Leichenwetter - Letzte Worte

Review

Die Kombination aus Literatur und Musik fand zum ersten Mal in der literaturgeschichtlichen Epoche der Romantik statt. Passend zur neuen Glaubenseinstellung dieser Zeit, begannen erste berühmte Komponisten ebenso berühmte Gedicht bekannter Artsgenossen zu vertonen und trafen damit genau den Geist dieser Epoche. Ob man Leichenwetter jedoch als Nachfolger von Schumann und Co. bezeichnen kann, sei dahingestellt…
Objektiv betrachtet haben wir hier eine Gothic Band mit EBM und Rammstein-Elementen vor uns, die sich daran versucht den Hörer mit griffigen und atmosphärischen Riffs zu unterhalten, ohne aber wirklich weh zu tun oder in experimentives Gefrickel auszuarten. Dass der Band bewusst ist, dass zu einem außerordentlichen Erfolg noch ein gutes Stück mehr nötig ist, zeigt sich rasch beim Durchblättern von Booklet und der Promo Beilage.
Schon bald hängen einem die platten Provokationen nämlich zum Hals raus… Den Bandnamen kann ich ja noch tolerieren, aber warum müssen die Bandmitglieder klobige Masken tragen? Und warum muss in der Infobeilage so groß breitgetreten werden, dass ‚Die schlesischen Weber‘ nichts rechtsextremes an sich hat? Den Kids mag sowas gefallen, aber als ernsthaft arbeitender Metalredakteur (ist das jetzt ein Widerspruch in sich?) gibt das eindeutig Punktabzug.
Dennoch ist die Wertung von 7 Punkten absolut gerechtfertigt. Nicht nur dass absolut jeder Song für sich stehen und überzeugen kann; die lyrisch angesprochenen Themen konnten durchaus äußerst treffend intoniert werden, ohne dass Ohrwürmer oder Breaks zu kurz gekommen sind. Angefangen vom fröhlich-majestätischen ‚Nur Dich‘, über das opernhafte ‚Grenzen der Menschlichkeit‘ bis zum epischen ‚Dort und Hier‘ zieht sich das Album unterhaltsam, dynamisch und abwechslungsreich vorran, ohne langweilig zu werden. Bei ‚Im Nebel‘ haben sie sogar ein regelrechtes Meisterwerk erschaffen, was die Liedumsetzung von Gedichten angeht und einen düsteren Break der Extraklasse hingelegt. Etwas danebengegriffen hat die Band aber bei ‚Mondnacht‘ und oben erwähntem ‚Die schlesischen Weber‘. Zwar sind beide Songs musikalisch auf höchstem Niveau und potentielle Ohrwürmer, aber ersteres ist schlicht und einfach viel zu düster für diesen gefühlsbetonten naturromantischen Text geraten (Interpretation in Ehren). Ebenso seltsam scheint es, im Liedgut aus den ausgenutzten Textilverarbeitern des schlesischen Weberaufstanden diabolische Dämonen die Deutschland in ein Leichentuch wickeln wollen, zu machen (ja, ich weiß dass der Text quasi originalübernommen wurde, aber diese melodische Untermalung wirkt absolut übertrieben). Ironischerweise kommt gerade bei diesen beiden Songs aber auch der theatralische Gesang des Sängers Numen am besten zur Geltung (nimmt man die ‚Grenzen der Menschheit‘ noch hinzu); was wiederum einige Pluspunkte gut machen kann.
Leichenwetter ist so eine Band, bei der man als Redakteur schnell in ein Wespennest stechen kann. Ob man die 5 Freunde nun als Neu-Romantiker oder Möchtegernprovokanten bezeichnet sei jedem dahingestellt; aber das musikalisch/lyrische Konzept der Truppe zeigt sich eindeutig verdammt stark, interessant und livetauglich. Wer sich sein eigenes Urteil bilden will, kann auf der offiziellen Bandseite in einige der neuen Songs reinhören – die anderen dürfen sich weiter über Sinn und Unsinn von Masken abseits der Faschingszeit streiten.

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22.01.2005

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