Woburn House
Interview mit Christian Kolf zu Sleep Summer Storm

Interview

Woburn House

Mit „Sleep Summer Storm“ haben WOBURN HOUSE eines der gefühlvollsten Alben des Jahres abgeliefert. Auf Album Nummer drei hat sich die zu einem Duo geschrumpfte Band etwas umorientiert und bietet trotz der dargebotenen Introviertiertheit Material das bewegend ist. Wir sprachen mit Christian Kolf (u.a. ISLAND, OWL, VALBORG) über das Album, WOBURN HOUSE, das Zeitgeister-Kollektiv und andere Dinge, aber lest selbst.

Du hast mir gesagt, dass du das Gefühl hattest, meiner Rezension merke man an, dass mich das Album echt begeistert hat und ich es nicht nur so sage, sondern ehrlich gut finde. Wie ist das gemeint, gerade im Zusammenhang mit anderen Rezensenten, entsteht da oft der Eindruck die Leute finden’s nicht wirklich gut, wollen es aber so nicht sagen?

Das Leben ist leer. Ich schreibe Musik weil ich es brauche. Und ich mache das nicht nur für mich. Ich brauche die Bestätigung durch Menschen. Ich habe bei vielen Reviews oft das Gefühl, dass die Leute es gut finden, mehr aber auch nicht. Das ist zwar nicht schlecht, aber mir bringt es meisten etwas, wenn ich das Gefühl zurück bekomme die Menschen auch bewegt zu haben. Ich mache ja keine Spaßmusik. Im Kern geht es um schwere Gefühle. Musik sollte nicht oberflächlich sein. Aber oft ist es das. Spießig und oberflächlich. Niemand interessiert sich wirklich dafür. Wie auch? Es gibt soviel gute Musik. Naja, deswegen. Ich hab mich gefreut, dass Dir die Platte richtig gefällt. Das gibt mir das Gefühl, dass nicht alles so sinnlos ist und das ich mit meinen Gefühlen nicht falsch liege. Die Platte bedeuted mir sehr viel und ich wußte , dass ich da etwas bedeutungsvolles mache. Für mich bedeutungsvoll. Aber wie schon gesagt, die Menschen wirklich zu bewegen, das ist der einzig wahre Preis.

Du sprichst es dabei ja schon an, das Album ist voll von Gefühlen und erfasst dabei, wie ich finde, ganz verschiedene Stimmungen, die nicht zwangsläufig nur negativ sind. Was deckt ihr deiner Meinung nach an Gefühlen für euch selbst ab, und welche Erwartungen stellt „Sleep Summer Storm“ an den Hörer?

Jeder kann sich gerne dazu denken, was er möchte, und im besten Fall die Texte auf sich selbst beziehen. Selbst Florian (u.a. ISLAND, KLABAUTAMANN, VALBORG) weiß noch nicht mal, wovon diese handeln.

Die letzten beiden Platten sind als Band entstanden. Im Proberaum. Die Songs wurden erjammt. Bei „Sleep Summer Storm“ habe ich die Musik alleine geschrieben. Wir haben uns nur getroffen, um die Songs zu arrangieren. Danach war ich wieder alleine. Deswegen ist die Platte auch sehr persönlich. Jeder Song hat seinen eigenen Tag mit seiner eigenen Stimmung.

Ich möchte an dieser Stelle gerne noch mal auf etwas eingehen, das du oben erwähnt hast. „Sleep Summer Storm“ kam, soweit ich das bislang überblickt habe, sehr gut an. Du sagtest ja, du brauchst diese Bestätigung und sie verleiht deinem „Tun“ Sinn. Erfüllt es dich daher mit Stolz, diese Bestätigung zu erfahren, und was hältst du von Aussagen, die einige Bands des öfteren formulieren, sie machen die Musik nur für sich und ihnen ist die Reaktion darauf egal?

