Finntroll
Interview mit Skrymer zu "Nifelvind"

Interview

Die Trolle sind zurück! FINNTROLL veröffentlichen mit „Nifelvind“ ein Album, das wieder anders klingt als die Vorgänger „Nattfödd“ und „Ur Jordens Djup“, aber nicht weniger überzeugend ist. Was das Album aber mit iranischen Trommeln zu tun hat, welche Gesellschaftsform bei Trollen herrscht und was es mit spitzen Ohren auf sich hat, erzählt uns im Folgenden ein gut ausgeruhter Skrymer, seines Zeichens Gitarrist bei den Finnen.

Letztes Wochenende wütete in Deutschland ein Tief mit dem niedlichen Namen Daisy, das uns heftige Schneestürme beschert hat. Ist das vergleichbar mit dem Nifelvind?

Nein, eigentlich ist das ein Wind aus der Tiefe, man kann das nicht eins zu eins übersetzen. Kein kalter Wind, es ist vielmehr ein Wind aus der Hölle, wenn man so will.

Im Vergleich zu Eurem letzten Album „Ur Jordens Djup“ kann man auf „Nifelvind“ eine ganze Reihe Unterschiede feststellen. Angefangen beim Sound…

Genau, diesmal haben wir uns sehr auf die Produktion des Albums konzentriert. Das umfasste vor allem das Einspielen der einzelnen Parts. Bei „Ur Jordens Djup“ hatten wir alles gelassen, was einigermaßen stimmte, diesmal wollten wir aber alles perfekt einspielen. Wir haben außerdem mehr Zeit für die Sounds verwendet, so dass man die einzelnen Instrumente besser heraushören kann.

Diesmal habt Ihr aber die Orchestrierung der Songs wieder zurückgefahren.

Ja, gerade diese ganzen Keyboardchöre haben wir außen vor gelassen. Die Songs sind wieder mehr rifforientiert. Es ist wieder mehr ein Bandalbum als die letzte Scheibe.

War das ein natürlicher Prozess seit dem letzten Album, oder habt Ihr Euch unter der Prämisse hingesetzt, dass Ihr etwas ändern wollt?

Nein, eigentlich planen wir nie so weit voraus. Das einzige war eben, dass wir diesmal konzentrierter an die Sache rangehen wollten.

Wie schreibt Ihr denn Eure Songs?

Dieses Mal haben wir vor ungefähr einem Jahr angefangen. Wir haben uns alle im Haus von unserem Keyboarder Trollhorn getroffen und dort alle Schnipsel und Riffs zusammengeworfen, die sich jeder in der Zwischenzeit ausgedacht hatte. Na ja, und dann haben erstmal die Sauna angeworfen, ein paar Bier getrunken, uns lächerliche Riffs angehört, jede Menge gelacht… Da haben wir schon gesehen, was davon für einen Song taugt. Und dann hat Mr. Trollhorn von den meisten Sachen Demoversionen angefertigt, er schreibt eben die meisten Songs. Ein halbes Jahr später haben wir uns mit diesen Demoversionen, die uns als ungefähre Richtlinie dienen, im Studio getroffen. Dort haben wir die Stücke mehr oder weniger live eingespielt.

Ihr habt die Songs in den Sonic Pump Studios mit Mika Jussila eingespielt. Was war sein Einfluss auf die Aufnahmen?

Oh nein, er hat nur das Mastering gemacht. Die Aufnahmen haben wir selbst übernommen. Wobei wir Trollhorn den Job des Produzenten überlassen haben, weil es ja auch seine Songs sind. Weißt du, FINNTROLL ist wie… eine demokratische Diktatur! (lacht)

Mir ist aufgefallen, dass der Gesangsstil von Vreth (Matthias Lillmåns) diesmal nicht ganz so straight Black Metal ist. Vielmehr grollt er wie sein Vorgänger Wilska…

Ja, der Unterschied ist einfach der, dass Matthias damals in die Band kam, als alle Songs schon fertig geschrieben waren und alle Arrangements standen. Und er hatte das zu singen, was wir wollten. Diesmal hatte er den Entstehungsprozess der Songs mitgestaltet, und außerdem fühlt er sich in der Band sehr wohl – es ist, als ob er seit Anbeginn in der Band wäre. Und diesmal hat er eben die Arrangements für den Gesang selbst ausgearbeitet, und ich glaube, deswegen klingt sein Gesang diesmal ein wenig anders.

Auf „Nifelvind“ gibt es diesmal mit „Galgasång“ ein Lied, das komplett mit Akustikinstrumenten aufgenommen wurde.

Das war natürlich auch eine Idee von Trollhorn, wobei sich der Song zunächst von der finalen Fassung sehr unterschieden hat. Die Besitzer des Studios haben sich das Stück angehört und gemeint, wir sollten doch noch andere Instrumente ausprobieren: Und dann haben sie ein Banjo angeschleppt, ein Kazoo, eine Mundharmonika, bulgarische Gitarren, irgendwelche traditionellen iranischen Trommeln, deren Namen ich mir nicht merken konnte… Keine Ahnung, was sonst noch alles. (lacht) So ist alles zusammengekommen. Übrigens ist das mit der erste Song, bei dem wir überhaupt keine Keyboards einsetzen.

Ein gutes Stichwort: Ihr habt Euren Live-Keyboarder Virta nunmehr zum festen Bandmitglied befördert. Hat er auf dem Album mitgespielt?

