Kataklysm
"Solange wir Inspiration haben, bringen wir auch Alben heraus."

Interview

Fünfzehn Studioalben! Das müssen Bands erstmal hinbekommen. KATAKLYSM liefern seit Mitte der Neunziger Jahre mit Zuverlässigkeit im Zwei- bis Dreijahresrhytmus Werke ab, die selten unter das Prädikat „gut“ gefallen sind. Zudem ist es eine der Bands, die am längsten bei Nuclear Blast Records unter Vertrag ist. Über diese Beständigkeit, das neue Album „Goliath“ und einen Blick in die Zukunft wie Vergangenheit haben wir uns mit Sänger Maurizio Iacono unterhalten.

Hallo Maurizio! Keine Ahnung, ob du dich noch erinnerst, aber wir haben vor zwei Jahren über EX DEO gesprochen.

Ich erinnere mich an dich!

Echt? Cool, dann lass uns anfangen! Wie geht’s dir? „Goliath“ ist das fünfzehnte Studioalbum von KATAKLYSM. Wie fühlt sich diese große Nummer an?

Es fühlt sich überraschend und altersgerecht an (lacht). Ich hätte nicht gedacht, dass wir so viele Alben veröffentlichen als wir begonnen haben. Aber es macht mich glücklich, dass es so gut läuft, also fühlt es sich alles sehr positiv an. Auch, dass wir immer noch so viel zu sagen haben.

Ist es denn einfacher oder schwieriger geworden, neue Ideen für KATAKLYSM zu entwickeln?

Weißt du, bei KATAKLYSM hängt es davon ab, wie einem das Leben gerade spielt. Also gibt es zur Zeit viel, worüber wir reden können mit dem, was auf der Welt so abgeht. Wir waren schon immer eine Band, die mehr auf den sozialen Aspekt der Dinge fokussiert war, eine sehr realistische Band. Wir machen harte Musik, aber unsere Botschaft war immer, dass du dich deinen Dämonen entgegen stellen sollst und für das Leben kämpfen sollst. Solange also nicht alles gut und perfekt ist, werden wir immer etwas zu sagen haben.

Musik ist ja auch therapeutisch, es ist auch der Weg, wie wir unsere Gefühle ausdrücken. Solange wir so funktionieren, wird sich auf unserer Seite nicht viel ändern in Sachen Inspiration.

Ich verstehe. Das Albumartwork und der Titel sind ja von der „David gegen Goliath“-Geschichte inspiriert. Also habt ihr das Konzept genommen und es auf unsere Welt übertragen?

So ziemlich, ja. Die Idee dahinter ist tausende Jahre alt. Und der Lauf der Dinge hat sich trotzdem nicht wirklich verändert. Wir hatten einige Konzeptideen und redeten darüber, als wir mit ein paar Bier in meinem Garten saßen. Einer meiner Freunde meinte dann, dass wir in einer modernen „David gegen Goliath“-Situation leben würden und ich meinte sofort: „Das ist der Albumtitel!“. Wir haben uns aber auf die Maschine, also den Goliath fokussiert, das ist das Hauptthema für mich.

Es ist ein Album über das Hier und Jetzt. „Unconquered“ wurde kurz bevor die Pandemie begann beendet. Das Album wurde bei Nuclear Blast abgeliefert und das war’s. Das Album hat ein ganz anderes Feeling. Dieses Album jetzt wurde 2022 aufgenommen, also am Ende der Pandemie, als die Dinge wieder einigermaßen normal wurden. Es war eine Zeit der Reflektion für uns und deswegen ist das Album so aggressiv und hat diese brutalen Untertöne.

Wen würdest du denn als den Goliath heutzutage identifizieren?

Ich denke, es ist jeder, der versucht, andere zu kontrollieren, zu unterdrücken, zu canceln, stummzuschalten, egal ob man mit jemandem einer Meinung ist oder nicht. Wir müssen debattieren! In dem Moment, wo du nicht mit jemandem über etwas reden kannst, ist es das Ende unserer Freiheit. Für mich ist es das, was der Goliath ist, es ist die Maschinerie dahinter. Es kann hochgehen bis zu der Elite an der Spitze, die alle Geschäfte und so weiter kontrolliert, es kann aber auch etwas Einfaches sein, wie jemand, der jemand anderen mobbt. Die Idee ist allgemein, was der Goliath sein könnte.

