Back to normal oder alles anders?
Interview mit dem Eventpsychologen Steffen Ronft

Interview

Als Eventpsychologe schult und berät Steffen Ronft Veranstalterinnen und Veranstalter mit einem besonderen Blick auf das, was Events ausmacht: den Menschen. Wir haben mit ihm zu den psychischen Auswirkungen der Abstands- und Hygiene-Regelungen aus den zurückliegenden eineinhalb Jahren gesprochen und Prognosen gewagt, welche Maßnahmen und Veränderungen dauerhafter Teil des Konzerterlebnisses werden könnten. 

Eventpsychologe Steffen Ronft bei einer Veranstaltung

„Der Mensch als Adressat.“ – Steffen Ronft kombiniert in seiner Forschung Eventmanagement und Psychologie

Hallo Herr Ronft, wollen Sie zunächst Ihr Fachgebiet, die Eventpsychologie, noch einmal in Kürze vorstellen und erzählen, wie Sie da hineingeraten sind?

Gerne, da muss ich aber tatsächlich ein bisschen ausholen: Es fing an, als mir während meines Bachelor-Studiums des Eventmanagements irgendwann aufgefallen ist, dass das Studium sich stark auf eine betriebswirtschaftliche Betrachtung fokussiert. Und das, obwohl es bei Veranstaltungen ja eigentlich im Kern darum geht, Menschen durch ein Event zu begeistern. Der Mensch als Adressat sollte stärker im Mittelpunkt der Managementleistung stehen. Ich habe mich dann dafür entschieden, dass ich, um Eventmanagement besser erfassen zu können, mich stärker in den psychologischen Bereich bewegen muss. Also habe ich im Anschluss, Wirtschaftspsychologie mit einem Kommunikationsschwerpunkt studiert und bin dabei auf immer mehr Forschungslücken und Transfermöglichkeiten für das Eventmanagement gestoßen. Die Psychologie bietet bereits viele Erkenntnisse, die im Eventmanagement bisher kaum Anwendung fanden. Und so habe ich mich seither auch als Doktorand in Wahrnehmungspsychologie stärker mit der Forschung und dem Schließen eben jener Lücken befasst. In den letzten zehn Jahren habe ich an der Weiterentwicklung einer Eventpsychologie – also den Transfer von psychologischen Erkenntnissen in den Eventkontext – gearbeitet. Dieses Jahr konnte ich die Erkenntnisse mit 60 Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis in einem knapp 1.000-seitigen Sammelwerk erstmals zusammenfassen. Täglich kommen aber immer wieder neue Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung und der Praxiserfahrung auf Events hinzu.

Beraten Sie selbst auch Veranstalter direkt?

Ja, das ist neben Tätigkeit als Hochschuldozent mein zweites Standbein. In meine Vorträge und Seminare für Professionals kommen unterschiedlichste Akteur:innen aus dem Veranstaltungsbereich und beschäftigen sich aktiv mit Eventpsychologie. Das hilft dann zum Beispiel Auftraggebern dabei Vorschläge von Agenturen besser einzuschätzen, Veranstaltern die eigenen Planungen zu reflektieren und Dienstleistungsanbietern die eigene Leistungen zu optimieren. Manchmal werden mir aber auch Konzepte direkt vorgelegt oder ich zu Veranstaltungen eingeladen, die ich dann bewerten soll. Vergleichbar ist das mit der Praxis des sogenannten „Mystery Shoppings“, also wenn jemand inkognito in einem Supermarkt einkaufen geht und am Ende eine Bewertung zum Beispiel der Produktplatzierung und des Services vornimmt. Im Veranstaltungsbereich lassen sich dabei häufig Aspekte identifizieren, die, ohne nennenswerte Kosten zu verursachen, bereits das Besuchererlebnis verbessern können. Solche Optimierungspotenziale finden sich beispielsweise bei der Vorfeld-Kommunikation, Wegeführung, Beleuchtung, dem dramaturgischen Ablauf und bei Verkaufsständen vor Ort.

Haben Sie dann im letzten Jahr verstärkt Corona-Sicherheitskonzepte auf dem Tisch gehabt?

