Testament
Wir brauchen Bass!

Interview

Unter dem Motto „The Bay Strikes Back“ tourten TESTAMENT Anfang des Jahres mit EXODUS und DEATH ANGEL quer durch Europa. Beim Tourstopp in Oberhausen hatten wir die Möglichkeit ein Interview zur neuen Platte „Titans Of Creation“ zu führen. Nach einer kurzen Führung durch den Backstagebereich der Turbinenhalle erwartete uns Gitarrist Eric Peterson gut gelaunt im TESTAMENT-Tourbus.

Hey Eric, seit „Formation Of Damnation“ vergingen immer vier Jahre bis ihr mit TESTAMENT ein neues Album fertig hattet. Warum funktioniert dieser Zyklus für euch so gut?

Eric: Ich weiß gar nicht, ob es vier sind.

Vielleicht sind es diesmal auch dreieinhalb. „Brotherhood Of The Snake“ kam 2016 raus.

Eric: Dann kam „Brotherhood“ aber wirklich erst Ende 2016 raus. Da denken die Leute im folgenden Januar schon „Oh, das kam vergangenes Jahr raus“. Der Grund für die längeren Zeiten zwischen Alben ist schlicht, dass wir viel mehr Touren. Ich sehe das aber nicht unbedingt als Problem. Wir machen nach einem Album mindestens zwei Tourzyklen in Europa, inklusive Festivals. Dazu kommen dann noch zahlreiche Shows in den USA, Südamerika und Asien. Das braucht einfach seine Zeit. (lacht) Es sind also immer so drei bis dreieinhalb Jahre. In den 80ern war es noch anders. Da kamen unsere Platten im Jahrestakt. Es lief immer nach dem Muster Album-Tour-Album-Tour ab. Damals hatten wir alle noch kein Leben neben der Band. Wir kamen nach Hause, unser Clubhaus war unser Studio, dort machten wir ein Album, dann ging es wieder auf Tour.

Jetzt habt ihr alle Familien.

Eric: Genau, jetzt haben wir Familien, Autos zu pflegen und Rechnungen zu bezahlen.

„Brotherhood Of The Snake“ war ein sehr schnelles, aggressives Thrash-Album. Auf „Titans Of Creation“ hält sich dahingehend ein wenig zurück, um Platz für einen experimentelleren Sound zu machen.

Eric: Ich bin da nicht so sicher. Ich habe das Gefühl, es ist sogar härter als „Snake“. Klar, die typischen Thrash-Beats hämmern diesmal nicht so durch, aber es hat eine deutlich düstere Atmosphäre. Es ist einfach fieser. Aber ja, es gibt definitiv mehr Abwechslung.

Besonders der Bass sticht auf dem Album sehr hervor. Er ist äußerst präsent im Mix und bekommt auch kleinere Solopassagen wie im Intro von „Ishtar Gate“. Was hat dazu geführt, dass der Bass so eine prominente Stellung bekommen hat?

Eric: Viele unserer frühen Einflüsse wie BLACK SABBATH und IRON MAIDEN scheinen da durch. Aktuelle Thrash-Bands benutzen den Bass oft nur zur Untermalung. Steve DiGiorgio hat allerdings einen sehr prägnanten Anschlag. Irgendwie wurde uns das dieses Mal erst richtig bewusst. Dadurch klingen die Gitarren in meinen Augen auch gleich etwas besser. Die Instrumente agieren jetzt als Team und so sollte es sein. Im Jazz ist das immer so. Ich denke auch nicht, dass der Bass zu laut ist. Der Effekt ist eher „Oh, wow, da ist er ja, ich kann hören, was er tut“. Greg Christian sorgten auf früheren Alben eher für einen dunklen Unterton. Steve ist einfach präsenter. Nachdem er seine Spuren aufgenommen hatte, gingen wir den Mix wie immer an. Doch plötzlichen sagten alle: „Mach den Bass lauter.“ Wir haben eine gute Position für ihn gefunden.

Steve DiGiorgio war auch schon auf „Brotherhood Of The Snake“ dabei. Warum habt ihr es damals nicht schon gemacht?

Eric: Ich weiß nicht, vielleicht war sein Klang diesmal einfach besser. Wir haben etwas Zeit gebraucht, um das wirklich zu bemerken.

