Destruction
Schmier zur neuen Platte

Interview

Die Teutonen-Thrasher von DESTRUCTION haben mit “Diabolical” unlängst ihr 15. Studioalbum veröffentlicht. Begleitet wurde dieser Meilenstein in der Bandgeschichte von der anhaltenden Corona-Pandemie, einem Krieg in Europa und nicht zuletzt dem Weggang von Gründungsmitglied Mike Sifringer. Mit dem stets auskunftsfreudigen Sänger der Band hatten wir also viel zu besprechen.

Hallo Schmier, wie geht´s Dir? Alles gut?

Alles gut, danke. Es ist gerade ein bisschen stressig, weil wir volle Attacke mit den letzten Video-Veröffentlichungen und Promos für die neue Platte haben. Gleichzeitig laufen noch Interviews und die Touren werden angeschoben. Wir gehen bald in die USA. Aber das ist ja besser so, als anders herum. Zwei Jahre lang war nichts los und jetzt explodiert alles gerade.

Erstmal Glückwunsch zum 40. Bandjubiläum, auch wenn Du nicht durchgehend dabei warst…

Na ja, ich wurde ja nicht gefragt und bin damals rausgeworfen worden. Ich finde es auch immer lustig, wenn die Leute sagen: “Mike als Gründungsmitglied war immer dabei”… Er hat mich damals, 1990, rausgeworfen und zehn Jahre mehr schlecht als recht mit DESTRUCTION weitergemacht. Jetzt hat er die Band verlassen und ich bin anscheinend der Bösewicht, der daran für gewisse Leute die Schuld trägt. Sorry, aber schaut Euch die zehn Jahre ohne mich an. Wenn das für Euch DESTRUCTION waren, hört Euch das gern an. Aber meine Toleranz ist da langsam wirklich am Ende. Ich habe immer versucht, die Band am Leben zu halten und wäre auch gerne in diesen zehn Jahren Teil von ihr gewesen. Aber immerhin habe ich DESTRUCTION mitgegründet und das ist ja auch eine schöne Erinnerung.

Aber vierzig Jahre bleiben trotz allem eine lange Zeit. Wie hat sich die Szene in all den Jahren aus Deiner Sicht verändert?

Wir mussten früher noch echte Briefe schreiben und wochenlang auf Antworten oder Informationen warten oder Magazine aus England bestellen, um an Metal-News zu kommen. Heutzutage ist das natürlich schon geil, Du machst einen Klick und weißt bescheid. Die neue SLAYER ist raus… Ach nee, die gibt´s ja nicht mehr. Okay, die neue DESTRUCTION ist raus (lacht) und dann kannst Du es Dir direkt auf Spotify oder I-Tunes anhören. Das geht schon alles sehr schnell. Früher mussten die Fans in Malaysia oder Guatemala monatelang auf das Vinyl warten, bis sie die Musik endlich hören konnten. Insofern ist es durch die weltweite Vernetzung natürlich toll, dass die Metal-Szene so eng zusammengerückt ist. In ein paar Tagen kommt auch schon das vierte Video zu unserer neuen Platte heraus und das ist schon geil, wenn die Fans das so unkompliziert im Vorfeld mitverfolgen können. Auch wenn andere sagen, dass die Spannung und Vorfreude damit wegfällt. Andererseits sieht man ja auch bei uns, wie gut die Szene mittlerweile aufgestellt ist. In keinem anderen Land gibt es so viele Festivals wie Deutschland.

Wie kann man sich angesichts der aktuellen Geschehnisse denn auf die Veröffentlichung der eigenen Musik fokussieren oder sogar so etwas wie Vorfreude empfinden? Für viele Menschen ist die neue Platte der eigenen Lieblingsband derzeit eher eine unwichtige Randerscheinung…