Coronabedingt gab es vor allem zwei Schwerpunkte: Zum einen ging es um die Kommunikation von getroffenen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen beziehungsweise Alternativformaten. Wie kommuniziert man als Veranstalter überhaupt, dass man sichere Veranstaltungen anbietet? Wie ermutigt man die Leute, sich mit Maske in die Bahn zu setzen, um zum Event zu reisen oder an einem Live-Stream als Ersatzveranstaltung teilzunehmen? Das sind ja komplett neue Hürden, gegen die man als Veranstalter plötzlich anarbeiten muss. Unsicherheiten abbauen war also der erste wichtige Punkt. Und der zweite wichtige Aspekt war der Transfer von analogen Veranstaltungen in hybride und digitale Formate: Wie gestaltet man einen Produktlaunch oder die Mitarbeiter-Weihnachtsfeier dezentral, aber möglichst, ohne auf die emotionale Wirkung eines Events verzichten zu müssen? Viele Unternehmen sahen sich mit solchen Aufgaben und Herausforderungen konfrontiert.

„Man muss den Leuten verdeutlichen, dass sie jetzt wieder Entscheidungsfreiheiten haben und nicht höherer Gewalt untätig ausgeliefert sind.“

„Unsicherheiten abbauen“ ist ein gutes Schlagwort. Niemand kann so richtig sagen, wie es sein wird, wenn es mit den Veranstaltungen irgendwann wieder losgeht. Müssen wir nach über einem Jahr Pandemie und Kontaktbeschränkungen nicht alles, was wir über das Verhalten von Menschenmassen in solche Kontexten zu wissen glaubten, auf den Prüfstand stellen?

Es gibt diverse Faktoren, die dadurch jetzt plötzlich eine ganz neue Bedeutung gewinnen. Ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit den Corona-Folgen ist zum Beispiel die selbst wahrgenommene Autonomie. Dieses Gefühl der Autonomie hat nämlich bei vielen Menschen im letzten Jahr stark gelitten, das Gefühl, dass man selbst Entscheidungen treffen kann und nicht fremdbestimmt ist. Und ich glaube, das ist ein Thema, welches wir bei Veranstaltungen künftig mitdenken müssen. Man muss den Leuten verdeutlichen, dass sie jetzt wieder Entscheidungsfreiheiten haben und nicht höherer Gewalt untätig ausgeliefert sind. Veranstalter sollten daher die Kund:innen über die potenziellen Szenarien und dann eintretende Handlungsoptionen transparent informieren: Welche Möglichkeiten hat man, wenn man sich bereits ein Ticket gekauft hat, aber die Veranstaltung dann doch coronabedingt abgesagt oder verschoben wird? Welche Lösungen gibt es, wenn die Veranstaltung zwar stattfindet, aber man wegen steigender Inzidenzen lieber doch nicht teilnehmen möchte? Dabei ist es ganz zentral, den Leuten bildlich gesprochen verschiedene Knöpfe auf den Tisch zu legen und zu verdeutlichen, dass sie nun wieder selbstständig entscheiden und agieren können.

Autonomie ist sicherlich auch ein wichtiges Thema am Veranstaltungsort selbst. Wer kann schon sagen, wie sich Menschen nach den Erfahrungen der letzten Zeit in größeren Massen verhalten?

Völlig richtig. Es wird sicherlich wichtig sein, ausreichend Rückzugsorte zu schaffen. Wir sind jetzt alle an einem Punkt, an dem es uns schon sehr merkwürdig vorkommt, wenn einem jemand beim Einkaufen in der Schlange zu nahe kommt oder in der Bahn ohne Maske begegnet. Das sind über die Pandemiezeit gelernte Wahrnehmungs- und Verhaltensweisen, die sich unser Unterbewusstsein erst wieder abtrainieren muss, sobald sich die Infektionslage entspannt.

Bei einer Veranstaltung mit hunderten oder tausenden von Besucher:innen treffen immer ganz unterschiedliche Sicherheitsbedürfnisse aufeinander: Eine Distanz, die für den einen noch in Ordnung ist, löst beim anderen schon Unwohlsein aus.

Deshalb sollten wir dies bereits bei der Locationplanung und Wegeführung beachten. Zugänge und Wartebereiche im Außenbereich, wie dies beispielsweise Freizeitparks derzeit anbieten, sind hier bereits neue Ansätze und kurzfristige Alternativen zu engen Innenbereichen. Nicht nur aus Sicherheits- und Infektionsschutzgründen, sondern auch um den Besucher:innen die Möglichkeit zu geben, sich bei Bedarf und niedrigschwellig von anderen Menschen distanzieren zu können.

