Subway To Sally
"Viele Menschen in dieser Welt nehmen den Mund einfach zu voll."

Interview

Im März 2019 brachten SUBWAY TO SALLY ihr mittlerweile dreizehntes Album auf den Markt. “HEY!“ war erfreulich abwechslungsreich und bescherte der Band Platz 5 in den Offiziellen Deutschen Albumcharts. Kurz vor Veröffentlichung sprach metal.de mit Schlagzeuger Simon Michael über die Tiefgründigkeit der Texte, eine überall herrschende Doppelmoral und warum alle Radikalen nach Island auswandern sollten.

Subway to Sally - HEY! (Cover Artwork)

Subway to Sally – HEY! (Cover Artwork)

metal.de: Fünf Jahre liegt nun das letzte Studioalbum “Mitgift“ zurück. Warum habt ihr euch so lange Zeit für neue Songs gelassen?

Simon Michael: Naja manchmal ist es einfach der richtige Zeitpunkt ein Album zu machen. Es war ja nicht so, dass wir tatenlos rumsaßen und nichts machten. Wir haben die “Neon“-Tour eingeschoben, von der es noch einen zweiten Block gab. Dort haben wir ja unser komplettes Werk auseinander genommen und neu zusammensetzt. Für uns fühlte es sich daher nicht an wie fünf Jahre Pause. SUBWAY TO SALLY ist eine umtriebige Band, die nie faul auf dem Arsch sitzt. Es war dann vor etwa anderthalb Jahren Ingo [Hampf, Gitarre, Anm.d.Red.], der um die Ecke kam und sich in seiner typischen Ingo-Art die Hände gerieben hat und meinte: “Jetzt ist es mal wieder Zeit.“ Er hatte viele Ideen und es gab ein paar ganz verrückte Sachen, die ihm vorschwebten. Ab diesem Zeitpunkt ging es eigentlich relativ schnell.

metal.de: “HEY!“ ist wieder durchzogen von zahlreichen elektronischen Klangelementen, jedoch deutlich weniger und subtiler als man es auf “Mitgift“ hören konnte. Warum habt ihr die elektronische Fraktion zurückgeschraubt oder siehst du das vielleicht völlig anders?

Eigentlich haben wir die gar nicht zurückgeschraubt. Daher finde ich es erstaunlich, dass du das jetzt sagst. Wir haben es vielleicht besser eingebettet, da ich keine Teile mehr wollte, die komplett ins Elektronische abdriften. Wir haben auch eher strukturell weitergedacht. Was heißt das? Ich nehme mir einen Rhythmus aus der modernen elektronischen Musik, das heißt aus dem Trap oder Hip-Hop, und setze den dann mit unserem Instrumentarium um, das heißt mit Folk-Instrumenten und großen Trommeln. Bei manchen Dingen sind dann die Elektro-Sound erhalten geblieben. So hat sich diese Art der Innovation besser in unser Soundbild eingefügt, als es bei “Mitgift“ der Fall war. Allerdings gibt es immer noch Songs wie “Selbstbetrug“, wo es ziemlich hart aufeinander knallt und auch relativ gut funktioniert.

metal.de: Glaubst du, dass das Album die Fans durch einen anderen, neueren Sound überraschen wird oder siehst du eher den nahtlosen Übergang von “Mitgift“ zu “HEY!“?

Das ist eine gute Frage. “Mitgift“ fällt grundsätzlich ein wenig aus der Diskografie und dem Rahmen von SUBWAY TO SALLY. “Mitgift“ bot sehr viel Gewalt, allein aufgrund des Themas. Ich würde eher sagen, dass sich “HEY!“ nahtlos in die Diskografie der Band einfügt und “Mitgift“ eher der Ausreißer ist.

metal.de: Der Albumtitel kam mir bei Bekanntgabe ein wenig seltsam vor. Sollte mich damit etwa ein oberflächliches Partyalbum erwarten? “HEY! ist aber fast das glatte Gegenteil. Man kann zwar zu einigen Songs gut feiern, aber es ist auch aufgrund der Texte tiefgehender. Warum habt ihr diesen Albumtitel gewählt?

