Cradle Of Filth
"Man kann es bis in den Knochen spüren, die Zeiten wandeln sich."

Interview

Seit 30 Jahren treiben CRADLE OF FILTH nun mittlerweile ihr Unwesen in der Metal-Welt und sogar darüber hinaus. Als eine der ersten Bands mit Wurzeln im Black Metal schafften sie den Schritt in den Mainstream und polarisieren damit bis heute. Trotz dieser Tatsache und von der Fanbase unterschiedlich wahrgenommenen künstlerischen Entwicklungen, ging die Band um Obervampir Dani Filth ihren Weg stets unbeirrt weiter. Seit einer komplett umstrukturierten Besetzung im Jahre 2014, haben die englischen Blutsauger wieder einen richtigen Lauf und veröffentlichten mit „Hammer Of The Witches“ und „Cryptoriana – The Seductiveness of Decay“ zwei sehr wohlwollend aufgenommene Alben. Nun steht mit „Existence Is Futile“ für den 22.10.2021 das nächste Werk in den Startlöchern. Wir sind natürlich neugierig, was uns dabei erwartet und schnappen uns Dani Filth für einen Plausch zum neuen Album, der US-Tour zur Feier von „Cruelty And The Beast“ und den Widrigkeiten der Corona-Situation.

Im Gespräch mit CRADLE OF FILTH über das neue Album und die Rückkehr auf die Bühne.

Hi Dani, hier ist Steffen von metal.de.

Hi, wie geht’s dir?

Danke, sehr gut und dir so?

Nicht schlecht, ich komme zurecht. Ich sollte eigentlich gerade bei meiner Freundin in Russland sein, aber unglücklicherweise haben sie an meinem Reisetag alle Reiseregelungen geändert. Als ich gerade am Flughafen ankam, haben sie mich auch schon wieder zurückgeschickt (lacht).

Das ist ja echt Mist. Du warst sogar schon am Flughafen?

Ja genau und sie musste los und ich hätte erst drei Tage später nachkommen können, weil sie die Regelungen geändert haben. Aber das war leider nicht möglich, da wir in ungefähr einem Monat in Amerika auf Tour gehen (das Interview fand Ende August statt und die Tour startete Anfang Oktober) und ich zu den Proben zurück sein musste. Aber Shit Happens und wir können jetzt miteinander reden (lacht).

Ja, Corona nervt wirklich. Aber es ist großartig, dass ihr wieder vor einem echten Publikum spielen könnt.

Oh ja, absolut. Wir haben gerade erst auf dem Bloodstock Festival gespielt. Es war umwerfend.

Ich wollte auch sogar darüber sprechen, denn mit diesem monumentalen Auftritt zu starten muss echt der Wahnsinn gewesen sein. 

Das war es und viele Leute, die ich kannte und viele Freunde kamen als Besucher oder waren Backstage. Es war, als käme man nach Hause. Für die erste Show war es eine perfekte Rückkehr.

Das kann ich mir vorstellen. Und ich bin verdammt neidisch, ich wäre auch gerne da gewesen. Mit den Thrash-Legenden KREATOR aufzutreten muss auch ein Highlight gewesen sein.

Ja, das war echt brillant.

Du bist ein Fan richtig?

Absolut. Das Album „Extreme Agression“ war eine meiner ersten CDs und sogar eine der ersten Metal-CDs, die produziert wurden. Meine damalige Freundin hat sie mir zu meinem sechzehnten Geburtstag gekauft. Wenn ich mich korrekt erinnere, sollte ich eigentlich den Song „Extreme Agression“ mit ihnen performen, aber habe dann doch zu „Betrayer“ gewechselt. „Extreme Agression“ wäre der Song gewesen, zu dem ich meine Jungfräulichkeit verloren habe (lacht).

Du hast bereits die US-Tour angesprochen. Euer Album „Cruelty And The Beast“ bekommt in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit von euch. Dabei ist die hervorragend remasterte „Re-Mistressed-Edition“ herausgekommen und ihr werdet das Album auf der US-Tour komplett performen. Ein weiterer Klassiker von euch  „Dusk And Her Embrace“, hat vor kurzem seinen fünfundzwanzigsten Geburtstag gefeiert. Gibt es bereits Pläne dieses Album auch in naher Zukunkt komplett auf der Bühne zu zelebrieren?

