Cradle Of Filth
Vom Übernatürlichen besessen

Interview

CRADLE OF FILTH sind mit „Cryptoriana – The Seductiveness of Decay“ zurück. Marc Thorbrügge und Stefan Wolfsbrunn haben einen blendend aufgelegten Dani Filth in Düsseldorf getroffen und über Gott und die Welt geschnackt.

I. Das neue Album „Cryptoriana“

Hi Dani! Ich habe das aktuelle Album vor ein paar Tagen das erste Mal hören können und finde es schon sehr old school, allerdings old school im Sinne von CRADLE OF FILTH mit modernem Sound. Siehst du das auch so?

Ja! Ich verstehe aber nicht, warum das Label nie die Bonustracks für die Presse hinzugefügt. Die solltest du auch hören. Wir nehmen diese Stücke immer zur gleichen Zeit wie das Album auf, wissen aber nicht, welche am Ende auf dem Album landen werden. Wir können ja auch nicht alles auf dem Album veröffentlichen. Einer dieser Songs ist wirklich sehr old school. Wir haben eine Coverversion von ANNIHILATORs „Alice in Hell“ aufgenommen. Von diesem Cover bin ich echt begeistert. Jeff Waters hat seine Zustimmung gegeben und steht selbst total auf unsere Version. Das macht mich natürlich glücklich und wird auch andere Leute glücklich machen.

Ich hätte auf eurem neuen Album nicht unbedingt eine Coverversion von ANNIHILATOR erwartet…

Schon als ich jung war, stand ich total auf dieses Album. Ich war ein großer Thrash (Metal) Fan. Bands wie BATHORY, POSSESSED, DEATH, KREATOR, DESTRUCTION, WHIPLASH… das war alles Thrash. Es gab keinen Death oder Black Metal. Es war alles Thrash zu dieser Zeit. ANNIHILATOR sind eine verdammt gute und atmosphärische Band. Wir wollten den Coversong schon immer machen. Wir haben Jeff Waters zweimal getroffen und erwähnt, dass wir an diesem Song arbeiten. Und er hat uns dabei immer unterstützt und gesagt, wir sollen es jetzt endlich mal machen und nicht noch zehn Jahre daran arbeiten. Und dieser Song passt mit seiner gruseligen und atmosphärischen Stimmung wirklich perfekt zum restlichen Album. Wir haben das Cover sehr nah am Original gehalten mit einigen „cradle-isms“. Es war immer einer der Lieblingssongs von Martin (Škaroupka, Drums) und mir und komischerweise auch von Daniel (Firth, Bass).

Glaubst du, dass dieses Cover nur möglich war bzw. ist aufgrund der neuen Musiker, mit denen du bei CRADLE OF FILTH zusammenarbeitest? Hättest du diesen Song vor 10 Jahren einspielen können?

Ja, es wäre schon möglich gewesen. Ich weiß nicht, ob das Gleiche herausgekommen wäre. Das spielerische Niveau in der Band ist heute sehr hoch. Ich kann das sagen, als Sänger hänge ich viel mit Musikern ab. (lacht)

Kannst du uns etwas zum Konzept des neuen Albums erzählen?

Das Konzept ist die Bühne für die einzelnen Stücke, Texte und Stories, welche sich um das viktorianische Zeitalter drehen. Während der Arbeit am Album sind wir nach Brünn gefahren, die zweitgrößte Stadt in Tschechien. Dort leben der Drummer und der Gitarrist. Wir sind dort zum Teambuilding hingefahren, mit viel Trinken und Sightseeing. Aber hauptsächlich sind wir zur Inspiration für das neue Album hingefahren. Und das hat wirklich gut funktioniert. Am Ende der Woche fuhren wir nach Hause und wir hatten genug Material, um das Album zu bauen. An diesem Punkt habe ich sehr viele (viktorianische) Geistergeschichten gelesen, von Leuten wie Benson, Athur C. Doyle, Rider Haggard, H.G. Wells. Diese Geschichten sind sowas von düster.

