Iron Maiden - The Book Of Souls

Review

Irgendwie hatte ich schon nach der Veröffentlichung das Gefühl, dass “The Final Frontier” nicht wirklich das studiotechnische Ende der Eisernen Jungfrauen sein konnte. Ich gebe gerne zu, dass ich mit keinem Album nach “Brave New World” warm geworden bin, was natürlich auch mit der Ausrichtung von IRON MAIDEN nach der Reunion zu tun hat. Die progressiven Aspekte im Bandsound haben mir auf “Seventh Son Of A Seventh Son” richtig gut gefallen, wirkten auf den neueren Veröffentlichungen aber wie Fremdkörper. Dementsprechend bin ich mit keinerlei Erwartungshaltung an die neue Scheibe “The Book Of Souls” herangegangen.

Was soll ich sagen? Die im Vorfeld veröffentlichte erste Single “Speed Of Light” haut mich auch nach etlichen Durchläufen nicht vom Hocker (“The Great Unknown” ist der andere Song) – dafür aber der Rest der Platte. Ja, der Rest von “The Book Of Souls” beeindruckt nach nur wenigen Augenblicken. Schon das atmosphärische Intro zum Opener “If Eternity Should Fail” lässt dem Hörer ein erstes Mal Gänsehaut über den Rücken laufen und stimmt standesgemäß in das Album ein. Zwar ist der Opener eher ein gemäßigter Rocker im Maiden-Kosmos, dafür ist aber wie aus dem Nichts der alte Spirit wieder da. Dieses vertraute Gefühl, dass hier etwas Besonderes passiert – ganz so wie man es von früher kennt. Man klebt sofort an Bruce Dickinsons Lippen und wird von dem Frontmann auf eine abenteuerliche Reise mitgenommen, die nach 92 Minuten ein imposantes Ende findet. Bis dahin haben IRON MAIDEN auf “The Book Of Souls” aber immer wieder das Überraschungsmoment auf ihrer Seite, was nicht nur der mystisch-orientalische Titeltrack oder eine Nummer wie “The Red And The Black” eindrucksvoll unterstreichen. Die dezent melancholische Robin-Williams-Hommage “Tears Of A Clown”, das verspielte “The Man Of Sorrows” oder die beiden Headbanger “When The River Runs Deep” und “Death Or Glory” siegen ebenfalls auf ganzer Linie. Das liegt unter anderem daran, dass die Briten die großen Melodien wieder für sich entdeckt haben, die Twin-Leads wieder fordernd und die Riffs wieder packend sind. Die Stärken der Band – und hiermit meine ich auch ausdrücklich die progressiven Elemente – kommen besser auf den Punkt und klingen fokussierter, was einer Nummer wie “When The River Runs Deep” eine ganz eigene Dynamik verleiht.

Nach etlichen Durchgängen habe ich das Gefühl, dass Bandkopf Steve Harris sich zum Wohl der neuen Platte ein wenig zurück genommen und mehr auf das Können seiner Bandmitglieder vertraut hat. Ein Dave Murray, der als Songwriter nicht gerade Akkordarbeit bei IRON MAIDEN verrichtet, kommt auf einmal mit einem Highlight in Form von “The Man Of Sorrows” hinter dem Vorhang hervor, und auch Adrian Smith und Bruce Dickinson durften sich auf dem Album hörbar austoben. Daraus entsteht eben dieses kreative Spannungsfeld, das in der Dickinson-Nummer “Empire Of The Clouds” kulminiert. Eigentlich für ein potentielles Soloalbum gedacht, bringt der Song in achtzehn Minuten alle Trademarks der Briten noch einmal in Perfektion auf den Punkt. Wer hier keine Gänsehaut bekommt, muss taub sein. Man hat das Gefühl, sich in einem Film zu befinden und das Schicksal des britischen Verkehrsluftschiff R101 hautnah mitzuerleben. Durch seine vielen, fließend ineinander übergehenden Facetten und der einzigartigen Atmosphäre ist “Empire Of The Clouds” nicht nur ein extrem spannender Song, sondern auch locker einer der besten, die IRON MAIDEN jemals veröffentlicht haben.

Als Fan der Band kann man sich dem sechzehnten Studioalbum der Band nur schwer bis überhaupt nicht entziehen. IRON MAIDEN schaffen auf “The Book Of Souls”, was ihnen meiner Meinung nach auf den vorherigen drei Alben nicht gelungen ist. Sie vereinen ihre Vorliebe für progressive Songstrukturen mit dem Vibe der Alben aus den Achtzigern in optimaler Form, und das macht das Album zu einem sehr starken. Ich hatte jedenfalls bei keinem der drei vorherigen Scheiben das Bedürfnis die Platte im Anschluss unbedingt noch einmal hören zu müssen. Das ist bei “The Book Of Souls” ganz anders, was wiederum für die Qualität des Albums spricht.

09.09.2015
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