Mistur
Interview mit André Raunehaug zu "Attende"
Interview
Mit MISTUR macht sich eine weitere norwegische Band daran, das Erbe der mächtigen WINDIR anzutreten. Melodien, Gitarrenleads und Atmosphäre – vieles erinnert an den Sound der Band aus Sogndal. Und doch präsentieren sich MISTUR auf ihrem Debütalbum „Attende“ als Band, die über genügend eigene Qualitäten verfügt. Abgesehen davon, dass „Attende“ eine wirklich vorzügliche Scheibe ist. Bandkopf André Raunehaug stand uns bereitwillig Rede und Antwort und erklärt ganz nebenbei, warum der Blick ins Wörterbuch nicht immer zum erhofften Ergebnis führt.
Hi André! Was macht in diesen Tagen, wo Eure erste CD „Attende“ kurz vor der Veröffentlichung steht?
Hey Eckart! Wir sind gerade in einer ziemlich hektischen Periode, denn die Zeit bis zum 29. August ist vollgepackt mit Promotionarbeit. Es ist wirklich gut, dass wir noch einen ganzen Monat zur Verfügung haben. Wir sitzen vor allem an Interviews, und außerdem sprechen wir mit vielen Leuten. Die CDs sind gerade eingetroffen und werden jetzt für Reviews an die wichtigsten Magazine verschickt. Unser Label Einheit Produktionen macht da wirklich einen hervorragenden Job. Es wird ein sicherlich ein großartiger Moment sein, wenn das Album schließlich für alle Fans verfügbar sein wird.
Kann ich mir gut vorstellen. Immerhin habt Ihr „Attende“ bereits im letzten September in den Akkerhaugen Studios aufgenommen. Warum hat es jetzt noch fast ein Jahr gedauert, um es zu veröffentlichen?
Ja, das hat eine ganze Weile gedauert. Aber als wir das Album vor knapp einem Jahr aufgenommen hatten, standen wir bei keinem Label unter Vertrag. Als wir dann die Masterbänder in Händen hielten, haben wir uns in Norwegen und und anderen Ländern nach einer Plattenfirma umgesehen. Letztlich standen wir mit zwei oder drei Labels in konkreten Verhandlungen, bevor wir uns für eine Kooperation mit Einheit Produktionen entschieden haben. Mein Gefühl sagt mir, dass es die beste Entscheidung war, die wir treffen konnten.
Lass uns mal den Blick noch weiter zurück werfen: Euer einziges Demo „Skoddefjellet“ erschien im Jahr 2005. Was ist seitdem in und um die Band herum passiert?
Einige Teile des Materials, das wir jetzt aufgenommen haben, hatten wir tatsächlich schon damals komponiert. Und seitdem haben wir kontinuierlich am neuen Album gearbeitet. Aber ich glaube, dass wir das meiste zwischen 2007 und 2008 geschrieben haben. Abgesehen davon hat sich unser Line-Up verändert, und die aktuelle Besetzung funktioniert vor allem live einfach wunderbar. Und dann haben wir in der Zeit noch einige erfolgreiche Shows gespielt. Klar, alles ist ein wenig langsam vorangegangen, aber wenn du dir jetzt die fertigen Songs anhörst, dann spielt Zeit einfach eine untergeordnete Rolle. Ich bin mir ganz sicher, dass die Fans zufrieden sind, wenn sie das neue Album hören, auch wenn es lange gedauert hat.
Wer ist denn bei Euch für das Songwriting zuständig?
Grundsätzlich komponiere ich alle Songs zusammen mit Espen Bakketeig, zusammen oder auch jeder für sich. Viele dieser so entstandenen Riffs passen aber auch gut zusammen. Wir haben einen sehr ähnlichen Musikgeschmack und arbeiten auf eine ganz vergleichbare Weise, weswegen die Kooperation zwischen uns bestens abläuft. Daran möchten wir auch gar nichts groß ändern. Wir haben übrigens auch schon neues Material fertig – insofern wird „Attende“ nicht das letzte sein, was ihr von MISTUR hören werdet.
Da nehme ich Dich beim Wort! Lass uns aber beim aktuellen Album bleiben: Wenn Du „Attende“ in wenigen Worten beschreiben solltest – was kommt Dir da zuerst in den Sinn?
“Attende” ist ein melodisches, episches, emotionales und düsteres Black-Metal-Album aus den Fjorden und Bergen in Norwegen.
Warum bist Du mit „Attende“ zufrieden?