Nun, wir brauchen ja alle auch mal ein bisschen Abwechslung. Wenn man den ganzen Tag Nachrichten guckt, wird man wahnsinnig. Nach zwei Jahren Pandemieist jetzt der Krieg vor der eigenen Haustür. Das ist natürlich total schockierend. Aber gerade dann ist Musik und Kunst wichtig. Das war während der Pandemie ja auch schon so. Auch wenn dieser Umstand von den deutschen Politikern nicht so richtig wertgeschätzt wurde. Aber auch während der Pandemie war es für uns nicht einfach, den Fokus auf der Musik zu legen. Und so haben wir es auch erst im zweiten Jahr geschafft wieder an neuen Songs zu arbeiten. Davor waren wir einfach nicht bereit. Es war eine verstörende Situation mit Zukunftsängsten und so weiter. Aber es hilft ja nichts. Man muss immer wieder aufstehen und versuchen weiter zu machen. Als Musiker lebst Du ja auch durch die Inspiration. Wenn die –  so wie gerade durch die derzeitige Situation  – auf einmal weg ist… Da kann man schon mal Ladehemmungen bekommen. Und wir kannten das ja bisher nicht: Normaler Weise sind wir ständig unterwegs, spielen 200 Shows im Jahr und jetzt sind wir jeden Tag zu Hause gesessen und haben kein Geld verdient. Die Hilfe vom deutschen Staat war letztlich ja auch nur ein Darlehen, das wir jetzt zurückzahlen müssen. Mit dem Krieg jetzt vor der Tür, das ist schon ziemlich furchteinflößend. Viele Fans meinen auch, ich hätte das mit meinen Texten schon vorausgesehen. So sehe ich das aber nicht. Das so etwas passieren würde, war ja schon lange abzusehen. Wir Menschen lernen aus unseren Fehlern nicht. Tragischer Weise ist die Single “No Faith In Humanity” am selben Tag erschienen, als der Krieg begonnen hat. An so einem Tag wollen die Leute sicherlich keinen Text vor die Nase gehalten bekommen, der in diesem Zusammenhang die Wahrheit spricht…

Aktueller könnte ein Song wie “No Faith In Humanity” in der Tat kaum sein. Stellt der Text für Dich die traurige Bilanz der menschlichen Evolution dar oder gibt es aus Deiner Sicht noch Hoffnung für die Menschheit?

Ja klar. Erstmal klingt der Titel schon sehr negativ. Aber zum Schluss finden sich ein paar ganz wichtige Schlüsselwörter, wie zum Beispiel “Solidarity”. Solidarität ist doch der Schlüssel für das Überleben der Menschheit. Gerade wird ein Krieg geführt, weil man sich über Land streitet, dass über die Jahrhunderte hinweg immer wieder hin und her gewandert ist. Man bekriegt sich als Brudervolk anstatt zusammen zu halten. Die Welt wie wir sie kennen, wird es in ein paar Jahren nicht mehr geben. Weil wir einfach alles zerstören. Dabei sollten wir zusammenhalten. Wir sind aus dem gleichen Holz, aus einem Blut. Und trotzdem bekämpfen wir uns gegenseitig wie die Nachbarn sich über den Gartenzaun beschimpfen. Andererseits habe ich auch versucht Texte zu schreiben, wie für “Hope Dies Last”. Die Aussage ist eigentlich sehr positiv und es geht darum, dass man wieder aufstehen sollte, wenn man mal auf dem Boden liegt und das durchalten muss. Im Kern bedeutet es, dass man an sich selbst und auch an die Zukunft glauben sollte. So sind die Songtitel natürlich erstmal knallhart, wenngleich die Texte dann schon oft eher lebensbejahend und positiv gedacht sind. In “State Of Apathy” geht es um Angstattacken und Depression, was ich für ein wichtiges Thema halte. Es ist doch wichtig, dass man sich in so einer Situation helfen lässt und versucht durch veränderte Lebensumstände positiv zu bleiben.

Du meintest gerade, dass man als Songschreiber ein Stück weit von der Inspiration lebt. Sind die Songs auf “Diabolical” erst kürzlich entstanden?

Ja genau, die sind schon aktuell. Während dem ersten Jahr der Pandemie habe ich häufiger versucht, mit Mike an Songs zu arbeiten. Aber irgendwie kam dabei nicht wirklich etwas heraus. Nach der Trennung von ihm wurde das Schreiben für mich dann irgendwie einfacher. Ich weiß nicht genau, warum das so war. Aber es gab einfach einen Knall und es hat dann funktioniert.

Auf “Diabolical” findet sich unter anderem auch “City Baby Attacked By Rats”, was ja im Original von G.B.H. stammt und damit als Punk-Klassiker durchgeht. Wer hatte die Idee dazu?

Anfang der 80er war die Metal-Szene bei uns hier in der Grenzregion zur Schweiz sehr überschaubar. Es gab zwar eine Handvoll Leute, aber meine besten Kumpels waren alle Punks. Die Szene war vergleichsweise groß und es gab viele Konzerte, auf die ich auch gegangen bin. Und so bin ich als Metal-Head halt viel mit Punks rumgehangen und habe dabei Bands wie THE EXPLOITED, DEAD KENNEDYS oder HÜSKER DÜ gehört. Oder auch deutsche Bands wie SLIME und HASS. Die waren alle Kult. Einige dieser Bands sind bei mir einfach hängengeblieben. „City Baby Attacked By Rats“ ist eine Hymne, eine Art Punk-Hit schlechthin. DESTRUCTION wurden von dieser Strömung sicherlich auch ein Stück weit beeinflusst. Und so ist der Song auch als Tribute an all die Punk-Bands der 80er gedacht.

