Moonspell - 1755

Review

Mit ihrer vielfältigen Dikographie, sowohl in konzeptioneller als auch musikalischer Hinsicht, forderten MOONSPELL ihre Fans immer wieder aufs Neue und es ist meist nicht so recht vorhersehbar, in welche Richtung sich die Portugiesen wohl mit dem nächsten Album entwickeln. Das macht die Sache von Werk zu Werk spannend, und auch „1755“ bildet da keine Ausnahme.

Schutt und Asche

„1755“ ist mal wieder ein Konzeptalbum. Das zwölfte Studioalbum von MOONSPELL widmet sich thematisch dem schweren Erdbeben des Jahres 1755, welches Lissabon heimsuchte und beinahe gänzlich auslöschte. Durch das gewaltige Erdbeben, die anschließenden Feuersbrünste sowie einen Tsunami kamen 100.000 Menschen, was ungefähr die Hälfte der damaligen Bevölkerung entsprach, ums Leben. Das Thema als historisches Leitmotiv könnte kaum apokalyptischer und düsterer sein. Die dunklen Texte sind zum ersten Mal komplett in ihrer Heimatsprache Portugiesisch gehalten, was dem Ganzen natürlich einen authentischeren Charakter und eine harschere Note verleiht.

Einer Apokalypse gleich

Musikalisch setzen MOONSPELL mit „1755“ auf neue Akzente, um dem apokalyptischen Thema mehr Tiefe und Bedeutung zu geben. Mächtiger und pompöser als jemals zuvor, erschufen die Portugiesen ein wahrhaft kohärentes Konzeptalbum. Eröffnet wird „1755“ durch die Re-Interpretation des sakralen „Em Nome Do Medo“, welches völlig auf metallische Instrumentierungen verzichtet. Schleichend, orchestral, bebend, mit dramatischen, hektischen Streichern, bitteres Piano, schweren Bläsern und Trommeln, Flüstergesang bis hin zu Gekeife – die Weltuntergangsstimmung ist sofort da. Monumentaler kann man kaum in solch ein Werk einsteigen. Das anschließende Titelstück ist ein dramatischer, treibender Dark Gothic Opera Metal Song, mit kräftigen, griffigen Gitarren, Fernandos derbem Keifgesang, mächtigen Chören, die unter die Haut gehen. Hervorragend eingewoben wurde die portugiesische Folklore im Mittelteil.  Mit „In Tremor Dei“ geht es rotzig thrashig angehaucht weiter, für Bombast sorgen auch hier wieder die unheilvollen Chöre sowie der verzweifelt klingende Frauengesang, welcher ein Gebet sein könnte. „Desastre“ klingt, wie es der Titel vermuten lässt – ein kurzer Nackenbrecher, ja eine kurze Eruption mit viel Härte und Druck. Gitarren, Schlagzeug, Orchester, schneller Sprechgesang und Gekeife. Das bedrohlich-dramatische mit seinen sakral anmutenden Chören „Abanão“ durchlebt starke Rhythmuswechsel, während „Evento“ mit seinen epischen Passagen bei aller diabolischer Düsternis ein echter Ohrwurm ist. Das abwechslungsreiche „1 De Nocembro“ zeigt sich musikalisch etwas weniger finster und hat den Charakter einer Rockoper. Das tragisch-gefühlvolle „Ruinas“ mit seiner Dynamik und passend eingewobenen Psychedelic-Rock-Elementen nimmt den Hörer mit auf einen Spaziergang durch die Ruinen Lissabons, manche Gitarrenlinie lässt an die Frühwerke von MOONSPELL denken. „Todos Os Santos“ wird durch eine gigantische Orchester-Inszenierung eingeleitet, das Zusammenspiel zwischen Band und Chor ist einfach nur wuchtig. Das epische Finale von „1755“ bildet „Lanterna Dos Afogados“. Hierbei handelt es sich um ein Cover des Popsongs der brasilianischen Band OS PARALAMAS DO SUCESSO. Aber MOONSPELL wären nicht MOONSPELL, wenn sie diesen Song nicht auf ihre eigene Art interpretiert hätten. Die simplen und dennoch packenden Pianomelodien wurden in eine sehr mystische, atmosphärisch-kraftvolle Ballade eingewoben.

Was bleibt?

MOONSPELL haben uns mit „1755“ auf eine dramatische Zeitreise genommen. Dies ist das bombastischste Werk der Portugiesen, die organisch klingende Orchestrierung wurde weiter perfektioniert. Verglichen mit dem durchaus soliden „Extinct“ klingen MOONSPELL nun wieder deutlich härter, klaren Gesang gibt es nur selten, und, was sicherlich auch dem Konzept geschuldet ist, verhängnisvoller und düsterer. Monumental stark!

06.11.2017

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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