Die Menschen des viktorianischen Zeitalters waren vom Übernatürlichem besessen. Es war die Zeit der Wissenschaft und der Industrialisierung, aber gleichermaßen eine Zeit des Mesmerismus, des Spiritismus und verschiedener anderer Ismen. Man versuchte Grenzen einzureißen, insbesondere diejenige zum Tod. Das sind viele der Verrücktheiten dieser Zeit und man glaubte daran, dass es sich um wirkliche Wissenschaften handelt. Die Menschen liebten schaurige Kostüme, Freakshows, okkulte Museen und düstere Wachsfiguren. Die Groschenromane der Zeit drehten sich um Giftmischer, Vampire, Mumien.

Auch heute greifen viele Produktionen auf Ideen des viktorianischen Zeitalters zurück, zum Beispiel bei Sweeney Todd, Jekkyl and Hyde, Dorian Gray und so weiter. Es gibt ein riesiges Arsenal an Material. Es ist im Grunde genommen kein Konzeptalbum, sondern eher ein loses Konzept als roter Faden, das diese Geschichten zusammenhält.

„Cryptoriana“ – die alten Viktorianer wussten was gut ist aka „Die Gruftie Venus“

Wo du gerade Spiritismus und Seancen erwähnst. Was kannst du uns zur Single „Heartbreak and Seance“ erzählen?

Dazu muss ich etwas ausholen. Wir haben mit unserem alten Management 22 Jahre lang zusammengearbeitet und uns nun nach jemandem umgeschaut, der komplett anders arbeitet. Er hat vorher mit Rod Smallwood zusammengearbeitet, dem Manager von IRON MAIDEN. Da hat er natürlich einen Haufen guter Ideen und plant sehr viel im Vorfeld. Demnächst kommt ja auch eine große Welttournee, welche erstmal in Großbritannien starten wird. Auf das europäische Festland kommen wir dann erst Mitte Januar, aber der Ticketverkauf geht demnächst schon los. Zurück zum Video: Der neue Manager plant viel voraus und will, dass immer alles zur richtigen Zeit passiert. Deswegen wird „Heartbreak and Seance“ das erste Video von zweien sein. Es erscheint bereits nächste Woche, sollte aber eigentlich schon draußen sein, genau wie die Single selbst. Aber die Dinge sind halt wie sie sind und es gab eine Verzögerung.

Das zweite Video erscheint dann zur Veröffentlichung des Albums. Oh, und wir wollten auf keinen Fall ein Lyrik-Video machen. Das ist Zeitverschwendung!

Und das Video ist einfach großartig geworden! Wir waren in Riga in Lettland. Der lettische Künstler, der bereits das Artwork von „Hammer Of The Witches“ gestaltet hat und auch für das Artwork von “Cryptoriana” verantwortlich war, ist ein Videoregisseur, wie sich herausgestellt hat. Darin ist er sogar noch besser als als Zeichner! Deswegen hat es Sinn gemacht, das Video bei ihm in Riga zu drehen. Dort ist es günstiger als in London. Du musst bedenken, dass 70 bis 80 Leute an dem Video gearbeitet haben. Jedenfalls hat alles wunderbar funktioniert und wir werden Fotografien des Videos für das Artwork des Albums verwenden. Und „Heartbreak and Seance“ war einfach die beste Wahl für das erste Video und die Single. Die anderen Songs sind ein bisschen lang oder zu brutal. Bei der Wahl des ersten Videos solltest du etwas vorsichtig sein. (lacht)

Ich habe mir die Bilder des Videos gestern angesehen. Das sieht ja alles schon sehr abgefahren aus – nackte Körper, lebende Tiere, du selbst ganz schwarz geschminkt…