Wenn Sie also demnächst ein Veranstaltungskonzept auf den Tisch bekämen, würden Sie, auch wenn die Infektionslage und der Gesetzgeber es zulassen, eher empfehlen, ein paar weniger Tickets zu verkaufen und Rückzugsräume zu schaffen?

Wichtiger als die absolute Ticketanzahl ist aus meiner Sicht die transparente Kommunikation und Planung vor Ort. Von 1.000 Leuten in der Venue werden vielleicht 600 erwartungsvoll sein und gerne eng gedrängt ganz vorne am Wellenbrecher stehen wollen. Wir sollten aber sicherstellen, dass wir für die anderen 400, die sich von vorneherein etwas zurückhaltender verhalten, unsicher fühlen oder dieses Gefühl erst in der gelebten Situation entwickeln, Alternativen schaffen. Niemand darf in eine für sie oder ihn ausweglos erscheinende Situation gelangen, in der sie oder er sich unwohl fühlt. Veranstalterseitig lässt sich diesem Gefühl beispielsweise durch großzügig bemessene Wege, zusätzliche Aufenthaltsbereiche abseits großer Menschenmengen und jederzeit zugänglichen Außenbereiche an der frischen Luft entgegenwirken.

Gibt es Methoden, mit denen sich einschätzen lässt, welcher Anteil eines Publikums ein solches gesteigertes Unsicherheitsempfinden mit sich bringen könnte?

Das wird sehr schwierig zu untersuchen sein. Für die empirische Psychologie besteht hier die Herausforderung, dass sich dies nicht unter kontrollierten Laborbedingungen untersuchen lässt. Bei so komplexen Systemen wie Events lässt sich oft schwer sagen, welcher Einflussfaktor letztlich für eine gewisse emotionale Reaktion verantwortlich ist. Es ist aber nur eine Frage der Zeit, bis aus unterschiedlichen Studien hierzu interdisziplinär Erkenntnisse zusammengeführt werden können. Die Veranstalter werden aber auch selbst ein Gespür entwickeln, dass zumindest in dieser Übergangsphase andere Bedürfnisse als noch vor der Pandemie an Bedeutung gewinnen.

Dazu würde ich gerne kurz auf ein Modell aus der Motivationspsychologie verweisen, mit dessen Hilfe sich unterschiedliche Bedürfnisse besser einordnen lassen: Es gibt die sogenannte Zwei-Faktoren-Theorie nach Herzberg, die eigentlich aus dem Bereich der Arbeitsforschung stammt. Dabei steht die Frage im Vordergrund, welche Umstände müssen gegeben sein, damit Menschen zur Arbeit kommen, dort eine gute Performance abliefern und dabei möglichst Freude empfinden. Dabei wird zwischen zwei Arten von Faktoren unterschieden: Das eine sind die sogenannten Hygienefaktoren. Das sind sozusagen die Grundvoraussetzungen, ohne die die Leute gar nicht Arbeiten würden. Darüber hinaus gibt es dann noch die Motivationsfaktoren, die die Anreizsysteme darstellen, die man den Beschäftigten zusätzlich zu den Hygienefaktoren bietet und die für eine Art Begeisterung sorgen können. Also Zusatzangebote, die die Angestellten positiv überraschen und begeistern.

Wenn man diese Theorie auf ein Konzert überträgt, ist der Motivationsfaktor recht klar: Zum Beispiel die auftretende Band zu sehen, das Bedürfnis zu feiern und Spaß zu haben. Die Anreize sind klar gesetzt. Die Hygienefaktoren allerdings haben sich aus meiner Sicht von 2019 zu 2021 erweitert: Bevor ich mir ein Ticket kaufe, informiere ich mich online über das Hygienekonzept und lese nach, wer unter welchen Voraussetzungen Zutritt auf das Gelände bekommt, wie eng der Kontakt zu anderen Besucher:innen sein wird, ob es eine Kontaktnachverfolgung geben wird und so weiter. Kurz: Ich versuche also, mein Risiko der Veranstaltungsteilnahme im Vorfeld einzuschätzen. Und das ist etwas, das vor 2019 keine nennenswerte Rolle gespielt hat. Kaum jemand hatte Angst davor, auf eine Veranstaltung zu gehen und mit einer schwerwiegenden Erkrankung zurückzukommen. Nun haben wir diese Bedenken in der Abwägung eines Veranstaltungsbesuchs mit dabei und müssen dies als Hygienefaktor bereits in der Kommunikation berücksichtigen.

