Deep Purple - Turning To Crime

Review

Als Ursuppenköche des klassischen Hardrocks benötigen die alten Haudegen von DEEP PURPLE wohl keinerlei Vorstellung. Man könnte auch das Alte Testament erklären, obwohl doch jeder weiß, was es damit auf sich hat. Nach gefühlten zweitausendfünfhundert Releases – die meisten davon wahrscheinlich Greatest-Hits-Compilations – gibt es nun ein neues Studioalbum zu hören, das ausschließlich aus Coverversionen besteht und mit dem Titel „Turning To Crime“ aufwartet.

DEEP PURPLE offenbaren selbstironischen Mut zur Hässlichkeit

Das erneut von Bob Ezrin produzierte Werk besteht aus zwölf Songs und fällt zunächst durch sein (fast) farbloses Cover-Artwork auf, das Ian Gillan und Co. in Verbrecherpose mit selbstironischem Mut zur Hässlichkeit zeigt. Der Produktionsprozess des Sammelsuriums wurde dadurch erschwert, dass es pandemiebedingt keine Möglichkeit gab, persönlich zusammenzukommen. Also wurde „aus der Ferne“ gearbeitet.

Die Band – seit 20 Jahren in Mk-VIII-Besetzung mit Gillan, Morse, Airey, Glover und Paice – entschied sich im vergangenen Jahr, drei Appetizer als Vorboten des Albums vorauszuschicken: Im Oktober erschien zunächst eine Coverversion von „7 And 7 Is“, einem Song der US-amerikanischen Psychedelic-Rocker LOVE aus dem Jahr 1966. Kurz darauf folgte „Oh Well“, originär von FLEETWOOD MAC, gefolgt von dem Gute-Laune-Macher „Rockin‘ Pneumonia And The Boogie Woogie Flu“ von Huey „Piano“ Smith, einem bedeutenden Rhythm-&-Blues-Pianisten der 1950er- und 1960er-Jahre. Diese sicher nicht anspruchslosen Songs wurden inspiriert umgesetzt und handwerklich bemerkenswert interpretiert. Insbesondere die Gitarrenarbeit von Steve Morse bei „Oh Well“ ist ein echter Ohrenschmaus. Der Wiedererkennungswert seiner Klampfe ist nach wie vor exorbitant, schon hierfür sind Pluspunkte fällig.

Für fast jeden Geschmack ist etwas dabei

„Jenny Take A Ride!“, eine flotte Nummer von Mitch Ryder & The Detroit Wheels von 1970, wird ebenfalls höchst beachtlich intoniert. Wer glaubt, dass Ian Gillan mit seinen zarten 76 Jahren nicht mehr ganz bei Stimme ist, wird hier eines Besseren belehrt. Mit „Shapes Of Things“ wird zudem ein echter Klassiker neu verarbeitet. Der Song der YARDBIRDS von 1965 wurde unter anderem von NAZARETH, David Bowie und dem legendären Gary Moore gecovert; DEEP PURPLE sind hier also in bester Gesellschaft. Und dass die Hardrock-Kings auch Country können, beweisen sie mit „The Battle Of New Orleans“ (Lonnie Donegan/Johnny Horton), das natürlich mit rockigem Touch aufgepäppelt wurde.

Empfehlenswert sind darüber hinaus die Versionen von „Watching The River Flow“ (Bob Dylan), die sphärische Interpretation von „White Room“ (CREAM) sowie das abschließende, siebeneinhalbminütige Medley „Caught In The Act“, das sich aus den Einzelstücken „Going Down“, „Green Onions“, „Hot ‘Lanta“, „Dazed And Confused“ und „Gimme Some Lovin“ zusammensetzt. Die Vielseitigkeit des Albums wirkt keineswegs störend, sondern sorgt dafür, dass für fast jeden Geschmack etwas dabei ist: Rock, Blues, Boogie Woogie, Country – die stilistische Spannweite ist enorm.

Ein vielseitiges, solides Coveralbum einer legendären Band

Für die angestammte Fangemeinde der Altrocker ist „Turning To Crime“ ohnehin ein Muss. Doch auch all diejenigen, die ein Faible für grundsolide Rockmusik mit genreübergreifenden Einflüssen haben, machen mit der Anschaffung des Silberlings garantiert nichts falsch – auch wenn es sich „nur“ um Coverversionen handelt. Natürlich sind keine Abrissbirnen vom Format „Child In Time“, „Highway Star“ oder „Speed King“ zu finden, doch die Platte lebt vom musikalisch-kreativen Genius einer Band, die wohl auch das örtliche Telefonbuch instrumentieren könnte – selbst das klänge großartig.

So stellt sich „Turning To Crime“ nicht als x-beliebige Remake-Sammlung heraus, sondern als Evidenz für das musikalische Verständnis hervorragender Musiker, die mit schlafwandlerischer Selbstverständlichkeit zusammen harmonieren. Das Charisma des Albums besteht darin, dass es DEEP PURPLE gelingt, einige für die persönliche Entwicklung der Musiker bedeutsame Songs in der für die Band unverwechselbaren Weise neu zu interpretieren.

20.02.2022

Redakteur | Schwerpunkte: Classic Metal, Female Fronted Metal, Hard Rock

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