Iced Earth - Incorruptible

Review

Beim Intro wähnt man sich noch im neuen Mittelerde-Film von Peter Jackson. Doch wenn Schlagzeug und Gitarren einsetzen, ist klar, dass es sich bei „Incorruptible“ um den neuesten Streich von ICED EARTH handelt. Die Spitzenreiter des amerikanischen Metals sind nach einigen gesundheitlichen Problemen von Mainman Jon Schaffer wieder im Rennen. Mal schauen, ob die Kreativität des Gitarristen und seiner Mitstreiter durch die lange Pause beflügelt wurde.

„Great Heathen Army“ geht nach dem Chor-Intro direkt in die Vollen. Der für ICED EARTH so markante Gitarrensound ist immer noch da, ebenso wie die typischen Schaffer-Riffs und an IRON MAIDEN angelehnte Melodien. Der Refrain wiederum kommt mit dem altbekannten Pathos daher. Am Grundkonzept hat sich also wenig verändert. Auffällig ist allerdings die große Menge an langsamen Songs wie „Black Flag“ oder „The Veil“ sowie eher balladesken Stücken wie dem vorab veröffentlichten „Raven Wing“. Dadurch greift Schaffer seltener als gewohnt auf galoppierende Gitarrenriffs zurück. Das ist ja grundsätzlich kein Problem, „The Dark Saga“ schlug Mitte der 90er schließlich in eine ähnliche Kerbe und gilt heute als Bandklassiker. Aber wo Schaffer damals eine düstere Atmosphäre kreierte, die den Hörer sofort einnimmt, herrscht auf „Incorruptible“ weitestgehend emotionale leere.

Funkt’s noch mit ICED EARTH?

Das soll nicht heißen, dass die Platte ein totaler Reinfall ist. Das Songmaterial liefert durch die Bank weg solide Handwerksarbeit. Aber das ist für eine Band wie ICED EARTH einfach zu wenig. Da kann auch Jake Dreyer nichts dran ändern. Der beherrscht sein Instrument ohne Zweifel und sorgt für das ein oder andere emotionale Solo. Aber die wirklichen Stärken der Band lagen immer in eingängigen Riffs und mitreißenden Gesangslinien. Beides fehlt auf „Incorruptible“ weitestgehend. Kein Riff haut so rein wie es früher „Burning Times“ oder „Stormrider“ getan haben. Die Gesanglinien auf der anderen Seite sind – mit Ausnahme von „Defiance“ – nie so catchy wie in „I Died For You“ oder „The Hunter“. ICED EARTH sind zwar sichtlich bemüht, große Momente heraufzubeschwören. Der entscheidende Funke, um das Feuer zu entfachen, fehlt aber. Daran ändern auch mehrere Durchläufe nichts. Allerdings sticht der abschließende 10-Minuten-Brocken „Clear The Way“ mit alter schafferschen Schlagkraft heraus.

Ein großes Lob muss aber – wie immer – Frontmann Stu Block erteilt werden. Die stimmliche Variabilität dieses Mannes erstaunt seit seinem Einstand auf „Dystopia“. Auch auf „Incorruptible“ präsentiert er sich als Ausnahmesänger, der jede Tonlage meistert und von gefühlvollen Balladen bis hin zu aggressiven Brechern alles singen kann, ohne dabei ins Schwitzen zu geraten. Nach seinem Einstieg wurde ihm gerne nachgesagt, seinen Vorgänger Matt Barlow zu imitieren. Aber davon kann hier absolut keine Rede sein. Block hat seinen gänzlich eigenen Stil und hebt durch seine Leistung einige Tracks über das Mittelmaß hinaus.

Nach dem knackigen „Dystopia“ und dem epischen Grower „Plagues Of Babylon„, ist „Incorruptible“ eine Enttäuschung und das bislang schwächste Album der Block-Ära von ICED EARTH. Die Songs pfeifen am Hörer vorbei, ohne wirklichen Eindruck zu hinterlassen. Die fantastische Leistung von Stu Block ist aber so eindrucksvoll wie eh und je.

09.06.2017

"Irgendeiner wartet immer."

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