Mehr Abwechslung bei TESTAMENT

Seit „Dark Roots Of Earth“ spielst du auch vermehrt Gitarrensoli. Wie teilst du dir die Solopassagen mit Alex Skolnick auf?

Eric: Also ich für meinen Teil war stets eher der Rhythmustyp. Erst auf „Low“, „Demonic“ und „The Gathering“ hatte ich mir die Solopassagen öfter mit unserem damaligen Gitarristen James Murphy geteilt. Als Alex zurückkam dachte ich erst: „Ah, okay, dann bin ich jetzt wieder der Rhythmustyp“. Doch das muss ich nicht sein. Ich kann immer noch Soli spielen. Außerdem ist es spannender, wenn man nicht durchgehend den gleichen Gitarrenstil zu hören bekommt.

Es macht die Gitarrensoli abwechslungsreicher.

Eric: Genau! Solche Kleinigkeiten helfen einfach. Ich habe erst am Ende festgestellt, dass diesmal die Hälfte der Soli von mir stammt.

Mit „Symptoms“ befindet sich ein Song über psychische Krankheitsbilder auf dem Album. Warum war euch dieses Thema ein Anliegen?

Eric: Alex hat den Text geschrieben. Ich hatte ein wenig in die Richtung gedeutet, als ich ihm von einem Freund erzählte, der Probleme hatte. Als wir uns über Bipolare Störungen informierten, stießen wir auf einen Artikel mit der schlichten Überschrift „Symptoms“. Damit hatten wir den Titel.

Menschen, die unter psychischen Krankheiten leiden, werden in unserer Gesellschaft häufig zu Ausgestoßenen. Einige Menschen zweifeln die Existenz solcher Krankheiten sogar immer noch. Woran denkst du liegt das?

Eric: Die Menschen wollen einfach nicht verurteil werden. Aber jeder hat sein Kreuz zu tragen. Ich habe selbst manchmal solche Probleme. Ich sollte vielleicht etwas dagegen tun, aber mache es nicht. Warum? Kann ich schlecht erklären.

Ist der Text also in gewisser Weise autobiografisch beeinflusst?

Eric: Es geht eher darum, auf das Problem aufmerksam zu machen. Alex hat da einfach seine Sicht der Dinge geschildert.

Kommen wir zu einem weiteren Song. „Ishtar Gate“ ist das achte Tor des achten Stadtrings Babylons. Warum habt ihr dem einen Song gewidmet?

Eric: Die Musik schrie einfach danach. Wenn wir über Themen für mögliche Texte suchen, machen wir die Musik an und sie malt das Bild für uns. „Ishtar Gate“ erinnert mit seinen Tonleitern sofort an den mittleren Osten. Wir waren mit TESTAMENT auch einmal im ehemaligen Babylon und mich erinnerte es einfach daran. Wie gesagt, manche Songs geben den Text einfach vor. „WWIII“ zum Beispiel war auch so ein Fall. „Children Of The Next Level“ hat eine Menge Wechsel und Variationen in den Gitarren und brauchte eine abenteuerliche Geschichte. Bei vielen Songs schauen wir einfach, was die Musik uns sagt.

Die Menschheit als Überbau

Und wie ist es mit Songs, bei denen das nicht so läuft? Gelingt es euch bei TESTAMENT immer, Musik und Texte so eng miteinander zu verknüpfen?

Eric: Nein, „The Healers“ ist ein Beispiel, in dem der Gesang eher in Richtung Hardrock geht und die Musik in Richtung Death Metal. Aber irgendwie funktioniert es trotzdem. (lacht)

„Code Of Hammurabi“ ist ebenfalls von der babylonische Kultur inspiriert. Warum habt ihr dem gleich mehrere Songs gewidmet? Gibt es vielleicht einen thematischen Überbau für das ganze Album?

Eric: Der Song ist von Alex. Es war ganz witzig. Ich hatte ihm von „Ishtar Gate“ erzählt und er sagte: „Oh, ich arbeite gerade an etwas über die babylonischen Gesetze.“ Anstatt zu sagen: „Hey, wir haben schon einen Song darüber“, haben wir uns dazu entschlossen, noch eine Geschichte aus dieser Zeit mit auf das Album zu nehmen. Ich finde das ziemlich cool, weil es zwei verschiedene Teile einer Kultur reflektiert. Irgendwie geht es um das gleich, aber andererseits auch nicht.