Ja, das ist wunderbar. (lacht) Ich stehe in diesem Haufen nackter Körper, mitten im Wald, natürlich in einem großen Studio aufgebaut. So geschminkt konnte ich für drei Stunden nicht aufs Klo gehen. Nun ja, und dann sah ich diesen Vogel auf dem Baum – und das verdammte Ding hat sich bewegt! Sie haben wirklich eine trainierte Krähe mitgebracht. Das ist wahre Liebe zum Detail. Es wäre kein Problem gewesen, diesen als cgi oder aus Pappmaché herzustellen. Der beeindruckenste Moment war allerdings das hübsche Mädchen, welches anderthalb Stunden in einem eiskalten Pool zusammen mit Wasserschlangen lag. Ihr Durchhaltevermögen war enorm.

In der Presseinformation hast du über „Loyalität zu euren frühen Veröffentlichungen“ gesprochen. Meinst du damit auch eine Loyalität zum Black Metal?

Es bedeutet Loyalität zu frühen Lineups, Loyalität zu der Musik, welche wir bisher geschaffen haben. Auch zu der Musik, mit der wir aufgewachsen sind. Dass du ehrlich bist und dazu stehst, wie du früher warst. Wie gesagt, ich bin ein großer Thrash Fan, aber zu einem gewissen Punkt wurde die ganze Szene vom Grunge schwer getroffen, es war wie ein Komet. Damals ging ich auch zu vielen Death und Grindcore-Konzerten. In Ipswich, da wo ich aufgewachsen bin, war mit Bands wie EXTREME NOISE TERROR sozusagen die Hauptstadt der Grindszene. NAPALM DEATH, BOLT THROWER und CARCASS haben da auch ziemlich oft gespielt.

Lange Rede, kurzer Sinn – wir sind mit extremer Musik aufgewachsen und es ist gut, dieser Sache die Ehre zu erweisen, die sie verdient, weil es für uns damals sehr wichtig war. Das tue ich, indem ich auch heute noch davon erzähle und sehe die Band da schon in einer Verantwortung, unsere Vergangenheit zu repräsentieren. Wir wollen die Fackel weitertragen.

In einem Interview zu eurem letzten Album „Hammer Of The Witches“ wurdest du gefragt, ob alles Material dafür genutzt wurde. Du sagtest damals, dass einer deiner Lieblingssongs nicht verwendet wurde. Ist dieser Song auf dem neuen Album enthalten?

Ja, genau. Der Song, von dem ich damals sprach war „Achingly Beautiful“. Der Song war damals noch nicht komplett entwickelt und wurde nicht genutzt. Heute bin ich dafür dankbar. Er passt viel besser zum neuen Album. Aber auch Sachen wie „Vengeful Spirit“, welches gemeinsam mit Liv Kristine (ex-THEATER OF TRAGEDY) aufgenommen wurde. Mit ihr haben wir schon vor über 10 Jahren auf „Nymphetamine“ zusammengearbeitet. Zwei Wochen vor dem damaligen Abgabetermin, der Song war zu 75% fertig, haben wir entschieden, dass der Song noch nicht ins Mark trifft. Der Producer schlug uns vor, andere Vocals zu testen. Also haben wir überlegt, wer hierzu passen könnte. Liv hat einige Sachen dazu ausprobiert und das hat wirklich funktioniert. Danach hatten wir gesucht.

Selbst beim Mix haben wir weiter an diesem Song gearbeitet und verschiedene Drum-Parts ausprobiert, den zweiten Chorus verlängert und neue Spuren hinzugefügt. Selbst wenn du denkst, dass ein Album fertig ist…auch beim Mixing gibt es immer noch Raum für Verbesserungen. Sowas ist uns übrigens 1998 bei „Cruelty and the Beast“ passiert, als wir mitten im Mastering merkten, dass ein Riff nicht lang genug ist. Also haben wir das Tape auseinander geschnitten und wieder zusammengeklebt, anders ging es damals noch nicht. Wir arbeiten also auch im Mastering immer noch an solchen Themen. Damals hat man uns gesagt, dass sowas in 30 Jahren noch nie vorgekommen ist. (lacht)

II. Alte Platten, die Metal-Szene und Opern

Manchmal kann man ja auch noch nach Jahren weiter mit Veröffentlichungen arbeiten. Ihr habt viele Wiederveröffentlichungen und Remixes herausgebracht.

