In Flames - A Sense Of Purpose

Review

Nicht zu Unrecht müssen sich IN FLAMES mit jeder neuen Veröffentlichung dem Vorwurf stellen, dass sie sich immer weiter von ihrem einst so markanten Sound entfernen und dennoch unverkennbar IN FLAMES bleiben. Des einen Freud ist des anderen Leid, und wenn wir mal ganz ehrlich zu uns selbst sind, muss es doch wirklich kein zweites „Colony“ oder „Clayman“ sein, denn auf der Stelle treten darf eine Band wie IN FLAMES auf gar keinen Fall. So waren dann auch die Experimente auf „Reroute To Remain“ und vor allem auf „Soundtrack To Your Escape“ nicht wirklich schlecht, aber noch lange nicht ausgereift genug um von einem erneuten Meisterwerk zu sprechen oder gleich in Freudentränen auszubrechen. Auch das zu einem Grossteil an Ideen stagnierende „Come Clarity“, das bereits für einige Kontroversen sorgte, konnte nicht vollends überzeugen und mit Sicherheit wird die Zahl derer, die IN FLAMES auch weiterhin mit Überzeugung folgen und derer, die der Band bereits vor vielen Jahren den Rücken gekehrt haben, mit „A Sense Of Purpose“ noch einmal auf beiden Seiten in die Höhe schnellen. Dabei ist „A Sense Of Purpose“ die Quintessenz aller bisher veröffentlichten Alben der Schweden, auch wenn es zu dieser Erkenntnis zunächst zwei oder drei Durchläufe benötigt. So erkennt man viele Parallelen zum Vorgängeralbum, wobei man auf dem neuen Album die Extreme noch etwas mehr ausgelotet hat: IN FLAMES sind melodischer geworden. Vor allem die zweistimmigen Gitarren haben auf „A Sense Of Purpose“ einen deutlich höheren Anteil eingenommen, aber auch das Drumming ist wesentlich variantenreicher als jemals zuvor.

Bin ich weder mit „Soundtrack To Your Escape“ noch mit „Come Clarity“ – hier trotz einiger guter Ansätze und Anders Fridens zunehmend emotionaler Ausdrucksstärke – wirklich warm geworden, so lässt mich „A Sense Of Purpose“ an vielen Stellen mit offenem Mund zurück. Bereits der Opener „The Mirror’s Truth“ fräst sich mit wunderbaren Melodien in die Hirnwindungen und auch „Disconnected“ begeistert mit einem hervorragenden Groove, wobei die Gitarren deutlich im Vordergrund stehen. Ziemlich kontrovers hier jedoch, wenn Fronter Friden im Refrain „I feel like shit, but at least I feel something“ zum Besten gibt – das klingt in meinen Ohren zu sehr darum bemüht, sich auch auf dem Emo-Sektor zu etablieren. Doch bereits der folgende Track („Sleepless Again“) knüpft dort an, wo „The Mirror’s Truth“ aufgehört hat und bietet genau das, was man von IN FLAMES erwartet: aggressives Riffing, knallige Beats und ein fantastisches Solo, das durchaus ein Gefühl von Nostalgie verbreitet. Zu einem wahren Live-Knaller wird sich mit Sicherheit auch die Up-Tempo-Nummer „I’m The Highway“ mausern, denn die sprüht nur so vor Energie, genauso wie der folgende Titel „Delight And Angers“: bei dem sind die Arrangements nämlich wirklich mal abwechslungsreich und bestechen erneut mit guten Melodien und einem treffsicheren Chorus. Ein ganz besonderes Highlight befindet sich aber in Form des über acht minütigen „The Chosen Pessimist“ auf dem Album: dieser Track startet sehr melancholisch und lässt sich ordentlich Zeit, bis Anders‘ Gesang einsetzt – von sphärischen Keyboardklängen getragen – und sich erst nach und nach in ein Riff-Inferno wandelt, um unvermittelt zu einem Ende zu kommen. Wunderbar! Danach gibt es mit „Sober And Irrelevant“ schließlich einen weiteren Grund, um das Freudengrinsen nicht mehr aus dem Gesicht zu bekommen: Harmony-Gitarren, wie man sie damals von den Bands hörte, die Anfang der Neunziger aus der schwedischen Göteborg-Schule hervorgegangen sind. Fantastisch!

Wo das neunte Studioalbum der Schweden letztendlich wirklich steht und wohin die Reise noch geht, lässt sich zum momentanen Zeitpunkt wohl kaum vorhersagen. Aber IN FLAMES sind mit „A Sense Of Purpose“ einen ganz grossen Schritt weiter, ihren ganz eigenen Stilmix aus Modern- und Melodic-Death-Metal zu intensivieren und auch zu perfektionieren.

03.04.2008
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