Natürlich sind wir auf Davids Seite, wir sind die Menschheit. KATAKLYSM war schon immer eine Band für die Menschen. Ich finde den Zustand der Welt gerade bedenklich. Ich bin sehr für die Redefreiheit und Freiheit der Wahl. Für dich als Journalist ist das auch wichtig, ohne Redefreiheit könnten wir gerade nicht sprechen. Es ist wichtig, diese zu schützen. Und ich finde, während der Pandemie haben viele Leute sich dadurch Vorteile geschaffen.

Meine Emotionen trage ich auf meiner Brust, ich verstecke nicht, wer ich bin. Die Leute wissen das mittlerweile. Ich verarbeite sie in meiner Musik und bin ein offenes Buch. Du kannst dann entscheiden, wie du dich damit fühlst und wie du das siehst.

Es ist ja auch typisch für KATAKLYSM, dass das Album mit einem Zitat aus einem Film beginnt. Was hast du dieses Mal ausgesucht?

Es ist ein Film namens „Medieval“. Es ist ein Film, der von Königreichen handelt, die sich bekriegen. Es geht um Verrat und Lügen, es ist ein bisschen wie bei den Fake News von heute, aber halt in der damaligen Zeit, wo du die Wahrheit nicht kanntest und deswegen Kriege gestartet wurden. Das Intro sagt: „You might be chosen by god but you still make the mistakes of men.“ und was es aussagen will ist, dass du vielleicht gewählt wurdest und nun der König bist, aber am Ende bist du doch nur menschlich und machst Fehler. Daran solltest du dich erinnern. Es repräsentiert die Goliath-Thematik sehr gut.

Wie findest du immer das passende Zitat für den Albumbeginn? Suchst du aktiv danach oder kommt es dir so in den Sinn?

Wenn ich etwas sehe, das Sinn ergibt und Teil einer Idee ist, an der ich arbeite, dann triggert mich das direkt. Ich finde es sehr wichtig, die Leute in die richtige Stimmung zu versetzen und die Person in die Welt zu bringen, die ich beschreiben will. Bei EX DEO zum Beispiel denkst du sofort an das alte Rom, du bist nicht in dieser Zeitlinie. Wenn ich so ein Intro mache, dann lenkt es die Leute in die richtige Richtung und du hast ihre Aufmerksamkeit.

Ich mag Bücher, aber ich habe nicht die Geduld, ein 2000 Seiten starkes Buch durchzulesen. Darum schaue ich häufig Filme, um schnell ein Bild von der Idee zu haben und das allgemeine Konzept zu verstehen. Für die Details müsste ich dann das Buch lesen.

Das Album-Artwork hat Eliran Kantor zum zweiten Mal nach „Waiting For The End To Come“ gestaltet. Wieso seid ihr nun auf ihn zurück gekommen?

Jedes Mal, wenn du etwas machst, das entweder historisch oder biblisch ist, ist er der Mann dafür. Für mich gibt es in dieser Welt niemanden, der besser ist. Seth von SEPTICFLESH ist auch sehr gut, aber er hat noch eine andere Dimension mit dabei.

Er hat einen wunderbaren Job mit dem Artwork gemacht. Ich habe ihm gesagt, ich möchte einen sowohl historischen, aber auch modernisierten Blick auf die Geschichte, sodass Leute das nachvollziehen können. Was ich liebe ist, dass er dieselben Farben verwendet hat, die auch das Album „Shadows & Dust“ hat. Es musste kaum was verändert werden, als ich das Cover bekam wusste ich, dass es das ist.

Wenn du die richtigen Entscheidungen triffst, dann geht es alles sehr flüssig voran. Und so ist es zur Zeit mit KATAKLYSM, es geht alles zack, zack, zack voran.

Als wir vor zwei Jahren zu EX DEOs neuem Album gesprochen haben, meintest du, dass wir sehr wahrscheinlich ein weiteres EX-DEO-Album vor einem weiteren KATAKLYSM-Album bekommen. Nun ist es doch anders gekommen. Wieso?

Leute, die mich gut kennen wissen, dass in einer Zeitspanne von sechs Monaten sich die Dinge bei mir dramatisch verändern können. Wir haben angefangen, an einem neuen EX-DEO-Album zu arbeiten, aber dann gab es einen Terminkonflikt. Außerdem ist unser Vertrag mit Napalm Records ausgelaufen. Es gibt also viele Details zu bearbeiten. Zudem wurden wir mit KATAKLYSM auf vielen Open Airs dieses Jahr gebucht und die Jungs waren bereit, etwas Neues zu schreiben. Also war ich auch bereit. Es sind drei Jahre seit „Unconquered“ vergangen, wir hatten das Konzept im Kopf und wollten das erforschen.