Die Message wird sein: Wir garantieren Ihnen eine möglichst Corona-sichere Veranstaltung

Glauben Sie, diese Bedenken werden uns alle längerfristig begleiten, oder könnten Sie sich auch schnell wieder abbauen, wenn wir erstmal wieder in einen neuen Normalitätsmodus schalten?

Das ist natürlich schwierig zu sagen und hängt sicherlich auch damit zusammen, ob wir es demnächst mit weiteren Virus-Mutationen zu tun bekommen werden. Gehen wir mal davon aus, wie kriegen durch Impfungen und Co. das Infektionsgeschehen weitestgehend eingedämmt: Dann würde ich annehmen, dass wir vielleicht gegen Ende 2022 wieder so etwas wie Normalität im zwischenmenschlichen Umgang haben könnten. In der Übergangsphase würde ich aber davon ausgehen, dass das Informationsbedürfnis nach Hygienekonzepten bei den Besucher:innen bestehen bleiben wird und diese sich auch unbewusst distanzierter Verhalten werden. Deswegen würde ich vorerst auch jedem Veranstalter anraten, an dieser Stelle proaktiv für ein hohes Sicherheitsempfinden bei den Besucher:innen zu sorgen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass sich zukünftig Zertifizierungen in diese Richtung manifestieren werden. So könnte es extern geprüfte Qualitätssiegel geben, mit denen Veranstalter dann auch werben können. Die Message: Wir garantieren Ihnen eine möglichst Corona-sichere Veranstaltung.

Ich brauche nicht 100.000 Leute um mich herum, um das dynamische und mitreißende Erlebnis einer feiernden Menschenmenge zu erfahren.

Sie haben eingangs gesagt, dass Sie in letzter Zeit auch viel damit beschäftigt waren, Live-Erlebnisse möglichst gut in den digitalen beziehungsweise hybriden Raum zu übertragen. Ist es aus Ihrer Sicht realistisch, dass Live-Streams jemals ein ähnliches Erlebnis bieten wie der Live-Moment selbst?

Die verschiedenen Formate besitzen eine andere Qualität mit anderen Stärken und Schwächen. In der Sozialpsychologie weiß man: Wenn ich in einer Menschenmenge stehe, spiegele ich immer auch die Emotionen der Menschen um mich herum wider. Dafür sind so genannte „Spiegelneuronen“ verantwortlich: Heißt: Wenn um mich herum alle jubeln, dann jubele ich mit. Da findet eine Emotionsübertragung statt, die ich über einen Live-Stream so nicht ohne Weiteres hinbekomme. Bei einem vollumfassenden, multisensualen Erlebnis spüre ich die Veranstaltung regelrecht. Ich spüre die Wärme auf der Haut es, wenn die Blinder oder die Pyrotechnik angehen und die Menge weiter anheizen. Alles was da stattfindet, zusammen mit den Menschen, die in diesem Moment ein Erlebnis mit mir teilen, das ist aus meiner Sicht digital schwer zu erreichen.

Was aber durchaus zu hinterfragen wäre, ab welcher kritischen Masse ein solches Erlebnis entsteht und wie Veranstaltungskonzepte dahingehend optimiert werden können. Beispiele sind Megafestivals wie Rock am Ring: Ich brauche nicht 100.000 Leute um mich herum, um das dynamische und mitreißende Erlebnis einer feiernden Menschenmenge zu erfahren. Als Besuchender kann ich kaum sagen, ob es 20.000, 50.000 oder 80.000 Mitfeiernde sind. Große Menschenmengen sind für die menschliche Wahrnehmung und -verarbeitung rational kaum zu erfassen.

Vielleicht werden wir also in Zukunft mehr sogenannte Satelliten-Festivals haben – mit einem Head-Festival und mehreren dezentralen Satelliten in kleineren Locations. Dann sind dort vielleicht nur noch 10.000 Feiernde um mich herum, aber durch Live-Streams oder mittels Live-Hologrammen wird immer wieder die Verbindung zu den anderen parallel stattfindenden Satelliten-Events, zu deren Acts und Publikum, aufgebaut. Im Grunde so, wie wir das schon von Formaten wie dem Eurovision Song Contest oder Public Viewings bei Sportereignissen kennen. Mehrere kleine Events wären leichter coronakonform umzusetzen als ein zentrales Mega-Event mit internationalem Einzugsgebiet. So könnten zeitgleich auch 100.000 Menschen gemeinsam feiern, nur eben nicht mit der Möglichkeit, jeden Mitfeiernden auch auf dem eigenen Veranstaltungsgelände persönlich zu treffen.