Ja und wir werden mit „Cruelty and the Beast“ im nächsten Jahr zum Jubiläum weitermachen. Wir werden das Album vollständig remixen. Wir haben schon angefangen und es wird gut werden. Es wird sehr modern, alles klingt groß, aber wir werden die Atmosphäre des Albums bewahren. Es darf nicht zu glattpoliert sein. Das wird eine Menge Arbeit. Auch das Artwork soll dem entsprechen, das wird sehr interessant! Das Album war immer ein Favorit der Fans.

Warum habt ihr eigentlich euer Bandjubiläum nicht gefeiert? Andere Bands nutzen ja jede Gelegenheit, um sowas zu zelebrieren.

Jedes Jahr ist ein Jubiläum! Ich finde sowas ein bisschen bescheuert. Ich habe eigentlich auch keine Lust an einem Abend nur ein einziges Album zu spielen. Das ist doch öde. Vielleicht irgendwann, keine Ahnung. Aber wie gesagt, eigentlich könnten wir dann jedes Jahr sowas machen.

Aber eine neue Live-Platte könnt ihr schonmal wieder machen, oder?

Ja, absolut. Wir werden unseren Auftritt beim Loud Park Festival in Tokio mitschneiden. Wenn es gut läuft, wird es dazu wahrscheinlich eine DVD oder so geben. Es wird jedenfalls eine riesige Show. Wir geben eine Menge Kohle dafür aus, von daher… es wird einige spezielle Dinge geben, an denen wir im Moment arbeiten. Es ist ja noch etwas Zeit bis zum 24. Oktober.

Sexappeal und Nieten – Dani in seinem Element

Wo wir gerade von Remix-Alben sprechen. Wie stehst du heute zu einem Album wie „From The Cradle To The Enslave“?

Für uns war das eine Übergangsveröffentlichung. Es steht zwischen dem alten und klassischen neuen Lineup. Das erwähnenswerteste an dem Album ist das großartige Video zum Titeltrack. Wir haben mit den gleichen Leuten „Cradle Of Fear“ aufgenommen, welches im Grunde eine längere Version des Videos ist. Es war eine gute Zeit. Wir wussten damals nicht, wohin sich die Band bewegen wird, weil der Drummer, Gitarrist, Keyboarder und Bassist innerhalb von kürzer Zeit ausgestiegen waren. Die Zeit war turbulent und wir wurden sehr, sehr groß. Leute in unserem Umfeld machten sich Sorgen und dann haben wir dieses sehr brutale Video. Die Leute in der Industrie haben gesagt, dass das nicht funktionieren wird. Das Gegenteil war der Fall – wie Leute liebten es, obwohl es sehr brutal war.

Klassiker oder Sellout? Die berüchtigte EP!

CRADLE OF FILTH wird von vielen Leuten als sehr provokativ und brutal angesehen…

Nein, viele Leute zählen CRADLE OF FILTH nichtmals mehr zu den extremen Bands. Wir machen unser eigenes Ding und deshalb glaubt man manchmal, dass wir etwas verrückt sind. Wie zum Beispiel dieses Jesus-Shirt. Für uns war das nur ein Gimmick und wir fanden das sehr lustig. Wir haben uns tagelang darüber kaputtgelacht wie Leute damit rumlaufen. Es wurde am Ende legendär, aber letztlich ist es nur ein Nebenprodukt der Band. Trotzdem denken viele Leute in der Black-Metal-Szene, dass wir zu poserhaft und kitschig sind, andere denken genau das Gegenteil. Es kommt wohl auf die Perspektive an. Wenn du sonst auf BON JOVI, MÖRTLEY CRUE und WARRANT stehst, dann sind wir wohl eine extreme Metalband. Aber wenn du auf BURZUM oder RUINS OF BEVERAST stehst, dann siehst du uns eher bei BON JOVI. (lacht)

RUINS OF BEVERAST? Hast du das neue Album von denen gehört?