Dann hatten wir den Drummerwechsel und das war auch ein Grund. Wir haben mit James [Payne, Anm. d. Red.] dann ein bisschen getourt, um „Uncoquered“ zu supporten und die Chemie stimmte einfach. Wir sind wieder als Band zusammengewachsen.

Dann gibt es mit INVICTUS noch ein drittes Projekt von dir. Wenn du sagst, dass KATAKLYSM eher die realen Themen der Menschen bearbeitet und EX DEO sich auf das alte Rom konzentriert, wo passt INVICTUS dann rein?

INVICTUS ist persönlicher für mich. Es war ein Projekt, das sich mehr auf meine Gedanken und Vergangenheit fokussiert. Es ist eine Art Therapie für mich, auch weil ich das Album während der Pandemie geschrieben habe. Wir hatten so viel Zeit zur Verfügung, die ich zum Musik schreiben nutzte. Es hat auch einen anderen Ansatz, es ist fast wie KILLSWITCH ENGAGE trifft auf FEAR FACTORY und MACHINE HEAD mit ein bisschen Death Metal.

Wir haben es klein gehalten, wir wollten damit nicht touren, weswegen das Album bei nicht so vielen angekommen ist. Wir hatten nicht die Zeit dafür, weil KATAKLYSM zurück kam. Zusammengefasst ist es wie du sagst: KATAKLYSM ist für die Menschen, INVICTUS ist mein persönliches Ding und EX DEO ist meine Liebe für Geschichte.

Es sind also alles verschiedene Aspekte deiner Persönlichkeit.

Richtig! Wir tragen dazu alle bei. Als ich mit dem Konzept für „Goliath“ ankam, habe ich es den Jungs vorgelegt und gesagt, dass das die Richtung ist, in die ich mit dem Album gehen möchte. Alle meinten dann, sie sind da meiner Meinung, es gab keine Debatte. Und wenn das so ist, dann wirst du in irgendeiner Art und Weise Erfolg haben. Die Energie und Positivität der Band zusammen bringt dich nach vorne. Wir haben gerade das beste Line-Up, das KATAKLYSM jemals hatte. Es fühlt sich gerade zum ersten Mal wieder an wie in alten Zeiten.

Wir hatten immer Probleme mit Schlagzeugern, die gekommen und gegangen sind, aber dieses Mal haben alle mitgemacht. Sogar Stéphane [Barbe, Bass, Anm. d. Red.] hat auf dem neuen Album mitgeschrieben, was er seit drei oder vier Alben nicht mehr getan hat abgesehen von ein paar kleinen Ideen.

Es gibt ja viele Leute, die die ungezügelte Schnelligkeit von Songs wie „The Ambassador Of Pain“ vermissen. Denkst du, ihr seid bewusst diverser geworden im Sound oder wie entscheidet ihr, welche Härte eure Lieder brauchen?

Die Leute tendieren zu einem Urteil, ehe sie das komplette Album gehört haben. Es gibt Songs auf diesem Album, die 260 Beats pro Minute haben. „From The Land Of The Living To The Land Of The Dead“ könnte genau so auf „Serenity In Fire“ stehen. Es gibt immer noch Songs, die so sind. Wir werden uns aber immer weiterentwickeln. Die Basis, die KATAKLYSM ist, wird natürlich bleiben. Das ist, was die Fans mögen und was wir lieben.

Bei diesem Album erinnere ich mich daran, als „Bringer Of Vengeance“ rauskam, der sehr grooveorientiert ist, es ist ein klassischer Livesong, der komplett abgehen wird auf der Bühne. Aber er hat keinen Blastbeat. Das haben wir mit Absicht gemacht. Ich wusste, dass Reaktionen kommen würden wie: „Oh, sie haben die Blastbeats vergessen!“. Dann haben wir „Die As A King“ mit seiner Melodie und seinen Blastbeats veröffentlicht, sodass die Leute sehen, dass es Diversität auf dem Album gibt. Du musst das ganze Album hören, um den aktuellen Status von KATAKLYSM zu verstehen.

Es ist anders als – und nimm das nicht falsch auf, es sind meine Freunde und Brüder – bei SUFFOCATION. Der erste und vierte Song werden sich sehr ähnlich sein, es ballert alles, aber das ist SUFFOCATION halt. Entweder liebst du es oder hasst es. KATAKLYSM bewegt sich mehr, es gibt Blastbeat-Tracks, es gibt melodische Tracks. Wir sind so als Band. Ich werde nie wieder „Crippled & Broken“ oder „The Ambassador Of Pain“ schreiben. Wir spielen sie natürlich live, aber wir werden sie niemals wiederholen. Sie sind fertig, sie sind Klassiker und das ist, was sie bleiben. Wenn wir einen ähnlichen Song dazu schreiben würden, würden wir nur die Klassiker verwässern. Wir nehmen Elemente daraus und bauen etwas Brandneues daraus für unsere Fans.