Oh ja, stimmt. Das ist schon ein bisschen paradox: Wir haben weniger Keyboards auf dem Album, aber gleichzeitig mehr Keyboards. (lacht) Ich persönlich halte das aber für eine coole Sache: Das ist genau derselbe Unterschied, ob man nun einen Gitarristen in der Band hat oder zwei. Auch wenn beide dasselbe Riff spielen, hört es sich doch immer ein bisschen anders an. Und menschlich ist das auch eine tolle Sache, es macht mit beiden einfach jede Menge Spaß zu spielen.

Hat Virta etwas für das neue Album geschrieben?

Natürlich, er kam mit einigen verrückten Sachen an. Und als Ergänzung zu Trollhorn ist es einfach so, dass zwei Köpfe mehr Scheiß als einer produzieren. (lacht)

Wer schreibt bei Euch die Texte?

Das macht immer noch unser erster Sänger Katla. Er hat wirklich ein gutes Gespür dafür, und deshalb ist das für uns eine sehr natürliche Angelegenheit.

Wovon handeln diesmal die Texte?

Das sind alles einzelne Geschichten. Auf den letzten Alben hatten wir so etwas wie ein Konzept, das sich durch alle Texte zog. Diesmal stehen alle Texte für sich. Es sind teilweise sehr alte Geschichten, deren Kern aber immer noch aktuell ist. Man hat das ja sehr häufig, dass sich die Motive einer Geschichte ändern, aber der Kern gleich bleibt.

Du bist derjenige, der für das Coverartwork zuständig ist…

…schuldig! (lacht)

Wie arbeitest Du üblicherweise?

Normalerweise mache ich erst einmal Skizzen von meinen Ideen. Diesmal hatte ich schon einige Ideen, als wir an den Songs gearbeitet hatten – es soll ja auch zu den Songs passen. Das Gemälde für das Cover habe ich aber diesmal mit Aquarellfarben gemalt, nicht wie sonst immer mit Buntstiften.

Mal zu einem anderen Thema: Du hast zusammen mit Matthias mit DECOMPOSTER eine neue Death-Metal-Band am Start. Vor wenigen Tagen habt Ihr auch paar Demosongs eingespielt. Ist DECOMPOSTER eine richtige Band?

Ja, das kann man so sagen. Es ist nicht nur ein Projekt. Der andere Gitarrist, Mika Aaltonen, ist ein alter Freund von mir, und wir haben die Idee einer Death-Metal-Band mit uns herumgetragen, seit wir zwölf waren. Dasselbe gilt für Matthias. Und jetzt war eben die Zeit gekommen: Wir hatten für ein paar Tage das Studio zur Verfügung stehen, haben uns dort ein wenig betrunken, schlecht gespielt, viel Spaß gehabt… (lacht) Aber wir haben mit DECOMPOSTER keine großartigen Pläne. Es war eine Sache, die wir seit zwanzig Jahren machen wollten.

Bist Du mit Death Metal aufgewachsen?

Oh ja, definitiv.

Ich frage deshalb, weil die Metal-Archives sonst keine Band ausweisen, in der Du nebenher spielst oder vorher gespielt hast.

Es gibt noch eine kleinere Band, in der ich Stoner Rock spiele. Die Band heißt THE SEVENTH PLANET… Na ja, daneben male ich ja noch, und dann bleibt eben nicht mehr viel Zeit für andere Dinge übrig. (lacht)

Wie bist Du damals bei FINNTROLL gelandet?

Ich kenne Katla, unseren ersten Sänger bei FINNTROLL, schon seit den Achtzigern. Er hatte damals mit mir zusammen in einer Death-Metal-Band gespielt… Dann bin ich bei FINNTROLL eingestiegen, als wir das erste Demo aufgenommen hatten. Ursprünglich sollte ich noch den Bass einspielen, aber dann haben wir uns dazu entschlossen, uns lieber zu betrinken (lacht)… Das Demo klingt noch ziemlich unterschiedlich zu unserem Debüt „Midnattens Widunder“. Es gab noch einiges zu verbessern! (lacht)

Was hältst Du eigentlich von den ganzen neuen Bands, die mittlerweile Euren Musikstil kopieren und Humppa-Musik spielen?

Wenn sie ihre Sache gut machen, machen sie eben ihre Sache gut, und wenn nicht, dann halt nicht. Es hat keinen großen Einfluss auf das, was wir tun. Insofern ist es mir egal, was sie machen.

Okay, dann würde ich gerne auf die anstehenden Tours zu sprechen kommen. Im April werdet Ihr zusammen mit SWALLOW THE SUN, MOONSORROW und SURVIVORS ZERO auf US-Tour gehen. Worauf freust Du Dich am meisten?

Auf alles! Ich glaube, das wird eine richtig coole Sache. Wir wollten mit MOONSORROW schon seit zehn Jahren auf Tour gehen, was aber bislang nicht geklappt hat, wenn man mal von einzelnen Gigs in Helsinki absieht. SWALLOW THE SUN sind auch tolle Typen, und SURVIVORS ZERO – es wird das totale Chaos (lacht)! Ehrlich gesagt frage ich mich, wer von uns überhaupt wieder heile zu Hause ankommt. (lacht)

Schade, dass Ihr mit diesem Package nicht in Europa tourt…

Na ja, wir spielen aber die Paganfest-Tour, unter anderem mit ELUVEITIE, die einfach arschnett sind.

Letzte Frage: Auf den neuen Promofotos seid Ihr diesmal mit spitzen Gummiohren zu sehen. Wer von Euch hat die längsten Ohren?

Ich glaube… das bin ich.

Wirklich?

Klar, ich bin schließlich auch der Längste in der Band!

06.02.2010

- Dreaming in Red -

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