Ich brauche nicht die Bestätigung durch Reviews, sondern durch die Menschen. Ich sehe Dich nicht als Rezensent, sondern als Menschen. Das Du für metal.de schreibst, ist für mich zweitrangig. Wir schicken die CD nur an Magazine um sie zu bewerben. Aber ich überlege auch schon ob ich es demnächst lassen werde. Zumindest bei Projekten dir mir zu heilig für dieses Theater sind. Denn jedes belanglose Review ödet mich an. Aber ich lese mir den Scheiß trotzdem durch und ärgere mich darüber, wenn irgendein Honk sich als „Musikkritiker“ versteht und nur Müll schreibt. Wen interessiert da die persönliche Meinung? Ich weiß, das ist ein schmaler Grad. Aber so ist es nunmal. Ich stecke in meine Musik Blut, Schweiß und Tränen, neben Geld und Zeit. Es geht um die Sache, dass Leute nicht richtig kritisieren können. Die deutsche Art. Erstmal draufhauen. Anstatt vielleicht einfach mal die Schnauze zu halten, wenn man nichts zu sagen hat. Es ist halt ein Theater. Jedes schlechte Review ist Werbung. Muss wohl so sein.

Und zu den Bands, die sagen, sie machen die Musik für sich. Ich denke bei den meisten ist das auch so, aber ich denke, dass viele doch an der Reaktion interessiert sind. Mag sein, dass es Menschen gibt, bei denen das nicht so ist. Aber was weiß ich schon.

Okay, verlassen wir das Gebiet mal und konzentrieren uns auf WOBURN HOUSE. Zum einen seid ihr von einem Trio zu einem Duo geschrumpft und zum anderen, du hast es ja schon erwähnt, bist du für die Kompositionen allein verantwortlich. Warum hat sich das Line Up und auch die Arbeitsweise geändert?

Ja, gut. Das da oben ist auch nicht sonderlich wichtig.

Fabian ist irgendwann nach Hamburg gezogen. Danach habe ich schon angefangen, Lieder zu schreiben. „A Simple Man“ zum Beispiel. Der Song stammt von 2007, wenn ich mich recht erinnere. Nach Fabians Ausstieg lag die Band mehr oder weniger auf Eis. Ich habe mich dann erstmal um VALBOG gekümmert und unser Album „Glorification of Pain“ aufgenommen. Nach der Platte ist Florian bei VALBORG als Drummer eingestiegen, und damit war WOBURN HOUSE erstmal gegessen. Um Frühjahr 2009 rum stand ich alleine im Proberaum und habe „Willow“ geschrieben. Da ging eigentlich alles los. Ich habe Florian davon berichtet. Wir haben uns getroffen und ein erstes Demo von dem Song angefertigt. Und nach dem Prinzip haben wir weitergearbeitet. Insgesamt haben wir für die Platte nur fünf- oder sechsmal geprobt.

Ich find das oben durchaus interessant, aber das jetzt ist natürlich wichtiger.

Aber daran gleich anschließend, ich weiß, es klingt wie eine Standardfrage, ich finde sie in eurem Fall aber sehr interessant. Wie haben sich WOBURN HOUSE im Vergleich zu den Vorgängeralben entwickelt, und lässt sich sowas überhaupt an etwas Spezifischem festmachen?

Der Haupteinfluss war sicherlich der ganze Abstand, dass wir keine richtige Band mehr waren und nicht regelmäßig geprobt haben. Die Musik kam immer zu mir, und ich habe nicht danach gesucht. Was wir davor gemacht haben, war nicht mehr wichtig. Abstand schafft Freiheit und Kreativität. Wir hätten so eine Platte niemals als Band schreiben können und schon gar nicht im direkten Anschluss an die zweite Platte.

Wir haben uns einfach über die neue Musik gefreut und gespürt, dass wir gute und besondere Songs schreiben. Florian hat mich angetrieben. Auch da wieder der „Mensch“. Ohne ihn wäre es nicht WOBURN HOUSE. Und ohne seine Anteilnahme wäre die Platte niemals so geworden.