Es ist aber nicht so, als stünde das als Konzept hinter „Titans Of Creation“?

Eric: Der Albumtitel bezieht sich auf die Entstehung der Welt und die Entwicklung der Menschheit. Es geht darum, wie sich unsere Gesellschaft und unsere Gesetze entwickelt haben. Die Song repräsentieren unterschiedliche Teile des menschlichen Wesens und seiner Geschichte.

Die Menschheit als solche wäre also das übergeordnete Thema der Platte.

Eric: Das kann man so sagen.

Wie ist das Artwork damit verbunden?

Eric: Es zeigt, was in unserer DNA steckt und wie die Götter manchmal über uns lachen. Das hat aber eher einen Fantasyeinschlag und ist inspiriert von der Vorstellung, dass Götter die Welt erschaffen haben. Es zeigt unsere Version davon.

Um welchen „False Prophet“ geht es in dem besagten Song?

Eric: Das kann ich nicht beantworten. Aber wenn das Album rauskommt, werden die Fans im Booklet Erklärungen zu allen Songs finden. Dafür haben wir auch Fakten gesammelt und lassen Leute zu Wort kommen, die mehr Ahnung haben als wir selbst. (lacht)

Wie kamt ihr darauf, die Songs ausführlich im Booklet zu erklären?

Eric: Das Label kam damit um die Ecke. Sie machten sich um die Gestaltung Gedanken. Jeder von uns bekommt seine eigene Seite und ist einem Element der Schöpfung zugeordnet. Ich bin das Feuer, Alex steht für die Luft und so weiter.

Wart ihr bezüglich dieser Erklärungen erst skeptisch? Viele Musikerinnen und Musiker mögen es ja eher nicht, ihre Kunst zu erklären.

Eric: Ja, aber es geht eher darum, Fakten abzubilden. Es geht nicht darum, zu erklären, woher die Ideen kamen.

TESTAMENT sehen eine reale Bedrohung

Du hast vorhin schon „WWIII“ erwähnt. Glaubst du, dass uns der Dritte Weltkrieg bevorsteht oder ist es eine dystopisch Science-Fiction-Geschichte?

Eric: Es ist realer als das, was du gerade andeutest. Nordkorea kündigt an, dass sie Raketen haben, die die USA erreichen können und testen diese. Die USA feuern Raketen ab. Wir sind keine politische Band. Es geht uns nur darum, zu zeigen, dass diese Bedrohungen real sind.

Hat die dieses Jahr anstehende Präsidentschaftswahl in den USA und das bei euch herrschende politische Klima einen Einfluss auf „Titans Of Creation“ gehabt?

Eric: Nein, denn wie schon gesagt, wir sind keine politische Band. Wären wir eine, würden wir den Leuten sagen, wie die Dinge unserer Meinung nach zu laufen haben. Es geht mehr darum, die Probleme aufzuzeigen und in Frage zu stellen. Als Menschen dieser Welt müssen wir uns fragen, wie es weitergehen soll. Wir sind ganz sicher keine Band, die sagt „Oh yeah, wir sind Amerikaner“. Wir gehören zur Metal-Gemeinschaft. Wir touren weltweit. Wir überschreiten Grenzen, denn Metal ist ein weltweites Phänomen.

Mir ist aufgefallen, dass ihr wieder mit Juan Uerteaga und Andy Sneap für den Sound und Eliran Kantor für das Artwork gearbeitet habt. Alle drei sind seit „Formation Of Damnation“ Teil eures Teams. Seitdem erschienen auch alle TESTAMENT-Platten via Nuclear Blast.

Eric: Wenn etwas funktioniert, warum sollten wir es ändern? Ich bin ein großer Teil des Prozesses hinter der Band. Ich bin ein loyaler Typ und wenn etwas funktioniert, dann funktioniert es eben.

Hast du nie Angst, dass diese Art der Routine…

Eric: Nein! Wir peitschen uns selbst immer vorwärts. Wir machen ja nicht jedes Jahr ein Album, sondern alle drei oder vier Jahre, wie du gesagt hast. Wenn wir zusammenkommen, wollen wir nur das Beste aus uns rausholen. Das Leben ist hart, aber TESTAMENT sind härter.

27.03.2020

"Irgendeiner wartet immer."

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