Wir sind ja in das Akkerhaugen Studio gegangen, und haben dadurch für „Attende“ einen superben Sound hinbekommen. Das Album klingt warm und gleichzeitig sehr kalt. Wir haben es hinbekommen, ein angenehm klingendes und sauber produziertes Album zu erschaffen, und genau das wollten wir erreichen. Ich denke, alle Songs haben eine eigene Identität, und die Arrangements und die Riffs funktionieren alle einfach sehr gut. Dazu kommt noch, dass Kris Verwimp mit dem Ölgemälde für das Cover einen wirklich verblüffend starken Job geleistet und dadurch das Album weiter aufgewertet hat. Seit dem Demo haben wir auf jeden Fall ein höheres Level erreicht, sowohl was Sound, Kompositionen und Qualität angeht, und deshalb bin ich mit diesem Album sehr zufrieden.
Könntest Du denn einen Song herausheben, der stellvertretend für das neue Album steht?
Ich glaube, dass alle Songs auf dem Album ihre eigene Identität haben, daher ist es schwer, einen hervorzuheben. Einige der Songs werden die Leute an das ältere MISTUR-Material erinnern – wahrscheinlich weil es auch älter ist. Einige Songs stoßen aber in neue Richtungen vor. Der Song “Skuld” steht so ziemlich in der Mitte. “Skuld” ist sehr rhythmusbasiert und im Stil, der so typisch für uns ist, vereint aber auch neue Einflüsse, wie proggige und leicht nachvollziehbare Riffs. Vielleicht erinnert das die Leute sogar ein wenig an DIMMU BORGIR oder EMPEROR.
Was kannst Du über die Texte verraten? Wovon handeln sie generell?
Die Texte basieren hauptsächlich auf Wikingergeschichten. Jedes Stück hat mehr oder weniger seine eigene Geschichte, deren Motive von Liebe, Tod, tragischem Vertrauen bis hin zu Hass reichen. Für Euch ist es natürlich ein wenig blöd, denn alle Texte sind in Norwegisch verfasst.
Ich versuche es trotzdem einmal: Wenn mein Norwegisch-Wörterbuch keinen Quatsch wiedergibt, bedeutet „Attende“ „der Achtzehnte“. Welche Geschichte steckt hinter diesem Titel und warum habt Ihr ihn zum Albumtitel auserkoren?
Deine Übersetzung ist absolut richtig, aber wir gebrauchen das Wort in einem anderen Sinn. Es ist ein bisschen schwierig zu erklären. Der Text handelt von einer Familie, wo eine Frau ihren Ehemann und alle ihre Söhne im Kampf verloren hat, bis auf einen einzigen. Daher möchte sie ihn auch daran hindern zu gehen, als dieser schließlich als Wikinger in die Welt ziehen will. Er setzt sich aber durch, und mit der Zeit erkennt sie, dass sie ihn nicht wiedersehen wird. Tatsächlich wird er später in einer Schlacht getötet und kommt nicht wieder. Aus diesem Zusammenhang heraus verwenden wir das Wort also mit der Bedeutung „zurückkehren“. Wir haben es vor allen Dingen wegen der Emotionen und der Brutalität des Textes als Albumtitel gewählt. Emotion und Brutalität sind übrigens auch zwei Wörter, die unsere Musik gut beschreiben.
Es gibt auf dem Album einen Track, den Ihr „Mistur“ genannt habt – ist das eine Art Bandhymne? Und ganz generell, die Bedeutung des Wortes Mistur habe ich in meinem Wörterbuch gar nicht gefunden…
Klar – ist auch kein Wunder, warum Du es nicht gefunden hast. „Mistur“ ist nämlich ein isländisches Wort, das soviel bedeutet wie „Dunst“ oder „Nebel“. Der Song „Mistur“ ist ein Stück, das sehr schön mit den düsteren Hymnen hier im Norden verglichen werden kann. Nebel ist eine Art traumhaftes und mystisches Phänomen, und das ist auch der Grund, warum wir vor vielen Jahren unsere Band MISTUR genannt haben. Das Instrumental auf der Platte hat dieselbe traumhafte und mystische Stimmung, weswegen wir es schließlich auch diesen Titel gegeben haben.
Eure Musik wird ja häufig mit der nordischen Natur und Landschaft verglichen. Wie würdest Du Eure Musik beschreiben?
Sie ist melodisch, episch und emotional – das alles vermischt mit rohem Black Metal. Ich glaube, es wäre schwer, Dir eine tiefergehende Beschreibung zu liefern. Wir machen einfach die Musik, mit der wir uns wohlfühlen, ganz unabhängig von irgendwelchen Metalgenres. Natürlich weiß ich, dass unsere Musik sehr häufig mit der nordischen Natur und der Landschaft in Bezug gesetzt wird. Aber wir benutzen diese Verbindung auch selbst – Du musst nur einen Blick auf das Coverartwork der neuen Platte werfen.
Stimmt! Und wenn ich dazu noch weiß, dass sich Euer Label Einheit Produktionen auf Viking und Pagan Metal spezialisiert hat… zudem stammt Ihr aus Kaupanger, meines Wissens nach die älteste Stadt in Norwegen… Erzähl doch bitte einmal, warum Dich das Wikingerthema so fasziniert.