Und welche aktuellen Bands magst Du?

Was heißt aktuell? Meinst Du neue Bands?

Ja, durchaus…

Ich höre eigentlich nicht besonders viele neue Bands (lacht). Ich mag viel aus dem Altertum, viele Klassiker aus den 80ern. Aber es gibt schon auch neuere Sachen, da versuche ich schon mitzuhalten. Als Musiker sollte man offen für neue Bands und Strömungen sein. Aber ich finde es schon klasse, dass es so viele junge Thrash-Metal-Bands gibt. Vor zwanzig Jahren gab es keine jungen Bands, die Thrash gemacht haben.

Beschreibe “Diabolical” in drei Worten.

Drei Schlagwörter? Auf jeden Fall Brachial, In Die Fresse und irgendwo auch Eingängig.

Das sind aber doch eigentlich Trademarks, die man nahezu über die komplette DESTRUCTION-Diskografie legen könnte, oder?

Ja, bestimmt. Wobei ich schon denke, dass diese Platte noch eingängiger geworden ist. “Born To Perish” ging vielleicht auch schon ein wenig in diese Richtung. Aber die neue Platte ist in meinen Augen auf jeden Fall noch live-tauglicher. In der Vergangenheit haben wir uns manchmal auch ein wenig verstrickt in der eigenen Musikalität und dann kommst Du mit einem Album raus, mit dem Du letztlich nicht hundertprozentig zufrieden bist. Da warst Du vielleicht zu sehr Musiker und zu wenig Fan. Bei der neuen Platte haben wir das meiste aber aus dem Bauch heraus gemacht und hier und da die Songs sogar abgespeckt und auf Riffs oder Soli verzichtet. Wir haben einfach versucht, ein bisschen schlanker zu werden und ich denke, dass hat auch gut getan.

Lass uns ein wenig über das Arbeiten ohne Mike sprechen. Inwiefern hat sich sein Weggang innerhalb der Bandprozesse bemerkbar gemacht?

Eigentlich hat sich gar nicht mal so viel geändert. Natürlich ist das Songwriting anders geworden, jetzt habe ich mit Damir praktisch alles zusammen geschrieben. Die Grundideen kamen von mir, die wir dann auf Gitarren umgeschrieben und damit erste Demos aufgenommen haben. Ehrlich gesagt, ist es sogar einfacher geworden. Mike und ich waren uns nicht immer einig darüber, wo es hingehen sollte. Das hatte ich ja vorhin schon mal erwähnt, als mir kurzzeitig der Hut hochgegangen ist. Es war nicht immer einfach zwischen uns. Mike ist jemand, der ganz alte Musik aus den 60ern und 70ern liebt und auch auf Prog-Rock steht. Er spielt lieber einen 6/4 Takt als einen 4/4 Takt. Im Thrash-Metal ist aber der 4/4 Takt halt einfach angemessener. Meistens zumindest. Insofern gab es dadurch oft Kompromisse. Jetzt haben wir einfach befreit ein Old-School-Trash-Album veröffentlichen können. Natürlich war auch Druck und Trauer über Mikes Weggang da. Andererseits bin ich der Typ, der lieber die Ärmel hochkrempelt und weitermacht. Trauern bringt nicht viel, das hat auch die Vergangenheit gezeigt.  Am Ende war es ja auch Mikes eigene Entscheidung, die Band zu verlassen. Wir wollten ihm die neuen Songs zeigen und haben sogar ein paar Monate auf ihn gewartet. Aber letztlich kann man natürlich niemanden zu seinem Glück zwingen. Und dann war es leider so. Natürlich waren wir traurig und schockiert, aber die neue Platte spricht für sich und ist auch ohne Mike gut geworden.

Habt Ihr – also Mike und Du – weiterhin Kontakt zueinander?

Ja, ein bisschen schon. Mike hat sich zwar zurückgezogen, aber so war er schon immer, auch wenn wir auf Tour waren. Gerade jetzt haben wir natürlich aufgrund des gemeinsamen Back-Kataloges geschäftlich noch einiges miteinander zu tun. Ich bleibe aber auf jeden Fall weiter am Ball und habe auch die Hoffnung, dass wir ihn vielleicht zum 40. noch einmal auf die Bühne zerren können und einen Song mit ihm jammen können. Das wäre bestimmt toll für die Fans und für ihn natürlich auch. Warum Mike wirklich ausgestiegen ist, ist ja immer noch nicht ganz klar, aber man spricht gern von “auseinandergelebt”. Ich hoffe schon, dass wir mal wieder zusammen jammen können. Wir haben so lange Musik zusammen gemacht, da muss man sich halt locker machen. Immerhin ist das eine Zeit, die uns ja auch keiner mehr nehmen kann.