Wir können uns glücklich schätzen, dass wir so viele Songs geschrieben haben, die als Klassiker gelten: „As I Slither“, „Crippled & Broken“, „Like Angels Weeping (The Dark)“, „The Road To Devastation“. Es ist schwer für uns, live zu spielen. Es ist unmöglich, eine Setlist zusammen zu stellen, welche alle zufrieden stellt. Wir schauen auf Spotify, welche Songs am meisten gestreamt werden und basieren unsere Entscheidung auch darauf.

Die Leute sollten sich also entspannen und dem Album eine Chance geben. Ich sage euch, dass Track Nummer 5 so klingt, als würde man mit einem Maschinengewehr durch eine Armee schnetzeln, er ist unglaublich schnell, weißt du?

Ich bin die komplette KATAKLYSM-Diskografie durchgegangen, die bei mir im Regal steht, als ich das Interview vorbereitet habe und mir fehlt nur eine: „Victims Of This Fallen World“ von 1998. Es ist auch das einzige Album, das nicht bei Nuclear Blast erschienen ist. Es hat ein ganz anderes Coverartwork. Ist die Scheibe so etwas wie das schwarze Schaf?

Es ist eine Übergangsperiode von den alten zu den neuen KATAKLYSM. Es war das Album, das geopfert werden musste, um das neue Line Up auszudrücken. Stell dir vor jemand hat immer lange Haare gehabt und entscheidet sich eines Tages dazu, die abzuschneiden. Das ist das Album dazu! Es ist ein super wichtiges Album für KATAKLYSM, weil es das Album war, das die Wiedergeburt der Band eingeleitet hat. Diese wurde aber erst auf „The Prophecy“ perfektioniert.

Das Album war der Anfang, es war mehr Hardcore-orientiert, es hatte HATEBREED-Anleihen zum Beispiel. Ich hatte noch nicht viel Erfahrung als Sänger, ich habe damit gerade erst angefangen. Als wir dann mit „The Prophecy“ wieder von Nuclear Blast unter Vertrag genommen wurden, war das der offizielle Neubeginn. Es ist also das schwarze Schaf der Diskografie. Viele Leute lieben das Album aber auch und sagen, es ist das Beste, das wir je veröffentlicht haben.

Du hast mir ja gerade gesagt, dass sich deine Meinung innerhalb von sechs Monaten komplett drehen kann, aber wohin gehst du als nächstes? Tour? Anderes Projekt?

Wir werden keine so harte Tour für „Goliath“ durchziehen, wie wir es gerade mit SOILWORK gemacht haben. Die wurde während der Pandemie geplant für „Unconquered“. Es war hart für Band, sie lief zwei Monate und ungefähr 60 Shows. Am Ende hat die Band 72 Shows in drei Monaten und 35 Ländern gespielt. In der Zukunft werden wir natürlich touren, wir planen schon für 2024, aber maximal zwei, drei Wochen und dann halt noch Open Airs.

Wir wollen so lange weitermachen, wie es uns möglich ist, aber das geht nicht, wenn wir ständig sechs Monate auf Tour sind. Wir haben jetzt auch Familien, das macht alles schwerer. Aber solange wir Inspiration haben, bringen wir auch Alben heraus.

Und wie geht es denn nun mit EX DEO weiter?

Es wird definitiv neue Musik von EX DEO geben. Ich habe schon mit Clemens von CARACH ANGREN gesprochen und er ist bereit, loszulegen, da er der Hauptakteur ist, der das Orchester komponiert. Wenn er bereit ist, sind wir auch bereit.

Und ein Label wird sich da ja wohl finden, oder?

Ja, vielleicht veröffentlichen wir es auch unabhängig und suchen uns nur einen großen digitalen Vertriebsweg. Die Welt ändert sich. Mit KATAKLYSM sind wir die Band, die am längsten bei Nuclear Blast unter Vertrag steht und dafür sind wir dankbar. Nach uns sind es dann HYPOCRISY und BENEDICTION. Aber wir haben am regelmäßigsten Alben veröffentlicht.

Ich hoffe aber, ihr werdet weiterhin physische Versionen eurer Alben veröffentlichen!

Werden wir, Metalheads ticken da sowieso anders. Da haben wir echt Glück.

Danke dir für deine Zeit und man sieht sich auf einem Konzert!

Quelle: Call mit Maurizio Iacono
10.08.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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