Iron Maiden - The X-Factor

Review

Mitte der 90er bricht für IRON MAIDEN eine schwere Zeit an. Stammproduzent Martin Birch geht in Rente und nach Adrian Smith streicht Sänger Bruce Dickinson 1993 ebenfalls die Segel. Aus hunderten Bewerbern wird WOLFSBANE-Frontmann Blaze Bayley als neuer Frontmann des britischen Metal-Flagschiffs ausgewählt. Nachdem ein Motorradunfall ihn für ein Jahr außer Gefecht setzt, erscheint 1996 sein MAIDEN-Debüt „The X-Factor“.

Beim Blick auf die Trackliste fällt als erstes die Länge der einzelnen Songs auf. Mit Ausnahme von „Man On The Edge“ bleibt kein Stück unter der Fünf-Minuten-Marke. Dank eines wunderbar eingängigem Mitsing-Refrains entpuppt sich der Track auch direkt als einer der größten Hits des Albums. Von der Leichtfüßigkeit der einzigen knackigen Nummer ist auf dem restlichen Album nichts zu spüren. Stattdessen dominieren düstere, melancholische Töne „The X-Factor“. Kein Wunder, denn nicht nur die bandinternen Probleme, sondern auch eine Scheidung stecken Steve Harris bei den Arbeiten an der Platte noch in den Knochen.

Iron Maiden in ihrer düstersten Stunde

Doch auch von ihrer düsteren Seite können IRON MAIDEN überzeugen. Eröffnet wird die Platte vom komplexen „Sign Of The Cross“. Der elfminütige Epos läutet nicht nur eine Entwicklung der Band hin zu progressiveren Tönen ein, sondern überzeugt durch spannende Takt- und Rhythmuswechsel sowie einen hohen Anteil an grandiosen Gitarrenmelodien. Das Anschließende „Lord Of The Flies“ lässt selige Erinnerungen an Hits der Marke „The Evil That Men Do“ wach werden. Nach den ersten drei Songs wird es auf „The X-Factor“ allerdings nicht nur atmosphärisch finster.

Das liegt gar nicht mal immer an den Songs selbst. Stücke wie etwa das getragene „Look For The Truth“ oder „The Edge Of Darkness“ haben durchaus Potential. Klar, die Größe von Werken wir „The Number Of The Beast“ oder „Somewhere In Time“ erreicht das Album selbst in seinen besten Momenten nur selten. Aber mit mehr Zeit für das Songwriting hätte hier trotzdem eine richtig Starke Platte entstehen können. Und mit einem besseren Sänger. Blaze Bayley mag ein bodenständiger und sympathischer Typ sein. Doch auf seinem Einstand bei IRON MAIDEN bekleckert er sich nicht gerade mit Ruhm. Zu kraftlos ist sein Gesang, zu oft versagt seine Stimme in den hohen Passagen. Durchgehend versucht er sich am opernhaften Gesangsstil seines Vorgängers und scheitert kläglich. Dass sich mit „The Aftermath“ und „Judgement Of Heaven“ ein paar echte Stinker auf die Platte verirrt haben, macht die Sache nicht unbedingt besser.

Eine verpasste Chance

Zudem enttäuscht auch die Produktion von Nigel Green. Der Sound von „The X-Factor“ ist weitestgehend dünn und blechern. Kein Vergleich zu den saftigen Produktionen, die Martin Birch IRON MAIDEN noch in den 80ern gezimmert hat. Und das obwohl Green zuvor bereits mit Größen wie DEF LEPPARD, DIO oder TESTAMENT gearbeitet hat.

„The X-Factor“ ist alles andere als eine Sternstunde in der Diskographie von IRON MAIDEN. Ein paar starke Songs und gute Ideen haben sich zwar auf die Platte verirrt. Zu oft landet die Band allerdings im Sumpf der Belanglosigkeit und hat mit Blaze Bayley auch noch den völlig falschen Mann ans Mikro gestellt. Diese Fehlentscheidung sollte auf der anschließenden Tour zu immer kleiner Konzerthallen führen, die immer seltener ausverkauft waren.

06.12.2017

"Irgendeiner wartet immer."

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