Rammstein - Herzeleid XXV Anniversary Edition

Review

The more things change, the more they stay the same, wie der Engländer zu sagen pflegt. Wir hauen diese Woche eine zweite Klassiker-Review raus nach der vergangenen Durststrecke, aber das aus gutem Grunde. Denn: Kaum zu glauben, aber das Full-Length-Debüt „Herzeleid“ von RAMMSTEIN ist auch schon 25 Jahre alt – nicht ganz auf den Tag, aber trotzdem. Und zur Feier dieses Geburtstages hauen Vertigo / Universal das Ding in neu abgemischter Form als Anniversary Edition sowohl in Form einer CD im Digipack als Kreuzform (logisch) inklusive Deluxe-Schuber als auch als Vinyl-Edition heraus, ergänzt jeweils durch bislang unveröffentlichte Bandfotografien, allerdings ohne hörbares Bonusmaterial. So sieht das Teil in der Vinyl-Version aus:

„Herzeleid“ – Die Neuauflage in der LP-Version

Das ist Grund genug für uns, das Teil noch einmal nostalgisch Revue passieren zu lassen. Hatten wir zwar schon, aber aus gegebenen Anlass machen wir hier mal eine Ausnahme. Schon damals schien der markante Sound der Berliner wie in Stein gemeißelt, denn wirklich viel haben sie nie daran ändern müssen. Der Grund dafür liegt ein Stück weit auf der Hand: RAMMSTEIN inszenieren sich vielmehr als eine Band, die durch mal mehr, mal weniger subtil angedeutete Obszönitäten schockieren möchte, zugleich ein buchstäblich feuriges Spektakel auf die Bühne bringt. Böse Zungen könnten diesbezüglich behaupten, dass besagte Shows einer der Gründe, wenn nicht sogar DER Grund sind, warum RAMMSTEIN überhaupt so irrsinnig erfolgreich geworden sind.

„Herzeleid“ feiert seinen 25. Geburtstag – wir feiern mit

Bei den Lyrics könnte es für deutschsprachige Hörer ebenfalls seinen Reiz gehabt haben, früh in den Œvre der Band einzusteigen. Auf große Gesten hat man dabei mehr oder weniger verzichtet, sondern lieber auf den Schock-Faktor gesetzt und diesem mal recht, mal eher schlecht mit dem Brecheisen in ein lyrisches Meter reingepresst. Aber das war und ist eben irgendwie auch wieder Charme an der Sache. Denn die Berliner haben sich seit „Herzeleid“ größtenteils auf simpel verpackte, mal morbide, mal (vage) sexuelle und mal politisch/zeitgeschichtlich nicht ganz unstreitbare Gemeinheiten eingeschossen, eine Linie, die sie zumindest auf dem Debüt beibehalten und auf den folgenden Platten mit Ausnahmen hier und da weiterführen sollten.

Dabei hat es bis zur Veröffentlichung des Folgewerks „Sehnsucht“ gedauert, bis auch „Herzeleid“ die kommerzielle Zuwendung erfuhr, die es rückblickend definitiv verdient hat. Hierauf finden sich einfach so viele Klassiker der Band, vielleicht, weil damals alles noch so frisch geklungen hat. Hier sind RAMMSTEIN noch richtig jung und hungrig, meißeln zugleich aber schon ihren Signatur-Sound in Stein. Die Songs haben eine raue, kalte, irgendwie auch maschinell anmutende Ästhetik inne, was sich gewiss auch in Till Lindemanns Gesangsdarbietung widerspiegelt. Es passt einfach alles zusammen, wobei man hier und da das ein oder andere Auge zudrücken muss, was die Lyrics angeht, die wie bereits erwähnt teilweise mit ungelenken Formulierungen ins Meter eingepasst werden. Geschmackssache, gewiss, genau wie deren Inhalt.

Hier feuerten RAMMSTEIN einen Hit nach dem anderen ab

Aber ehrlich: „Herzeleid“ gehört einfach in jede gut sortierte Plattensammlung, einfach aufgrund der enormen Hitdichte. Angefangen beim Opener „Wollt ihr das Bett in Flammen sehen?“ und dessen markigen „RAMMSTEIN“-Rufen dauert es nicht lange, bis man mittendrin ist. Und von dort an gibt es eigentlich kein Halten mehr, sei es der hart hämmernde Stampfer „Weißes Fleisch“, das herrlich morbide, mit überraschend hymnischer Hook versehene „Heirate mich“, die geradezu lachhaft obszöne Hook von „Das alte Leid“ oder der vergleichsweise geradeaus groovende Titeltrack. Nicht zu vergessen natürlich: Sämtliche Live-Klassiker wie „Du riechst so gut“, „Seemann“ und „Rammstein“. Bei wem dieses Debüt also – aus welchen Gründen auch immer – vorbeigegangen sein sollte, kann das dank der Neuauflage nun ändern.

Für Kenner und Besitzer lohnt sich die Anschaffung dieser neu aufpolierten Version allerdings nur dann, wenn man Interesse an den oben erwähnten Features hat. Denn abgesehen von einem etwas modernisierten Sound und den erwähnten, bislang unveröffentlichten Fotografien und einer Doppel-LP in Splatter-Optik bietet die XXV Anniversary Edition wenig Neues, was fast ein bisschen schade ist. Da wär sicher noch Platz für modernisierte Versionen der Demoaufnahmen gewesen, die im Vorfeld der Platte entstanden sind. Das ist letzten Endes ein bisschen persönliche Abwägungssache, ändert aber nichts an der Qualität dieses Klassikers, den man auch so einfach immer wieder feiern kann.

03.12.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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