
Charlie Steinhauer ist der Inbegriff des metallischen Stehaufmännchens. Seit über 40 Jahren führt er die deutschen Edel-Thrasher PARADOX durch sämtliche Widrigkeiten des Musikgeschäfts – und bisweilen auch der eigenen Gesundheit – und schafft es in beneidenswerter Ignoranz jedweden kommerziellen Kalküls nahezu immer, überragende und leider allzu oft übersehene Qualität zu liefern. In einer gerechten Welt hätten PARADOX schon in den Achtzigern den gleichen Status wie MEGADETH oder wenigstens ANNIHILATOR inne. Doch an die Ungerechtigkeit der Welt erinnert das neue Werk “Mysterium” noch eindringlicher. Es ist nämlich das erste Album, das Steinhauer vollständig im Alleingang aufnehmen musste, da Markus Blaha, Gründungsmitglied und langjähriger Drummer der Band vor zwei Jahren im Alter von 58 Jahren viel zu früh verstarb. Entsprechend persönlich und emotional ist “Mysterium” für Steinhauer.
PARADOX trauern um Gründungsmitglied
Das führt dazu, dass wir uns “Mysterium” auf zwei Ebenen widmen müssen: einer objektiven und einer emotionalen. Emotional gesehen ist es absolut nachvollziehbar, dass Steinhauer dieses Album im Alleingang komponiert und aufgenommen hat. Sogar die Weigerung, den verstorbenen Bandkumpel zu ersetzen, ist verständlich. Dass an dessen Stelle ein Drumcomputer für die Schlagzeugspuren zuständig ist, ist objektiv schwerer zu verdauen. Synthetische Drums auf einem traditionellen Thrash-Album? Funktioniert ohne dieses Hintergrundwissen schwierig, obwohl sich hörbar darum bemüht wurde, den Sound so organisch wie möglich zu gestalten.
Abgesehen von der Tatsache, dass ein zweiter Gitarrist zumindest bei den Leads ebenfalls noch ein bisschen Farbe auf die Leinwand gebracht hätte, macht sich der Alleingang des Masterminds auf dem Album nicht weiter negativ bemerkbar. In der gewohnt niveauvollen Mischung aus technischem Thrash und Achtziger Power Metal geben sich die Songs keine Blöße. “Abyss Of Pain And Fear”, “Fragrance Of Violence”, “Pile Of Shame” oder der clevere Titelsong rangieren alle auf bekanntem PARADOX-Niveau und stellen Songwriting-Highlights des bisherigen Schaffens dar. Leider wirkt die Platte selbst in erstklassigen Momenten durch die Roboter-Drums wie ein gutes Pre-Production-Demo.
“Mysterium” – Emotional und persönlich
Somit stellt “Mysterium” in kompositorischer Hinsicht eine absolute Vollbedienung dar. Die Riffs haben Schärfe, die Songs sind wie immer fesselnd konzipiert und über allem thront Charlies irgendwo zwischen dem jungen James Hetfield und Blitz Ellsworth (OVERKILL) tönende Stimme. Für alle Fans des bisherigen Schaffens von PARADOX ist die Scheibe ein Pflichtkauf und ein wichtiger, wenngleich trauriger Meilenstein, der subjektiv noch einen Punkt mehr bekommen könnte. Wer sich jedoch zum ersten Mal mit dem Schaffen der Würzburger auseinandersetzt, sollte eher zu “Heresy” (1989), “Tales Of The Weird” (2012) oder irgendeiner anderen vorigen Platte greifen und sich erst danach mit “Mysterium” auseinandersetzen. Nichtsdestotrotz sei an dieser Stelle ausdrücklich größter Respekt gegenüber Charlie Steinhauer für sein unbeirrbares Durchhaltevermögen und seine ungebrochene Kreativität geäußert!

Paradox - Mysterium
Johannes Werner
Paradox - Mysterium ( vinyl ) [Vinyl LP]






























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