Wird es – neben der neuen Platte natürlich – das ein oder andere Special zum 40. Jubiläum geben?

Auf jeden Fall. Es wird das Baden-Im-Blut-Festival, hier vor der Haustür geben. Dafür haben wir auf jeden Fall ein paar Specials geplant. Gerne würde wir natürlich auch noch ein paar Gäste auf die Bühne holen, wie den Mad Butcher zum Beispiel. Dieses und auch nächstes Jahr sind unsere Festival-Aktivitäten darauf ausgelegt, dass wir spezielle Shows spielen. Es wird auch eine CD-Box mit allen alten Alben als Picture-Disc und eine 40-Jahre-Box mit Raritäten und Bootlegs auf High Roller Records geben.

Wann erscheint Deine Biografie?

Nun, ich habe ja mal angefangen daran zu schreiben. Durch Corona war ich dann aber einfach nicht wirklich inspiriert, auch wenn ich diese Zeit dafür hätte nutzen sollen. Aber wenn Du wirklich mal anfängst an so etwas zu arbeiten, dann ist es ein derart unglaublich großes Universum mit Erlebnissen, da weiß man nicht mehr wo hinten und wo vorne ist. Aber ich habe alles mal geordnet und werde hoffentlich fertig, bis ich Alzheimer bekomme (lacht).

Nimm aber doch bitte etwas vorweg und teile mit uns schon jetzt den schönsten Moment, den Du auf der Bühne hattest…

Oh, da gibt es natürlich sehr viele. Wacken 2007 war ganz toll, als wir mit drei Schlagzeugen und vielen Ex-Mitgliedern auf der Bühne waren. Die Busfahrt dorthin mit allen zusammen durch die Nacht und in Wacken anzukommen und mit dickem Kopf aufzuwachen, mit der großen Familie, also auch allen Ex-Leuten und dann diese gigantische Show zu spielen… Ich glaube das war schon so ein Wahnsinns-Highlight. Das kam ja später auch als DVD raus.

Auf welchen Festivals kann man DESTRUCTION in diesem Sommer erleben?

Erstmal gibt es da gerade den großen Neustart und so sind alle Clubs und auch Busunternehmen ausgebucht. Es wollen auch die Amis wieder in Europa touren, aber eine Tour kommt auf jeden Fall. Wir schauen gerade, was so geht. Der Zeitrahmen umfasst erstmal den Oktober und November. Die bestätigen Festivals sind bisher das “Baden Im Blut” mit der großen Anniversary-Show, das “Maryland Death Fest” in den USA, das “Into The Grave” in Holland, das “Copenhell”, worauf wir uns extrem freuen. Wir spielen auch auf dem “Graspop” in Belgien und auf dem Woodstock für Metal-Bands, dem “Hellfest”. So viele Bands auf einmal gab es glaube ich noch nie. An unserem Tag sind METALLICA Headliner, das hat man auch nicht jeden Tag. Dann kommt noch das “Vienna Metal Meeting” und ein paar weitere. Es sieht also ganz gut aus.

Gerade das Hellfest verspricht dieses Jahr ein beinah lückenloses Line-Up. Nimmst Du Dir bei so einer Gelegenheit auch mal einen Tag frei und genießt das Event als Fan?

Ich würde gerne länger dort bleiben, aber wir spielen erst am letzten Tag. Deshalb haben wir drumherum einen kleinen Lauf und gar nicht so viel Zeit. Unmittelbar davor sind wir beim “Abyss-Festival” in der Schweiz und beim “Midsummer-Festival” in Brandenburg. Also drei Shows an einem Wochenende. Normaler Weise bleibe ich aber schon gerne einen Tag länger, wenn es passt.

Wenn Du noch etwas loswerden möchtest, ist das jetzt Deine Gelegenheit!

Ich denke, wir freuen uns wirklich alle darauf, unsere Fans wiederzusehen. Wir haben zwei Jahre auf diese Verbindung, Energie und Liebe verzichten müssen. Das ist ja der Antrieb, all das auch weiterhin zu machen. Die Shows dieses Jahr werden bestimmt alle etwas ganz besonderes werden. Es wird auch großartig sein, die befreundeten Musiker und Techniker nach zwei Jahren zu treffen. Ansonsten – hört in die neue Platte rein. Ich denke, sie ist ganz gut geworden.

11.04.2022

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