern. Nette Sache, wenn auch ganz schöne Selbstbeweihräucherung. Dazu kommen dann noch drei Live-Videos von der „1987“-Tour. Insbesondere der Sound ist hier überraschend gut. Doch auch das Bild geht absolut in Ordnung. Alle Silberlinge kommen derweil in aufklappbaren Digisleeves daher. Nur die DVD steckt in einem einfachen Cardsleeve. Die Datenträger selbst werden noch mal durch eine Innenhülle geschützt, damit beim Herausziehen keine Kratzer entstehen. Sehr löblich!

Auch den Lesestoff haben WHITESNAKE nicht vergessen. Zum einen liegt ein Heft mit allen Lyrics des Albums bei. In dem befinden sich auch Abdrucke von handschriftliche Notizen der Texte von David Coverdale. Obendrauf kommt noch ein kleines Hardcover-Buch voll Bildern und Liner-Notes der Beteiligten zum Album. Wem das alles nicht genügt, der kann sich dann noch das Poster mit dem Album-Cover an die Wand hängen. So sieht eine Deluxe-Eiditon aus, an der es absolut nichts zu bemängeln gibt. Einzig die Vinyl-Variante lag uns für das Review leider nicht vor.

10.11.2017

"Irgendeiner wartet immer."

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