Naja die Welt geht unter und wir feiern die letzte Party. Wir tanzen auf Schutt und Scherben. Das Album ist daher nicht so megaernst zu sehen. Wir sind auf keinen Fall die Band, die auf die Bühne geht und den Zeigefinger erhebt. Da gibt es andere Kollegen, denen wir das überlassen. Das ganze Weltuntergangsszenario ist natürlich auch mit einer ganzen Schippe Sarkasmus zu sehen. Daher finde ich durchaus, dass es eine Partyplatte ist.

metal.de: Ich finde es geht tiefer. Sarkasmus zeugt ja in gewissem Maße auch von Intelligenz. Man kann zu den Songs Party machen aber man kann genauso gut über die Lieder nachdenken.

Ja, das ist halt SUBWAY TO SALLY! Das ist halt die zweite Ebene. Auf was für Schlüsse kommst du denn, wenn du darüber nachdenkst?

metal.de: Erst dachte ich, dass SUBWAY TO SALLY richtig kritisch werden, so wie es etwa die letzten Platten von SALTATIO MORTIS gezeigt haben – Zeigefinger heben. Steht denn die Welt wirklich vor dem Untergang? Eigentlich nicht. Es gibt aber viele Punkte, die ihr (teilweise überspitzt) ansprecht, die auch zutreffen. Wenn man es wirklich überspitzt sagen will: Die Lage der Welt verschlimmert sich schon. Das menschliche Miteinander ist relativ derb geworden in Zeiten von Rechtpopulisten oder wem auch immer. Auch eine gewisse Konsumgeilheit ist ja nicht bestreitbar und da gibt es Songs, die in die Richtung gehen und zum Nachdenken über die Welt, die einen umgibt, anregen. Das finde ich richtig gut. Du sagst, es ist viel reine Ironie in euren Liedern. Siehst du dennoch Punkte, in denen ihr Missstände aufzeigt?

Doch, aber da gibt es keine Verallgemeinerung. Ich finde zum Beispiel “Messias“ ziemlich cool. Da geht es um Leute, die pseudo-alternativ sind – und das geht mir schon gewaltig auf den Sack. Versteh mich nicht falsch, ich bin ein höchst durchschnittlicher Mensch. Ich bin wahrscheinlich in meinem Konsumverhalten ein ganz normaler Durchschnittsbürger. Das sind 95% der Leute in meinem Umfeld ebenfalls und dennoch labern irgendwelche Leute hohl über Themen, von denen sie peripher Ahnung haben. Mein Lieblingsbeispiel, das ich schon in ein paar Interviews angebracht habe, ist die junge Mutter, die im 2,5t schweren 110.00€-SUV die 500m zum Bio-Supermarkt fährt und ihr Bio-Gemüse einlädt. Diese Doppelmoral ist einfach nervig. Darum geht es in “Messias“. Ich würde das jetzt nicht an die große Glocke hängen, weil ich ein durchschnittlicher Mensch bin. Ich bin eben kein Messias! Daran sollte sich der eine oder andere durchaus mal ein Beispiel nehmen.

metal.de: Leider gibt es genug Menschen, die viel reden und dabei herzlich wenig Ahnung haben, da gebe ich dir vollkommen recht. Mein Lieblingsbeispiel sind Impfgegner, die mit erfunden Studien oder falsch interpretierten Zahlen und Fakten um sich werfen. Es ist tatsächlich sehr spannend und gruselig zugleich, was da vor allem in den sozialen Medien abläuft.

Dahinter steckt immer Doppelmoral. Wenn ich mir zum Beispiel Homöopathie angucke, wo es nach vorne so aussieht, als ginge es darum Menschen zu helfen und eigentlich nur möglichst viel Profit mit wirkungslosen Zuckerkügelchen gemacht wird – das geht mit gegen den Strich. Wobei so heftig kann man das auch nicht sagen. Aber mich nerven die Leute, die einen auf besitzlos und Antikapitalist machen und zu Hause auf dem Klo stapeln sich die goldenen Schallplatten. Da sträuben sich mir die Nackenhaare – genauso wie zum Beispiel bei der AfD. Viele Menschen in dieser Welt nehmen den Mund einfach zu voll. Wenn alle das leben würden, was sie erzählen, dann hätten wir wohl keine Probleme mehr.

metal.de: Ja über die menschliche Vielfalt, oder viel mehr unmenschliche Vielfalt könnte man auch stundenlang diskutieren und zu keinem vernünftigen Ergebnis kommen.