Die gab es und vielleicht gibt es sie immer noch. Wir wollten es machen, aber die Pläne haben sich wie so vieles aufgrund von Corona geändert. Alles mutiert und überlebt, auch das Virus. Der Grund warum wir jetzt nach Amerika gehen ist, dass wir „Cruelty And The Beast“ dort einfach noch nicht performt haben. Unser Management und unsere Booking Agents überall auf der Welt machen bereits Pläne für die nächsten zwei Jahre (2022/2023). Und es ist ja eigentlich auch keine komplette Tour, sondern nur ein Monat. Wir schaffen es auch nicht nach Kanada und ein Festival in Mexiko können wir auch nicht spielen, da das Land auf der Corona-Liste von England steht und wir anschließend ewig in Quarantäne müssten. Es wird interessant. Viele Bands canceln ihre Shows in Amerika, aber wir geben alles um dort aufzutreten und beachten jede Vorsichtsmaßnahme. Wir haben sogar spezielle Papiere, um das Land wie VIPs zu betreten. Oder besser ausgedrückt: „Very Important Work“. Es war wirklich sehr viel Arbeit dort auftreten zu können. Wir performen „Cruelty“ und ein paar Tracks vom neuen Album. Wir haben auch sehr coole Bands, die uns supporten uns freuen uns schon sehr darauf.

Ich hoffe für die amerikanischen Fans, dass es klappt und für euch natürlich auch. Ich kann mir vorstellen, dass du es sehr vermisst hast live zu spielen, da es immerhin seit 30 Jahren dein Leben ist und dann kommt Corona und ändert mal eben alles. 

Yeah.

Viel zelebrierter Klassiker.

Ihr habt auch eine spezielle Release-Show für euer neues Album „Existence Is Futile“ für dieses Halloween angekündigt. 

Ja, aber wir spielen nicht das ganze Album. Wir spielen einen ausgewählten Mix aus Songs. So 3 bis 4 Tracks vom neuen Album, aber wahrscheinlich schon eher 4. Es wird hauptsächlich eine Halloween-Show. Die letzte Show, die wir zeitnah zu Halloween gespielt haben (2019), war im London Palladium. Eine ähnliche Location wie das Roundhouse. Wir haben eine mächtige Produktion aufgefahren mit Feuer, Schnee und einem großen Videoscreen. Es war riesig. Letztes Jahr gab es natürlich einen Grund (Corona), wegen dem wir das an Halloween nicht machen konnten. Aber man muss ja voranschreiten.

„Man kann es bis in den Knochen spüren, die Zeiten wandeln sich.“

Das hört sich richtig stark an, die Show würde ich echt gerne sehen. Aber lass uns ein bisschen mehr über das neue Album sprechen. Beim letzten Album „Cryptoriana“ war das Hauptthema die romantische Faszination mit dem Tod, insbesondere während der viktorianischen Ära. Auf dem neuen Album scheint der generelle Ton eher apokalyptisch zu sein. So, als ob das Ende tatsächlich nah zu sein scheint. Was war der Grund für dieses Thema und war der momentane Zustand der Welt ein beitragender Faktor?

Ja, der  Zustand der Welt vor Pandemie, als wir anfingen das Album zu schreiben und dann kam die Pandemie noch dazu. Das hat den Glauben verstärkt, dass die Welt sich auf etwas kataklysmisches zubewegt. Es könnte das Ende der Welt sein, es könnte die Apokalypse sein, das Ende aller Tage, oder es könnte auch einfach ein Neubeginn für die Welt sein. Es ist 2 Minutes To Midnight und wir drehen den Zeiger noch einmal zurück. Wer weiß? Der Grund für den Albumtitel war, dass wir drei Jahre um die Welt getourt sind und dabei wohlhabende, nette und saubere Orte gesehen haben, aber auch eher brutale Teile der Welt. Das ganze Reisen, die vielen Leute und was alles passiert ist, haben sich einfach chaotisch angefühlt. Und wie ich bereits angesprochen habe, bewegt sich die Welt auf etwas bestimmtes zu. Ich kann es fühlen. Dieser Teil des Jahres war wie ein Frühling, weil endlich etwas passiert. Man kann es bis in den Knochen spüren, die Zeiten wandeln sich. Es ist wie das Gefühl vor großen Events wie zum Beispiel Earth Day. Es wurde zu einer Idee und dann wurde es zur Realität. Und dann wurde es plötzlich zum Thema des Albums. Es ist aber kein Konzeptalbum, sondern eine Reise. Es dreht sich um Existenzangst, die Angst vor dem Unbekannten, bevorstehende Zerstörung, die Suche nach dem Sinn, dem Hinterfragen von Glauben und Moral, dem Weg zum Schicksal und all diesen Dingen. Aber außer nur trostlos und nihilistisch zu sein, denke ich, dass auch wiederum Hoffnung darin steckt. Dass es keine bewussten Unstimmigkeiten mit dem Schicksal gibt oder einen Gott, der uns in ein göttliches Leben nach dem Tod schubsen will. Dass wir einfach schätzen sollten, was wir haben und das Leben genießen sollen.

