
Wucan
„Musik ist ja eigentlich immer so eine Art Upcycling, oder?“
Interview
WUCAN stehen mit ihrem vierten Album „Axioms“ in den Startlöchern. Wir haben uns Gitarrist Tim zum ausführlichen Plausch geschnappt, bei dem er uns Aufschluss über den Entstehungsprozess und die Arbeitsweise seiner Band gibt. Außerdem hebt er auch nochmal die große Bedeutung von Kraut- und Ostrock für den Sound von WUCAN hervor, gibt einen Einblick in seine persönlichen musikalischen Vorlieben und präsentiert sich dabei als sympathischer, aufgeschlossener Musik-Nerd.

Wucan – Axioms
Hi Tim, danke erstmal für das Interview. Wie ist die Stimmung bei euch so kurz vor der Veröffentlichung des neuen Albums, seid ihr schon aufgeregt?
Also diese Anspannung, die erstmal abgeklungen ist, das war vor allem nach den Aufnahmen. Jetzt gerade ist es so ein bisschen Sommerloch, weißt du? Alle sind so ein bisschen entspannt und machen jetzt erstmal wieder ihre Sachen und ich glaube, richtig spannend wird es dann so zwei Wochen vorher, wenn wir wissen: Okay, jetzt geht es in die heiße Phase. Dann kommt ja auch die große Tour und das alles. Es ist noch viel Arbeit, da hat man gar nicht so richtig Zeit, aufgeregt zu sein.
Ihr habt ja auch schon ein paar der neuen Stücke live gespielt. Wie waren denn die Resonanzen bisher und welcher Song kam am besten an?
Ich habe jetzt keine richtigen Statistiken, aber für unsere letzte Single die wir rausgebracht haben, „Holz auf Holz“, da gab es richtig viele positive Stimmen. Also da war ich dann doch sehr überrascht, weil ich den nicht so stark eingeschätzt hätte, aber der kam super gut an.
Live war bisher die Reaktion eher so aufs Ganze bezogen. Also was besonders gut hervorgehoben wurde, war, dass wir diesen Weg vom vorherigen Album weitergeführt haben und da sind wir auf jeden Fall auch sehr stolz drauf auf die Weiterentwicklung und dass jetzt unser Liveset wieder erweitert werden kann, damit man auch eine neue Kombination finden kann, neue Shows entwerfen kann, weil es einfach nicht langweilig wird.
Es scheinen euch in den letzten Jahren ohnehin viele Leute über eure Live-Auftritte entdeckt zu haben. Ich habe jedenfalls schon öfter von Leuten gehört, die mit Classic- oder Retro Rock nicht viel anfangen können, euch dann aber zufällig bei einem Festival gesehen haben und total begeistert waren. Kriegt ihr auch entsprechendes Feedback und ist das ein Eindruck, den du bestätigen kannst?
Genau, also ich habe auch das Gefühl. Ich höre selten Leute, die sagen, dass sie uns übers Internet entdeckt haben. Die meisten Leute entdecken uns halt entweder über Freunde oder über Konzerte. Besonders Festivals sind natürlich immer super, wenn man dann ein durchmischtes Publikum hat, vielleicht auch nicht das Publikum, was man normalerweise so anspricht, und die dann trotzdem überzeugen kann.
Was teilweise beim Metal-Publikum auch immer etwas schwieriger ist als, sage ich mal, bei den Bluesern oder beim Psychedelic-Rock, aber auch da funktioniert das immer erstaunlich gut. Ja, auch die Aufnahmen von den Live-Konzerten, also gerade die ganzen Rockpalast-Geschichten, da stoßen auch sehr viele Leute immer wieder drauf und sprechen uns darauf an.
Würdest du euch denn eher als Live-Band oder eher als Studio-Tüftler bezeichnen?
