Nocte Obducta - Sequenzen Einer Wanderung

Review

Nun ist es also soweit, mit „Sequenzen einer Wanderung“ erscheint dieser Tage endlich, nach ewig langer Zeit, der Schwanengesang von NOCTE OBDUCTA, und ist es irgendwie doch nicht. Warum das so ist, erfahrt ihr in unserem Interview mit Bandleader Marcel, hier soll es ausschließlich um die Musik gehen. Der Großteil der Aufnahmen entstand im Jahr 2006 im Maranis Studio, teilweise sogar noch vor der offiziellen Auflösung im Juni desselben Jahres.

Innovation wurde bei den Mainzern schon immer groß geschrieben, und so verwundert es auch erstmal nicht, dass auch „Sequenzen einer Wanderung“ nicht mit Überraschungen geizt. Abwechslungsreichtum, interessante Arrangements, auch dies findet sich auf dem neuen Werk, doch der Unterschied zu den älteren Alben ist doch recht enorm. War die Musik bisher (Avantgarde-) Black Metal, so bewegt sich „Sequenzen einer Wanderung“ in anderen Sphären. Die beiden Teile bieten kaum Gesang und sind fast schon rein instrumental, die Musik spricht für sich. Es wurde das Black-Metal-Korsett nahezu vollständig abgestreift und die Pforte zu Postrock, Ambient und Psychedelic überschritten. Die musikalische Reise beinhaltet zig Effekte wie Vocoder und Flanger, sehr viele ruhige, cleane Gitarrenharmonien, simple, aber wunderschöne Melodien, Stakkato-Riffing, sphärische Keyboardklänge, elektronische Beats, Postrock-Gitarrenwände, Geräuschkulissen, melodisch-klaren Gesang, Sprachsamples, verschiedene Tempovariationen. Ein wenig MOGWAI, ein wenig PINK FLOYD, dabei aber doch immer 100% NOCTE OBDUCTA.

So sind die neuen Stücke dynamischer, experimenteller und abwechslungsreicher als die bisherigen Werke von NOCTE OBDUCTA. Konventionelle Strukturen sucht man vergeblich. Die Verwendung von sich häufig nur leicht abgeänderten Themen wirken hypnotisch, nein, berauschend auf den Hörer. Melodien setzen sich im Kopf fest, genauso wie einzelne Worte der Sprachsamples, während vieles auch im Stimmengewirr untergeht. Die Musik durchläuft viele Steigerungen in sich, wodurch die Spannung niemals verloren geht. Das stilistische Spektrum ist sehr breit, von langsam, relaxt chillig bis schnell aufbrausend und hart. So wird im zweiten Teil auch zumindest kurzzeitig die schwarzmetallische Keule geschwungen. Ebenso finden sich auf „Sequenzen einer Wanderung“ viele verschiedene Stimmung wieder, von düster bedrohlich, apokalyptisch über melancholisch und verträumt bis hin zu sehnsuchtsvoll. Atmosphäre pur, Gänsehaut garantiert.

Das letzte Drittel des Albums gehört dem Metal. Zuerst sind es düstere, triste, schleppend zähe, nur minimal variierende Doom-Metal-Klänge, die den Hörer in einen Abgrund ziehen. Den Abschluss bildet dann ein Black-Metal-Inferno in Form von sägenden Gitarren, wuchtigem Schlagzeugspiel und dem harschen Organ von Torsten.

„Sequenzen einer Wanderung“ ist ein verdammt ehrliches, ambitioniertes Album, eine emotionale Achterbahnfahrt, eine musikalische Reise, ein Neubeginn. Ende?

28.11.2008

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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