Dark Tranquillity - Construct

Review

Die schwedischen Melodic-Deather DARK TRANQUILLITY sind nun schon seit über zwanzig Jahren aktiv und zählen längst zu den Institutionen eines vielfältigen und nach wie vor populären Genres. Die mittlerweile zum Quintett geschrumpfte Truppe (Bassist Daniel Antonsson verließ unlängst die Band) hat mich in der Vergangenheit immer wieder mit hochwertigen Releases überrascht – Probleme bei Ideenfindung und Kreativität schienen die Musiker um Frontmann Mikael Stanne jedenfalls nie gehabt zu haben. Erst mit dem deutlich schwächeren letzten Studiowerk „We Are The Void“ bekam das Image der Schweden für meine Wahrnehmung erste Risse. Es ist bis heute die einzige Scheibe der Band, die sich nicht in meinem Besitz befindet – zu hölzern sind die Arrangements, zu unkreativ die Songs in meinen Augen. Dennoch blickte ich dem neuen Studiowerk „Construct“ mit Vorfreude entgegen und stellte mir gespannt die Frage, ob DARK TRANQUILLITY auf ihrem zehnten Langspieler wieder an ihre alten Stärken anknüpfen können.

Um es vorwegzunehmen: „Construct“ enttäuscht mich auf ganzer Linie. Und so bitter das klingt – man muss wohl langsam aber sicher die Frage stellen, ob die Schweden ihren Zenit anno 2013 überschritten haben. Denn die hier dargebotenen zehn Songs bieten kaum noch etwas von der Energie und der Dynamik vergangener Tage. Generell sind die Kompositionen insgesamt merklich langsamer und simpler gehalten. Nur gelegentlich blitzt dabei noch jene Filigranität der Gitarrenfraktion Henriksson / Sundin auf, für die ich die Band bislang schätzte. Und nur noch phasenweise brechen die Schweden aus dem melodischen und songschreiberischen Standard-Raster aus. Anders formuliert: Überraschungsmomente, wie beispielsweise „The New Build“ auf dem 2005er Albums „Character“, finden sich nicht auf der Platte. Die einzelnen Tracks heben sich zudem kaum voneinander ab – was unter anderem auch daran liegt, dass man in vielen Stücken (u.a. „The Science Of Noise“, „Uniformity“, „The Silence In Between“) auf die mehr oder weniger gleichen Tonfolgen zurückgreift. Zudem kann mich der auf „Construct“ wieder verstärkt eingesetzte Clean-Gesang von Mikael Stanne nur phasenweise überzeugen.

Die wohl schlechteste Einzelleistung innerhalb der kollektiv schwachen Performance liefert aber Drummer Anders Jivarp ab. Der Mann, der generell noch nie für besondere Versiertheit und Groove bekannt war, vermag es auf „Construct“ nicht, den Songs durch innovative Rhythmusarbeit an den Kesseln ein belastbares Gerüst zu verleihen. Insbesondere in den langsameren Tracks wie „None Becoming“ oder „State Of Trust“ wirkt der Schlagzeuger arg hölzern und eindimensional.

Was man „Construct“ allerdings nicht absprechen kann, ist die gelegentlich düstere Grundstimmung, welche Songs wie der Opener „For Broken Words“ oder „Uniformity“ transportieren. Das allein reicht in meinen Augen aber nicht, um über Gesamtlänge eines Albums zu überzeugen. Denn DARK TRANQUILLITY waren für mich – wie eingangs erwähnt – immer eine Band, die insbesondere für herausragende und vor allem innovative Gitarrenarbeit steht. Davon findet sich kaum noch etwas im Sound der Schweden, am ehesten vielleicht noch im etwas flotteren „Apathetic“. Eine Ursache für die deutlich abgespeckten Saiten-Arrangements könnte sein, dass Gitarrist Martin Henriksson diesmal nicht am Songwriting-Prozess beteiligt war.

Aber auch die Abmischung von Jens Bogren lässt jegliche Ecken und Kanten vermissen – ironischerweise passt sie so ganz gut zur lauen Platte. Ich verlange von Stanne & Co natürlich nicht, dass sie versuchen, Killerplatten wie „Fiction“ und „Character“ zu kopieren. Andererseits ist das Experiment „Weniger ist mehr“ in meinen Augen ebenfalls grandios gescheitert. DARK TRANQUILLITY stehen nun am Scheideweg – schafft es die Band noch einmal, alle Kräfte zu bündeln und die Szene mit einem weiteren Meilenstein zu beglücken – oder versinkt man in der musikalischen Bedeutungslosigkeit? Was „Construct“ angeht, halte ich zweiteres derzeit für wahrscheinlicher – leider.

22.05.2013
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