Ach, also ich spiele viel, viel lieber live. Also Studioarbeit ist schön, aber es ist so viel Detailarbeit. Und man muss eigentlich noch hundertmal präziser spielen auf einer Aufnahme als live, wo einfach auch manchmal ein bisschen die Energie mehr zählt, als dass man jetzt jede Note hunderprozentig trifft, weil das dem Publikum dann am Ende auch egal ist. Und das macht natürlich Laune und lässt sich einfach im Studio nicht reproduzieren.
Also ja, vielleicht wenn du Glück hast beim ersten Take und wenn der dann passt, dann hast du natürlich den Jackpot, aber wenn du den Song dann irgendwie zum zehnten, zum zwanzigsten Mal gespielt hast, dann ist halt auch die Energie einfach raus und das ist dann irgendwann mehr Arbeit als Freude.
Dann sprechen wir doch mal übers Album. Der Titel „Axioms“ bezeichnet ja gewisse unumstößliche Grundsätze, die nicht bewiesen werden müssen. Auf dem Cover ist wiederum ein Anzugträger zu sehen, dessen Maske ihm quasi vom Gesicht fließt und auch einige der Texte sind klar gesellschaftskritisch bzw. politisch gefärbt. Eine Reaktion auf die aktuelle Weltlage, in der ja gefühlt täglich eigentlich festgeschriebene Grundsätze über den Haufen geworfen werden?
Das ist ein interessanter Interpretationsansatz. Ich bin mir nicht ganz sicher, der Titel war hauptsächlich von unserer Sängerin vorgeschlagen, auch weil es natürlich ein Song auf unserem Album ist. Ja, im Großen und Ganzen, was du sagst, trifft das schon ganz gut.
Es gibt natürlich viele Grundsätze, die man für unumstößlich hält und die sich dann im Leben nicht als so unumstößlich herausstellen und gerade die letzten Jahre, also ich weiß nicht, vielleicht kommt es mir nur so vor, aber irgendwie habe ich das Gefühl, es wird alles immer wilder und man hat immer weniger, auf das man sich verlassen kann.
Einfach auch solche Geschichten wie künstliche Intelligenz und Fakes und Fake News und alles, was da im Internet unterwegs ist. Es ist schwierig hier überhaupt noch den Überblick zu behalten: Was ist jetzt Wahrheit, was sind die Fakten?
Für mich ist die einzige unumstößliche Wahrheit immer die Musik gewesen. Da ist etwas daran, wo ich mich auf jeden Fall dran festhalten kann, auch wenn man manchmal die Musik von den Künstlern trennen muss, weil auch manche Künstler sich dann als nicht so tolle Menschen herausstellen, das ist dann leider auch so. Aber ja, das passt ganz gut zusammen.
Würdest du „Axioms“ denn als politischstes bzw. gesellschaftskritischstes Album bezeichnen?
Ich habe es gar nicht gezählt, also ja, Frances schreibt bei uns 100% der Texte und ich hatte auch das Gefühl, dass sie hier jetzt weniger auf persönliche Dinge eingegangen ist, was natürlich trotzdem immer wieder auch ein Teil ist. Selbst in den politischen Songs sind das ja auch persönliche Erlebnisse, die einen dazu bringen, überhaupt darüber zu schreiben und gerade in Sachsen kann man dem Ganzen ja auch kaum aus dem Weg gehen.
Uns ist das als Band auch einfach wichtig, jetzt nicht zu sagen, wir sind eine reine Unterhaltungsgruppe, sondern auch zu sagen, wir haben halt einen Standpunkt. Wir sind jetzt keine extreme Band, was das angeht. Ich finde da gehört immer so ein bisschen gesunder Menschenverstand zu, so normale Sachen, wie man miteinander umgehen sollte. Aber auch das ist so ein Fakt, den ich jetzt mittlerweile nicht mehr für gegeben hinnehme. Ja, ich habe das Gefühl, unser Weg wird auf jeden Fall darauf hinlaufen, noch mehr auf unsere Gesellschaft einzugehen, mehr darüber zu schreiben.
Galerie mit 18 Bildern: Wucan - Rock Hard Festival 2023

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