Darüber haben sich ja auch schon Diogenes und viele Leute vor uns aufgeregt. Heute ist es nur so, dass sich diese Halbweisheiten unglaublich schnell durch die sozialen Medien verbreiten. Dementsprechend hat das nochmal eine ganz andere Brisanz angenommen, wenn du mich fragst.

metal.de: Es ist auch ziemlich gruselig. Man liest sich Sachen durch und weiß gar nicht mehr, was man noch glauben kann. Man muss sich genug informieren und gründlich recherchieren, um sich eine fundierte Meinung bilden zu können und eben nicht ablenken lassen von den vielen Schreihälsen.

Die Leute reflektieren auch einfach nicht mehr. Wenn ich mir angucke, wie viele meiner Bekannten bei Facebook einfach irgendwelche Sachen teilen. Es gibt viele ach so süße singende Kinder, die von irgendwelchen Nazi-Seiten geteilt werden, dass sie virale Reichweite entwickeln. So etwas wird einfach nicht mehr hinterfragt. Das regt mich auch auf.

metal.de: Einer der stärksten Songs der Platte ist für mich der Opener “Island“, der sich wohl kritisch gegenüber Realitätsflucht und Weltenbummelei äußert, wobei man hier den angesprochenen Sarkasmus gut merkt.  Was spricht aus deiner Sicht gegen das Genannte?

Ich glaube, da hast du etwas nicht verstanden. Eigentlich geht es um Leute, die sich die ganze Zeit beschweren. Ich wiederhole mich: Ich bin ein durchschnittlicher Bürger, aber in diesem Land geht es uns überdurchschnittlich gut. Wir haben ein funktionierendes Sozialsystem, ein funktionierendes Gesundheitssystem, die Menschen in diesem Land sind im Durchschnitt nicht besonders arm. Ich weiß, dass da auch die Schere auseinander geht, das finde ich ja auch blöd. Aber einigen wir uns auf die Momentaufnahme: Uns Deutschen geht es eigentlich ganz gut. Was innerhalb der nächsten 5-6 Jahre definitiv NICHT passieren wird ist, dass an jeder Ecke Moscheen errichtet werden, „unsere armen deutschen Frauen“ gezwungen werden, Burka zu tragen und wir „armen deutschen Männer“ dreimal am Tag Richtung Mekka beten und uns lange Bärte wachsen lassen müssen. Das wird mit Sicherheit nicht passieren – und trotzdem muss ich mir die ganze Zeit so ein Gewäsch anhören. Es reicht mir! Es sind alles freie Menschen. Wenn es den Leuten nicht passt, dann sollen sie halt woanders hingehen, wo es dann „besser“ ist. Dann sollen sie eben nach Island auswandern. Die APPD hat mal vorgeschlagen, sämtliche Radikale auf eine einsame Insel zu schaffen. Da können sich dann die ganzen radikalen Islamisten, die ganzen Rechtsradikalen, meinetwegen auch die ganzen Linksradikalen alle gegenseitig die Köpfe einschlagen und wir haben unsere Ruhe. Das halte ich eigentlich für eine ganz gute Idee.

metal.de: Prinzipiell eine wundervolle Idee, nur wo zieht man dann die Grenze?

Ja, da sagst du was! Es ist ja auch nur ein Szenario…

metal.de: Ein schönes Szenario! Kommen wir nochmal zur Platte, die mir wirklich sehr gut gefällt. Unter anderem ist mir aufgefallen, dass viele Lieder etwas Filmisches, Episches haben. Siehst du das ähnlich bzw. war das euer Anspruch an das Album?

Naja, das war ja schon immer ein Teil des SUBWAY-Sounds, besonders, wenn man sich mal “Nord Nord Ost“ oder “Mitgift“ anhört. Da gibt es immer orchestrale Passagen. Wir arrangieren auch immer Orchesterstimmen zu den Songs und Ingo ist ja auch jemand, der gerne Tonartensprünge macht, wenn er schreibt. Das trägt dazu bei, dass es einen epischen Touch hat. Das ist durchaus gewollt, es ist durchaus ein Stilmittel.

metal.de: Sprechen wir mal über eure Live-Konzerte. Ihr habt bereits zwei der neuen Lieder bei den Eisheiligen Nächten 2018 live gespielt. Wie ist dein Eindruck bislang, wie kommen “Imperator Rex Graecorum“ und “Königin der Käfer“ bei den Fans im Vergleich zu den Klassikern an?