Ich will an dieser Stelle tatsächlich mal kurz darauf hinaus, wie mein erster Eindruck vom Album war. Ich habe die CD in den Player gelegt und bin aus dem Zimmer gegangen, um etwas zu holen, als ich wieder hineinkam erklangen die ersten Töne von „Willow“ und ich war sofort sprachlos, fasziniert und vereinnahmt. Es wundert mich, dass sich das im Review so widerspiegelt, da ich den Eindruck hatte, es gar nicht in Worte fassen zu können. Kannst du zumindest versuchen zu erklären, wie „Sleep Summer Storm“ einen gleichermaßen introvertierten und persönlichen Charakter hat, mich als Hörer aber auch so intensiv berühren und mitreißen kann?

Ich weiß es nicht. Ich glaube, das liegt an Dir selbst. Ich denke, es gibt genug Menschen, die gar nichts mit der Musik anfangen können.
Wenn ich Musik schreibe, dann mache ich das erstmal für mich. Und denke an niemand anderen dabei. Keine Gefühlsverfälschung. Ich denke, dass auch da der Abstand einen großen Einfluss hatte.

Ich war sehr ernst bei der Sache. Wir hätten auch einfach keine Platte aufnehmen brauchen. Die Musik ist von selbst gekommen, und nichts wurde erzwungen.


Sprich: sie ist aus dem Bauch heraus und ehrlich? Vielleicht ist es ja gerade das, was so spannend bei der Geschichte ist.

Ja genau. Völlig aus dem Bauch. Der Kopf war aus. Augen zu und fühlen.

Woburn House

 

Okay, kommen wir mal zum Cover, das – ich denke, da braucht es keine näheren Erklärungen – sehr gut zur Musik und dem transportierten Inhalt passt. Aber wie wichtig ist dir als Musiker eben auch die Verpackung, sprich Artwork und Produktion bei deiner Musik?

Sehr wichtig. Bei schlechten Artworks kriege ich das Kotzen. Und: Schlechte Artworks in den 90ern, das war noch was anderes als heute. Ich kann diese Photoshop-Scheiße nicht mehr sehen. Und Bands, die meinen, das wäre nicht so wichtig, haben etwas Grundlegendes nicht verstanden. Manchmal liegt es ja einfach am Geld. Aber man kann auch mit wenig Mitteln tolle Sachen erschaffen. Bloß viele denken ja, man muss genauso ein geiles Artwork machen, wie ihre Lieblingsband. Oder jeder, der in Photoshop ein paar Fotos zusammenmatscht, denkt, er wäre Travis Smith. Es ist aber überall so. Die gleiche Sache. Qualität ist nicht mehr wichtig. Niemand hat mehr Geld oder Zeit für sowas.

Ich glaub, da triffst du ein grundlegendes Problem, ich habe oft das Gefühl, es wird Leuten zu leicht gemacht, Musik zu veröffentlichen und zu produzieren, und man wird quasi überflutet, muss sich aber deutlich mühsamer, die Perlen herauspicken. Beschäftigst du dich selber noch intensiv mit dem musikalischen Geschehen abseits deiner Bands, oder setzt du vermehrt auf Klassiker, die sich eh schon in deiner Sammlung befinden?

Überflutung ist ein Problem. Es gibt zuviel. Aber es wird nichts dran ändern, dass es dort doch immer neue Juwelen gibt, die herausstechen. Das finde ich persönlich interessant. Damit es wirklich einschlägt, muss man Musik machen, die im besten Fall den Bauch von 15-22jährigen anspricht. Es gibt Bands, die werden alleine durch das Internet dick. Das heißt ja, dass sie irgendwas machen, was viele Menschen anspricht. Eine Kombination aus Bandnamen, Mensch und Musik. Die Musik muss immer noch gut sein. Viele Bands machen einfach keine gute Musik, es wird trotzdem veröffentlicht, weil es auch viele Leute gibt, die gerne ein Label haben wollen. Und so weiter. Die Kraft der Musik hört nicht auf, sie bewegt viele Menschen. Aber sie verarscht auch viele Menschen. Diese ganzen Illusionen. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite Verarschung, auf der anderen Seite Antrieb. Die neuen technischen Möglichkeiten bringen total viel, können aber auch für Qualitätsverlust sorgen.

