Iced Earth - The Glorious Burden

Review

Ja, ich weiß, ich habe mir sehr lange Zeit gelassen für dieses Review. Grund dafür war meine Unschlüssigkeit darüber, wie ich „The Glorious Burden“ bewerten sollte. Sollte ich allein die musikalische Seite einfließen lassen und dabei über den stumpfen Patriotismus der Texte Schaffers hinweg sehen? Befassen wir uns doch zuerst mal mit der rein musikalischen Seite: Diese 70 Minuten sind ohne Zweifel das Stärkste, was ICED EARTH (also Jon Schaffer) seit Jahren hervorgebracht haben. Auch der wilde Spekulationen nach sich ziehende Sängertausch von Matt Barlow hin zu ex-Priester Tim ‚Ripper‘ Owens kann von Schaffer auf der Haben-Seite verbucht werden, denn „The Glorious Burden“ zeigt, wie der Halford-Nachfolger bei JUDAS PRIEST auf den Alben „Jugulator“ und „Demolition“ stimmlich limitiert worden ist. Allerdings kann ich in manchen Punkten auch den Barlow-Sympathisanten zustimmen. Die schwachen Balladen „When The Eagle Cries“ und „Hollow Man“ zeigen eindeutig auf, dass Owens nicht über die Wärme und Einfühlsamkeit seines Vorgängers verfügt. So kann live ein Jahrhundertsong wie „I Died For You“ eigentlich nur den Bach runter gehen. Dies ändert jedoch nichts an Rippers wahnsinniger Kopfstimme („Red Baron/Blue Max“), die die harten ICED EARTH-Tracks ohne Zweifel aufwerten wird. Kompositorisch ist dieses Album ein Hammer (wie gesagt: die beiden lahmen Balladen bitte ausklammern) und hat seine Höhepunkte in „The Reckoning (Don’t Tread On Me)“ (fesselndes Stakkato-Feuer), „Attila“ (dramaturgisch glanzvoll umgesetztes Duell zwischen Hunnen und Römern) und im dreigeteilten, halbstündigen Mega-Epos „Gettysburg (1863)“, das thematisch den amerikanischen Civil War behandelt. Hier hat sich Schaffer selbst übertroffen und ein vom Prager Philharmonie Orchester unterstütztes Werk geschaffen, an dem sich in Zukunft jede Epic-Power-Metal-Band messen lassen muss, weil es sogar IRON MAIDENs „Rime Of The Ancient Mariner“ in den Schatten stellt. Könnte ich mein Review hier und jetzt beenden, würde darüber eine dicke, fette 9/10 prangen. Aber da sind ja noch die Texte, die ich nicht außen vor lassen möchte, weil sie eine Platte als Gesamtwerk sehr wohl prägen. Diese Lyrik hier ist eine politisch genauso geartete Äußerung, wie wenn ich den 11.9. gut heißen würde (was ich NICHT tue). So beweist sie, dass Schaffer ideologisch genauso verblendet ist wie die Personen, die er gern zerstört sehen würde. Er beschreibt geschichtliche Sachverhalte nicht einfach neutral oder versieht sie aus Gründen der Provokation mit Ironie, nein, er wertet glasklar, wird dabei kriegsverherrlichend und verbreitet, wie schon angedeutet, verblendet-blinde Phrasen. Beispiel gefällig? „Upon this declaration will come a brand new nation where men are seen as equal governed by and for the people“ (aus „Declaration Day“). Gerade das ist auf Amerika bezogen absoluter Humbug, wenn ich jetzt auch mal wertend werden darf. Ganz zu schweigen davon, was los wäre, wenn eine deutsche Band unsere Nationalhymne vertonen würde. Aber Schaffer hat als Ami bekanntlich einen Freibrief zu allem, wodurch sich die Einleitung zu „Gettysburg“ auch erklärt. Fazit: „The Glorious Burden“ – ein musikalisches Meisterwerk, zerstört durch bedenklich stumpfen und blinden Patriotismus!

02.03.2004
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