Hört sich wirklich sehr spannend an. Und ich denke, dass du es mit dem Wandel der Zeiten perfekt beschrieben hast. Ich denke auch, dass die Dinge gerade ziemlich auf den Kopf gestellt werden, aber es dadurch auch Chancen gibt etwas besser zu machen und hoffentlich gestärkt aus der Situation hervorzugehen. Das Artwork des Albums passt auch perfekt zum Thema und erinnert mich ein bisschen an eine etwas buntere Version der Bilder von Hieronymus Bosch. War das beabsichtigt?

Ja, insbesondere die insektenähnliche Mephisto-Figur, die Leute ausscheißt wurde direkt vom Original inspiriert. Das Konzept und die Ideologie wurde von unserem Cover-Artist Arthur realisiert. Er hat einen fantastischen Job gemacht. Und wenn du nach links schaust, siehst du den Turm von Babylon in Flammen, was wieder einmal ein höllisches Konzept andeutet. Der Turm von Babylon wurde errichtet, um Gott zu erreichen und symbolisiert die Trennung der Menschen, um Göttlichkeit zu erreichen und die damit einhergehende Selbstzerstörung.

Inspiriert von Hieronymus Bosch.

Wirklich sehr viele Details in diesem Artwork. Die Bilder von Hieronymus Bosch eignen sich auch perfekt, um etwas apokalyptisches darzustellen. Der Titel der ersten Single „Crawling King Chaos“, erinnert mich an Nyarlathotep aus dem Lovecraft-Mythos. Von ihm wird gesagt, dass er eines Tages die Menschheit und auch die komplette Erde vernichten wird. War er eine direkte Inspiration für den Song?

Zum Teil ja. Überschneidend wird auch der ägyptische Gott des Chaos Apophis erwähnt. Apophis wird auch direkt mit einem Ereignis in Verbindung gebracht, dass in ein paar Jahrhunderten die Welt zerstören soll. Es geht um eine Figur, die  durch die Jahrhunderte bis hin zur einer großen Katastrophe kriecht. Das Ende aller Tage, Armageddon etc. Ja, schon sehr Lovecraft-mäßig.

Es ist beeindruckend, wie deine Texte für CRADLE OF FILTH auch nach 30 Jahren immer noch so gut und detailreich geschrieben sind. Woher bekommst du immer noch so viel Inspiration?

Naja, es ist ja irgendwie auch mein Job.  Die Inspiration zum Album war auch die zu den Texten und ein Teil davon war auch persönlich. „Discourse Between A Man And His Soul“ ist sehr balladesk und es geht um Selbstreflexion. „How Many Tears To Nuture A Rose“ dreht sich um eine sehr einseitige Beziehung. Es geht hierbei jedoch nicht um mich selbst, sondern darum eine Göttin anzubeten, welche die Gebete jedoch nicht erhört und stumm bleibt. Es sind quasi Beobachtungen zur Zerbrechlichkeit der Existenz.

Perfekt beschrieben. Da wir gerade schon über das Schreiben sprechen, würdest du gerne erzählen, was deine Lieblingsbücher aller Zeiten sind und was du aktuell so liest? 

Puh, das ist schwierig. Ich höre momentan viele Hörbücher. Ich habe zum Beispiel mit „Dune“ angefangen. Ich denke aber nicht, dass ich es schaffe es fertig zu hören, bis der Film erscheint. Es ist ein wirklich  dickes Buch. Ich habe auch alle „Sherlock Holmes“-Geschichten als Hörbuch gehört. Ich bin auch gerade an „Krieg der Welten“ von H.G. Wells. In einer Version, in der die Musik des Musicals zum Buch hinzugefügt wurde und die von Schauspielern gelesen wird. Die ist echt unglaublich. Meine Freundin kommt aus Russland und als ich einmal auf dem Weg dorthin war, habe ich „Der Meister und Margarita“ gelesen. Eine großartige okkulte Fiktion. Nebenbei lese ich auch noch die Geschichte von BAD RELIGION.

Hört sich echt cool an. Ich bin außerdem neugierig, worum es in „The Dying Of The Embers“ geht. Es erinnert mich an das Videospiel „Dark Souls“, bei dem es ebenfalls um eine schwindende Welt und eine sterbende Flamme geht. Ich schätze aber mal, das war nicht die direkte Inspiration für den Song? 