Interessant finde ich die ganze Djent-Bewegung. Da sind Bands einfach durch das Internet dick geworden. Jetzt passiert mehr und mehr. Die Labels stürzen sich auf ein paar Bands.

Ich stürze mich nicht nur auf Klassiker. Wenn neue, jüngere Bands richtig gute Musik machen, dann finde ich das supercool. Aber da spricht mich nicht so viel von an. Ein paar Djent-Bands… die haben aber meistens alle mein Alter. Ansonsten kann ich nur Lantlôs erwähnen. Ich habe etwas Kontakt mit dem Mastermind. Sehr netter Zeitgenosse. Aber auch da: Wieder der Mensch. Ist total wichtig. Erst durch den Kontakt wurde ich so richtig von der Musik angefixt. Ich werde langsam alt. Aber gerade deswegen will ich nicht mit Scheuklappen durch die Gegend rennen. Ich finde es auch total dämlich, wenn Leute sich immer nur rückwärts orientieren. Aber jeder soll machen, was er will.

Das bringt mich, oh Wunder, zu Zeitgeister, ihr seid ja quasi alle in unterschiedlichen Bands aktiv und ein recht überschaubarer Personenkreis. Welche Vorteile bietet euch quasi das Label (von Florian, oder?), und kam nie der Gedanke auf, auch mal bei anderen Plattenfirmen mit der einen oder anderen Band anzuklopfen, für die Qualität eurer Musik gibt’s ja selbst objektives Lob von jenen, die subjektiv nicht viel damit anfangen können.

Doch, wir klopfen hin und wieder bei Plattenfirmen an. Ich würde auch nicht sagen, dass wir uns total davor verschließen. Sleep Summer Storm wäre fast auf Paradigms (http://www.paradigms-recordings.com/) rausgekommen. Aber es muss halt passen. Persönlich und künstlerisch. Gerade bei kleineren Labels. Und da ist es oft so, dass wir es genauso gut selbst rausbringen können. Wir würden auch gerne mit größeren Labels zusammenarbeiten, aber laut deren Aussage, sind wir wirtschaftlich nicht so interessant.

Je größer der Betrieb, desto mehr spielt Geld eine Rolle. Was sich einfach gut anfühlt, ist, dass man alles selbst macht. Das gibt der ganzen Sache ein wertvolles Gefühl. Zeitgeister sind ein Kollektivlabel. Der Kern besteht aus Florian, Jan Buckard und mir. Florian ist für die Außenarbeit zuständig, Jan für die Grafik und ich für das Technische im Hintergrund.

Ich selbst kann ja mit vielen Bands aus dem Zeitgeister-Kollektiv auch nicht so viel anfangen, da ich aber mit einer ziemlich begeisterten Hörerin zusammenlebe, die sich beinahe alles, was bei euch erscheint, zeitnah zulegt, komme ich des öfteren in den Genuss und habe einen ungefähren Überblick. Was mir dabei aufgefallen ist, ihr seid alle sehr facettenreiche Musiker, die Bands klingen alle sehr anspruchsvoll und von Emotionen geleitet. Dennoch, wie bekommt ihr das hin, in derart kurzer Zeit so viel Kreativität zustande zu kriegen, ohne dabei wirkliche Schnellschüsse zu fabrizieren?

Ich schreibe, weil ich es muss. Da steckt keine Absicht dahinter. Es passiert einfach.

Und wie geht es mit WOBURN HOUSE weiter? Es klingt ja alles recht spontan und ungeplant, eher von deinem persönlichen Befinden abhängig, darf man auf einen „Sleep Summer Storm“ Nachfolger hoffen?

Dazu kann ich jetzt noch gar nichts sagen. Die Platte ist frisch draußen. Momentan habe ich alles gesagt, was ich sagen wollte. Schauen wir einfach, was das Leben so bringt. Die Musik muss von selbst kommen. Erzwingen werde ich nichts.

Alles klar, ich denke, das kann man gut als Schlusswort stehen lassen. Ich danke dir vielmals für das Interview und überlasse dir die vorerst letzten Worte

Der Dank geht an Dich für Dein Interesse und an alle Leser dieses Interviews!

05.12.2011

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