Ja, ein Freund spielt bei einer Band namens STAHLSARG und war schon oft mit ENDSTILLE unterwegs. Er hat mir einiges davon vorgespielt und empfiehlt mir ständig haufenweise Sachen. Mein Freund ist eine Art wandelndes Lexikon – „Psychopedia“.

Verfolgst du heute noch neuere extreme Metalbands? Oder meinst du, dass du inzwischen alles gehört hast?

Um ehrlich zu sein, ich bekomme ja ziemlich viel Promo-Material für umsonst und erhalte auch viele Empfehlungen von verschiedenen Leuten. Und dann habe ich ja auch noch das ganze Zeug, dass ich ohnehin schon gerne höre. Wenn ich also etwas höre, das mir sehr gut gefällt, dann kaufe ich es mir auch, aber ich bin halt keiner von diesen Typen, die jedes Album kaufen, das einen Patronengürtel oder einen Kerl mit Corpsepaint auf dem Cover hat. Tatsächlich schaue ich auch manchmal, was mir bei Amazon empfohlen wird. Dabei bin ich schon auf einige seltsame sowie wundervolle Bands gestoßen und kann mir auf diesem Wege einige Kirschen aus der Masse herauspicken.

Liest du dir bei der Gelegenheit durch, was für Bewertungen eure Alben bei Amazon bekommen?

Also… (zögert kurz)… ja, das mache ich tatsächlich manchmal. Aber natürlich auch die Reviews in Magazinen, das ist immer ganz interessant. Von Kommentaren auf Blabbermouth halte ich mich inzwischen aber grundsätzlich fern. (lacht)

Mal zurück zur aktuellen Musikszene. Hast du dich schonmal mit Post-Black Metal befasst, also…

Oh, du meinst diese ganze Blackgaze-Sache?

Ja, diese inzwischen doch sehr große Szene, in der Black Metal auf Hardcore, Metalcore und Post-Rock trifft. Bist du an sowas interessiert?

Das gibt es ja schon eine ganze Weile. Wir waren vor einigen Jahren zum Beispiel mit BLEEDING THROUGH in den USA unterwegs, aber die sind ja eher Hardcore mit Black Metal-Einflüssen als umgekehrt. Da interessieren mich schon eher Blackgaze-Bands. Dieser hypnotische, dunkle Sound zieht mich geradezu magnetisch an. Sowas haben DEATHSPELL OMEGA schon vor acht Jahren oder so gemacht und dabei wunderbare Musik erschaffen. Es ist also nichts außerordentlich neues, wenn eine Band verschiedene Stile mixt, aber ich mag es trotzdem sehr. Das einzige, das sich ändert, sind die Bandnamen und die verschachtelten Genrebezeichnungen, die immer komplizierter und unaussprechlicher werden. (lacht) Aber Spaß beiseite: Ohne Zweifel gibt es immer wieder neue coole Bands, nicht nur im Black Metal sondern auch in anderen Genres.

Ihr habt mit CRADLE OF FILTH vor 20 Jahren ja auch angefangen, die Genregrenzen zwischen Black Metal, Death Metal und Gothic auszuloten.

Ja, exakt! Ich finde, du brauchst immer mal wieder Bands, die mit den Konventionen brechen. Das ist sehr wichtig, sonst kommt es zur Stagnation. Wie ein Teich, in den kein frisches Wasser mehr fließt. Und so war das ja damals im Black Metal, denn alle wollte so klingen wie DARKTHRONE auf „Panzerfaust“. Nicht, dass ich DARKTHRONE schlecht finde, aber einer meiner absoluten Favoriten im Black Metal sind dann doch eher CRAFT, die wie eine technisch ausgefeiltere Version von DARKTHRONE klingen. Absolut brilliant!