Erstaunlich gut! “Imperator Rex Graecorum“ kannten noch nicht so viele, da haben die meisten eher zugehört. Das ist aber auch das Schöne an unserem Publikum, dass die Leute auch einfach mal zuhören können. Das Set hat mit “Königin der Käfer“ begonnen und man hat schon gemerkt, dass es ein neuer Track ist. Das merkt man auch auf jeder Release-Tour. Die neuen Sachen zünden noch nicht so, weil die Leute sie noch nicht in- und auswendig kennen. Da muss man der Sache einfach ein bisschen Zeit geben, das ist ganz normal. Alles in allem kamen sie aber gut an.

metal.de: Als ich “Königin der Käfer“ zum ersten Mal hörte, weckten das Lied und der Titel im ersten Moment Assoziationen an SAMSAS TRAUM. War das gewollt? Ist das eine Verbeugung, ein kollegiales Augenzwinkern oder reiner Zufall?

Also wenn es jemanden auf der Welt gibt, der SAMSAS TRAUM nicht kennt, dann sind es meine Kollegen und ich. Es ist wirklich Zufall. Wir haben uns bislang noch nie damit beschäftigt. Es haben schon ein paar Fans kommentiert, aber es hat mit SAMSAS TRAUM echt nichts zu tun. In dem Song geht es ja um Mobbing.

metal.de: Wie wird aus der Fülle an neuen guten Songs entschieden, welche live gespielt werden?

Das haben wir schon entschieden. Wenn es nach Ingo geht, spielen wir zwölf von zwölf neuen Songs. Wir haben uns nun auf etwas weniger geeinigt, allerdings müssen wir noch gucken, wie die sich beim Spielen anfühlen. Aktuell sind wir noch am Proben, da wird sich bestimmt noch ein bisschen was ändern. Der Wunsch ist natürlich immer, möglichst viele von den neuen Sachen zu spielen, weil man ja auch selbst Spaß dabei haben möchte. SUBWAY TO SALLY gibt es seit über 25 Jahren und wir haben 12 Studioalben gemacht… 12? Moment, da bin ich mir gerade selbst nicht sicher. Ich schau mal eben nach. Alter, wir sind schon bei 13! Das ist ja krass. Und jeder Song den du dann rausschmeißt, tut weh. SUBWAY TO SALLY haben so viele Klassiker. Wenn ich ein neues Stück mit reinnehme, was schmeiß ich raus? “Kleid aus Rosen“ oder “Falscher Heiland“? Das ist wirklich schwierig.

metal.de: Auch für 2019 ist bereits das Line-up für die Eisheiligen Nächte bekannt gegeben worden. Was schätzt du an euren Gästen KNASTERBART, FIDDLER’S GREEN und VOGELFREY am meisten und warum passen gerade diese Bands zu eurem Festival?

FIDDLER’S GREEN ist eine Band, die erstens hier aus der Ecke kommt und zu der ich zweitens eine ganz spezielle Bindung habe. Mein erstes richtiges Konzert, auf das ich jemals gegangen bin, war eines von FIDDLER’S GREEN. Die kommen ja am gleichen Tag wie wir mit einem neuen Album raus, das auch noch ähnlich heißt [“Heyday“, Anm.d.Red.]. Das ist natürlich ein megastarkes Package, SUBWAY und FIDDLER’S, beide mit neuen Alben am Start. Mit dabei ist auch KNASTERBART. Das ist wohl die einzige Supergroup aus unserem Bereich. Wenn sich Leute von VERSENGOLD und MR. HURLEY & DIE PULVERAFFEN zusammentun, dann kann das nur gut werden. VOGELFREY hat Bodenski entdeckt und fand die großartig. Mit denen haben wir irgendwo auf einem Festival gespielt und da hat er sie sofort gefragt, ob sie mit auf der Eisheiligen Nacht spielen wollen. Du siehst es sind immer Bands dabei, zu denen wir irgendeine Bindung haben. Das ist uns auch wichtig, da es so eine Art Klassenfahrt ist, quasi unser Weihnachten jedes Jahr. Das möchte man mit Menschen verbringen, die man gerne um sich hat.

Vielen Dank für das Interview!

28.04.2019
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