Ne, es soll einfach ein apokalyptischer Song sein. Dass wir das Ende aller Tage erreicht haben mit nuklearen Kriegen, dem Armageddon und dass wir einfach so viel Schaden angerichtet haben, dass es kein Zurück und keine Hoffnung mehr für das Überleben der Menschheit gibt. Dass es kein Comeback gibt und wenn es fort ist, ist es fort. Ein weiterer Song für Theorien (lacht). Der Song ist sehr melodisch und hat ein paar MAIDEN-Vibes. Halb MAIDEN, halb SATYRICON. Ein ungewöhnlicher Song, ich mag ihn.

Ich denke die Beschreibung passt. Ähnliches habe ich mir auch bei „How Many Tears To Nuture A Rose“ gedacht. Auf „Suffer Our Dominion“ erleben wir die Rückkehr des ikonischen Doug Bradley (weithin bekannt als Pinhead aus dem „Hellraiser“-Franchise), der bekannterweise schon Sprechparts zu legendären CRADLE OF FILTH- Songs wie „Her Ghost In The Fog“, oder dem Album „Godspeed On The Devil’s Thunder“ beigesteuert hat.

Interessant, dass du das sagst, denn der Bonus Track „Sisters Of The Mist“ ist tatsächlich der dritte Part der „Her Ghost In The Fog“-Geschichte. Das war der Hauptgrund, warum wir Doug Bradley mit ins Boot geholt haben. Ich habe es zuerst nicht so richtig realisiert, aber diese gotisch-romantische Geschichte passte irgendwie nicht so wirklich zum Gesamtbild des Albums. Als der Song aber fertig geschrieben war, dachte ich mir, dass er verdammt gut als Abschluss der „Her Ghost In The Fog“-Trilogie passt. Also mussten wir einfach Doug dazu holen. Uns als wir  Doug dabei hatten, dachten wir uns wir brauchen auch einen Erzähler für „Suffer Our Dominion“. Er wird autoritär klingen, aber die Leute werden ihm vertrauen. Er soll bedrohlich klingen, da es ein sehr dunkles Thema ist, das alle betrifft. Doug hat diese Rolle perfekt ausgefüllt und unterschwellig verbindet man ihn mit „Hellraiser“ und Pinhead, was das Ganze extra bedrohlich wirken lässt.

Es ist immer großartig seine Stimme zu hören. Und er ist auf so vielen eurer Songs zu hören, dass man ihn schon bald als Mitglied von CRADLE OF FILTH bezeichnen kann.

Ja, er ist zum Synonym für uns geworden. Wir haben quasi einen Doug Bradley-Bereich, er ist einfach Teil unseres Sounds.

Das ist er wirklich. Und zu einem Song mit dieser Thematik passt seine Stimme einfach perfekt. So ein direktes Statement zu so einem Thema ist ja ein bisschen untypisch für CRADLE OF FILTH. Wie kam es dazu?

Ich habe echt keine Ahnung. Wir waren ja eigentlich nie sehr politisch oder sozial (lacht). Aber manchmal passieren Songs einfach. Glückliche Unfälle sozusagen. Es war einfach etwas, von dem ich fühlte, dass ich darüber schreiben möchte. Es ja auch nicht ganz so, dass wir das vorher noch nicht gemacht hätten. Zum Beispiel auf „Scorched Earth Erotica“, „Death Magick For Adepts“, oder etwas aktueller mit „Deflowering The Maiden Head“. Es passt einfach sehr gut zum Gesamtkonzept des Albums.

CRADLE OF FILTH sind bereit für die Apokalypse.

Seit „Hammer Of The Wicthes“ haben CRADLE OF FILTH einen sehr starken Lauf mit der aktuellen Besetzung. Abgesehen davon, dass Lindsay Schoolcraft die Band leider verlassen hat. 

Die Sache ist, dass sie die Band bereits am 01.11.2019 verlassen hat. Also genau nachdem wir unsere letzte Show vor der Pandemie gespielt hatten. Unsere neue Keyboarderin Anabell war also bereits eineinhalb Jahre ein Teil der Band, bis sie bei unserem Livestream vorgestellt wurde. Ein Großteil des Albums war bereits geschrieben, als sie zur Band stieß. So hatten wir noch viel Zeit ins Studio zu gehen und ein paar Dinge anzupassen. Es war sehr relaxt und niemand hat uns gesagt, dass wir das Album schnellstmöglich veröffentlichen müssen. Wir konnten in Ruhe experimentieren, kritisieren und analysieren.

Das wars dann auch schon, ich habe keine Fragen mehr. Ich danke dir für deine Zeit und das tolle Gespräch. 

Danke für das nette Interview und ich hoffe man spricht sich bald wieder.

Quelle: Dani Filth via Skype
20.10.2021
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