Das bringt uns ja auch irgendwie wieder zurück zu ANNIHILATOR, die auch immer etwas mehr als eine gewöhnliche Thrash Metal-Band sein wollten.

Ja, genau. Gerade auch was die Lyrics angeht, fand ich die ersten beiden ANNIHILATOR-Alben immer bemerkenswert. Sie sind sehr dicht und atmosphärisch, sodass man fast den Eindruck hat, dass jeder Song ein Kapitel eines düsteren Märchens ist. Das hat mich sehr beeinflusst.

Und welche Bands siehst du sonst noch als wichtige Einflüsse für CRADLE OF FILTH? Gerade hinsichtlich eurer Anfänge.

Oh, da gibt es so viele Bands. Als wir angefangen haben, haben Bands wie ANATHEMA, PARADISE LOST und MY DYING BRIDE mit ihrem Charlotte-Bronte-artigen Stil die Metal-Szene in England dominiert, das hat uns sicher ein Stück geprägt. Aber auch ganz andere Sachen wie der Soundtrack zu Francis Ford Coppolas „Dracula“ oder Jeff Waynes musikalische Version von „Krieg der Welten“. Ein bisschen TYPE O NEGATIVE und DISMEMBER kann man auf unseren frühen Releases auch finden. IRON MAIDEN und CELTIC FROST gehörten damals definitiv auch zu meinen Favorites. Wir haben uns schon immer gerne die Kirschen rausgepickt, also auf dem aufgebaut, was wir gut fanden und es weiterentwickelt.

Aber in so einer Band kommen ja letzten Endes verschiedene Einflüsse und Sichtweisen auf die Musik zusammen. Daniel (Firth, Bass) zum Beispiel, der von den Orkney-Inseln stammt, die zwischen Schottland und Norwegen leben, ist deutlich jünger als ich, aber am liebsten hört er sich die ganzen Thrash-Metal-Bands an, mit denen ich aufgewachsen bin. Vom Musikgeschmack hängt er also etwa 20 Jahre hinterher. (lacht)

Vielleicht passiert das, wenn man auf einer abgelegenen Insel aufwächst.

Ja, wahrscheinlich. (lacht nochmal) Nun, unser Gitarrist Richard liebt diese ganze Prog-Metal-Szene und mag Bands wie DREAM THEATER. Er hat Musikwissenschaft studiert, gibt Gitarrenunterricht und wirkt an verschiedenen Stellen als Session-Musiker mit. Einmal musste er sogar beim QUEEN-Musical einspringen. Ashok, unser anderer Gitarrist, weiß alles über klassische Rockbands wie VAN HALEN. Wenn es obskure Fakten über diese zu wissen gibt, dann weiß er sie.

Eine letzte Frage noch, wo wir gerade bei Musik im Allgemeinen sind: Beim Anhören eures neuen Albums dachte ich mir, dass das die beste Black-Metal-Oper ist, die ich je gehört habe. Wie siehst du das?

Ja, ein bisschen ist es schon wie eine Oper, wenn man sich die Chöre anhört, aber natürlich auch die ganzen Taktwechsel und die dramatischen Steigerungen hat es was von einer Oper.

Interessierst du dich denn generell für sowas? Opern? Musicals?

Also Musicals nicht wirklich. Abgesehen von Jeff Waynes „Krieg der Welten“, wenn man das als Musical bezeichnen kann. Das ist eines meiner absoluten Lieblingsalben. Für Opern interessiere ich mich schon eher, aber ich finde nur selten die Zeit, eine Aufführung zu besuchen. Die letzte, in der ich war, war (überlegt kurz) eine Vorstellung von Mozarts „Reqiuem“.

Schönes Schlusswort! Wir danken für das Gespräch!

Quelle: Interview mit Dani, 06.07.2017
22.09.2017

Stellv. Chefredakteur

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