Nun, ich glaube zwar nicht, dass Kaupanger die älteste Stadt in Norwegen ist, aber zumindest ist es ein sehr hübscher Ort inmitten von Bergen und Fjorden. Das Ölgemälde auf dem Frontcover zeigt übrigens eine Landschaftsszene in Kaupanger, nur wenig entfernt von Sogndal. In der Wikingerzeit war das übrigens ein Handelsplatz, weswegen es ebenfalls eine historische Wikingersiedlung ist. Ich denke, uns ist es gut gelungen, diese Thematik in der Coverabbildung und in den Texten zu verarbeiten. Die Leute sind ja immer sehr interessiert, wenn es um die Wikinger und die Geschichten über sie geht. Es ist doch auch immer sehr interessant, von Leuten zu hören, die vor Hunderten von Jahren um ihr Leben und ihren Glauben gekämpft haben, und das dann mit der heutigen Gesellschaft zu vergleichen. Und ich denke, dass diese Thematik für uns einfach die perfekte Stimmung erzeugt, damit wir unsere Musik erschaffen können.
Wenn man sich Eure Musik anhört, kommt unweigerlich der Name WINDIR in den Sinn. Kein Wunder, denn Ihr kommt wie WINDIR auch aus Sogndal, und mit Stian Bakketeig [Bruder von Keyboarder Espen Bakketeig; Anm. d. Verf.] habt Ihr mittlerweile den Ex-Leadgitarristen von WINDIR in Euren Reihen. Wie siehst Du denn die Vergleiche von Deiner Band mit WINDIR?
Dadurch, dass der ehemalige WINDIR-Gitarrist bei uns spielt und wir aus der gleichen Gegend kommen, sind diese Vergleiche eine sehr natürliche Sache. Immerhin ist durch WINDIR unser Heimatort Sogndal für Metalheads aus der ganzen Welt zu einem Begriff geworden. Was den musikalischen Ausdruck angeht, so sind wir sicherlich vergleichbar, aber mit „Attende“ haben wir uns doch einen Schritt davon entfernt. Wir machen unser eigenes Ding und haben unsere eigenen Qualitäten. Na, und wie ich schon gesagt habe, haben wir auch andere musikalische Bereiche ausgelotet und neue Elemente in unsere Kompositionen einfließen lassen, und das werden wir in der Zukunft noch weiter fortsetzen.
Was hältst Du eigentlich von den anderen Bands aus Eurer Gegend, VREID und COR SCORPII?
Ich halte sie beide für sehr gut und interessant. COR SCORPII haben sehr melodische und schöne Songs und Motive, aber auch den Hauch von rohem und schnellem Black Metal. Ich denke auch, dass sie einen sehr typischen norwegischen Sound haben. VREID haben sich ja in eine andere Richtung entwickelt, auch wenn sie in einigen Songs noch diese typischen Folkmelodien haben. Sie spielen Metal, haben sich aber ein wenig in Richtung Rock entwickelt. Sie haben ihre eigene Identität und sind damit recht bekannt geworden.
Was hebt Euch von anderen Bands ab?
Ich würde sagen, das sind die leicht nachvollziehbaren und griffigen Riffs.
Um einen Blick in die Zukunft zu werfen: Was sind Eure nächsten Ziele mit MISTUR?
Wir werden auf jeden Fall an neuem Material arbeiten – und hoffentlich wird es nicht allzu lange dauern, bis wir wieder mit einem Album auf der Matte stehen. Bis dahin hoffe ich mal, dass wir mit „Attende“ und jeder Menge Shows unseren Namen in der Metalszene verankern können.
Und damit das auch hierzulande klappt: Gibt es denn irgendwelche Tourpläne für Deutschland?
Wir wollen ja immerzu Gigs spielen. Und mit dem Release von „Attende“ bekommen wir hoffentlich mal die Möglichkeit, außerhalb von Norwegen zu spielen. Und da wir jetzt mit einem deutschen Label zusammenarbeiten, gibt es vielleicht einmal die Möglichkeit, auf einem Festival bei Euch zu spielen. Das erste Konzert nach der Albumveröffentlichung wird aber erstmal im September in unserer Heimatstadt Sogndal stattfinden, auf einem Festival mit dem Namen Støy.
Das war’s auch schon! Vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, die Fragen zu beantworten. Die letzten Worte gehören Dir!
Danke, dass Ihr uns kontaktiert habt. Unser Album „Attende” wird am 29. August veröffentlicht – wenn Ihr also gefühlvollen und gleichzeitig brutalen Black Metal aus Norwegen mögt, solltet Ihr das Album antesten. Und natürlich hoffen wir, dass wir die Möglichkeit bekommen, nach Deutschland zu kommen und für Euch zu spielen!
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