In jedem Fall wird aber für die „Übergangsphase“ bis 2022 ein erhöhtes Sicherheits- und Informationsbedürfnis herrschen – daraus resultieren zusätzliche Kosten auf Veranstalterseite, die wiederum auf die Tickets umgeschlagen werden müssen. Glauben Sie, dass die Fans das mitmachen und die Branche wieder auf die Beine kommen kann?

Aus Nachfragerperspektive kann ich diese Frage recht eindeutig beantworten. Zur Beantwortung kann das Konzept des „Mental Accounting“ aus der Verhaltensökonomik weiterhelfen. Im Kern besagt es, dass jeder Mensch in Gedanken stets eine Art mentaler Kontenführung betreibt. Wir haben also imaginäre Budgets für Dinge, für die wir unser Geld ausgeben. Und je nachdem, ob von diesen Budgets schon Etwas abgebucht wurde, verändert sich unser weiteres Kaufverhalten. Jetzt gerade haben wir die Situation, dass aus dem Veranstaltungs- beziehungsweise dem Entertainment- oder Kulturbudget – diese Einteilungen sind stets individuell – im letzten Jahr quasi Nichts abgebucht wurde. Es hat sich also zum einen ungenutztes Budget angesammelt, zum anderen ein Bedürfnis nach Unterhaltung aufgestaut. Das heißt, wenn es jetzt wieder losgeht, werden die Leute aus der psychologischen Perspektive wahrscheinlich sogar zahlungsbereiter sein, als sie es vorher waren.

Und dann gibt es noch einen zweiten Effekt aus der Verhaltensökonomik – den sogenannten „Scarcity-Effekt“. Bisher waren Veranstaltungen bei uns ja selten ein knappes Gut, abgesehen von extrem nachgefragten Highlight-Events, die stets sehr schnell ausverkauft waren. Bei solchen limitierten Events spielt Geld für die überzeugte Fans kaum eine Rolle. Und ein solcher Verknappungseffekt könnte es demnächst auch bei anderen Veranstaltungen geben. Es ist im Gegensatz zu 2019 keine Selbstverständlichkeit mehr, dass selbst lange im Voraus geplante Tourneen und Konzerte stattfinden. So könnten Tickets – gerade bei coronabedingt noch reduzierten Besucherkapazitäten –zum umkämpften Gut werden. Dies senkt zusätzlich nochmals die Preissensibilität.

Aber irgendwann ist die Toleranz für Mehrkosten doch auch aufgebraucht? Was, wenn unser Restbudget aus 2020 erstmal komplett aufgewendet wurde?

Irgendwann kommt natürlich auch ein Gewöhnungseffekt zum Tragen. Beispiel: Gestern habe ich für 1,40 Euro Super-Benzin getankt und habe mich gefreut, weil es mir vergleichsweise günstig vorkam. Vor einem halben Jahr hätte ich mich über den identischen Preis noch richtig geärgert, weil der Literpreis damals im Schnitt bei rund einem Euro lag. Die Wahrnehmung von Preisen ist sehr relativ. Wenn ich mich über eine längere Zeit an ein neues Preisniveau gewöhnt habe, adaptiere ich auch meine emotionale Bewertung der Preise.

Zum Abschluss: Welche Konzerte haben Sie noch, von denen Sie hoffen, dass sie bald nachgeholt werden? Welche Tickets liegen bei Ihnen noch in der Schublade?

Ich hatte schon vor der Pandemie Tickets für Max Raabe und die Europa-Live-Tournee von Hans Zimmer. Die Konzerte wurden bereits auf Herbst 2021 bzw. Februar 2022 verschoben. Mit Blick auf eine potenzielle vierte Welle der Pandemie würde ich mich schon darüber freuen, wenn bald überhaupt wieder Konzerte wie geplant stattfinden können. Genügend Vorfreude auf einzigartige Live-Erlebnisse und das mentale Budget dafür halte ich schon bereit!

Die Forschungsarbeiten von Steffen Ronft und Kolleginnen und Kollegen sind seit kurzem auch in einem umfassenden wissenschaftlichen Sammelband erhältlich. 

20.07.2021

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