Rammstein - Rammstein In Amerika

Review

RAMMSTEIN in Amerika – das war 2010 nach einer knapp zehnjährigen Tourpause im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eine kleine Sensation. Genauso wie der Ticketverkauf für die Show im knapp 18.000 Zuschauer fassenden Madison Square Garden innerhalb von 20 Minuten bereits beendet war. Somit war es eigentlich klar, dass es irgendwann den Nachschlag in Form einer Konzert-DVD geben würde, mit dem man RAMMSTEIN in Amerika zu Hause auf der Wohnzimmercouch nacherleben kann: Knapp fünf Jahre nach ihrem ausverkauften Konzert in New York veröffentlichen RAMMSTEIN jetzt also die Doppel-DVD „Rammstein in Amerika“ mit einem Mitschnitt der Show, der in einem zweiten Teil durch eine ausführliche Hochglanzdokumentation flankiert wird. Wie von den NDH-Pionieren gewohnt, überlassen sie erstens nichts dem Zufall und fahren zweitens alles auf, was möglich ist – und das gilt für beide Teile der DVD.

Wo die Band eine millimetergenau geplante Show abliefert, bei der an allen Ecken und Enden mit Pyrotechnik geböllert wird, gilt das auch für die filmische Umsetzung: Das Konzert wurde von einem Dutzend Kameras gefilmt, die das Geschehen auf der Bühne wie auch in den ersten Zuschauerreihen (merke: RAMMSTEIN-Fans können auch in Amerika jede Textzeile lauthals mitsingen) vorbildlich eingefangen haben. Die teilweise schnelle Schnittfolge gibt dem Ganzen eine zusätzliche Dynamik, ohne allerdings in Hektik zu verfallen. Als Zuschauer im heimischen Wohnzimmer bekommt man das Gefühl, bei allem Wichtigem dabei zu sein und Einblicke zu bekommen, die man live nicht hat. So gesehen ist der Teil „Live from Madison Square Garden“ ein vorbildlicher, teilweise sogar fulminanter Konzertmitschnitt. Einziger Wermutstropfen – und hier können alle Nörgler aufatmen: Der Film ist auch ein Zeitdokument, und da RAMMSTEIN kurz zuvor ihr bislang letztes Studioalbum „Liebe ist für alle da“ veröffentlicht hatten, spielte die Band auch einige Stücke von diesem nicht von allen geliebten Album.

Der zweite Teil des DVD-Packages besteht aus der gut zweistündigen Dokumentation „Rammstein in Amerika“, in der der Werdegang der Band ‚in the land of the free‘ nachgezeichnet wird: Von den Anfängen einer jungen Band, die kaum Englisch sprach, mit kulturellen Unterschieden zurechtkommen und Bestimmungen (hier vor allem Brandschutzbestimmungen) kennenlernen musste und den Arm des Gesetzes mehr als einmal zu spüren bekam – bis hin zur Headlinertour, während der RAMMSTEIN mitten in die Hysterie nach den Terroranschlägen 2001 reinrasselte. Da die Band danach nicht mehr jenseits des Atlantiks getourt war, liegt der Schwerpunkt der Dokumentation naturgemäß auf den ersten Jahren,.

Neben den für solche Dokus obligatorischen Lobeshymnen anderer Musiker (Chad Smith, KISS, Iggy Pop, Moby und ANTHRAX werden ausführlich ausgefragt) kommen alle Bandmitglieder zu Wort, erzählen Anekdoten, berichten aber auch Nachdenkliches. Man nimmt es den sechs Musikern durchaus als ehrlich ab, was sie erzählen und wie sie es erzählen: Wenn beispielsweise Keyboarder Flake Lorenz seine Inhaftierung schildert (nachdem Sänger Till Lindemann und er auf der Bühne mit einem Dildo und literweise Milch rumgesaut haben), dann spürt man als Zuschauer sein ungespieltes Unbehagen.

Warum die Dokumentation gut funktioniert und durchaus authentisch wirkt, macht der Vergleich zum dritten Teil der Doppel-DVD deutlich, dem 21-minütigen Making-Of des Albums „Liebe ist für alle da“ – einem typischen Bonusteil, in dem die Bandmitglieder ihr neuestes Album als ihr bestes Werk verkaufen (müssen), das komplett spontan und ohne Berechnung entstanden sei. Dieses typische Promogerede haben Till Lindemann & Co. in der Doku „Rammstein in Amerika“ kaum nötig, und es kommt nur in dem Umfang vor, als Musiker natürlich nur Gutes über Kollegen und Geschäftspartner über „ihre“ Band zu berichten wissen. Und dort passt es trotzdem.

Insgesamt gibt es an der 2DVD „Rammstein In Amerika“ also nicht viel auszusetzen – bis auf die Setlist des Konzerts vielleicht. Von der künstlerisch wertvollen und wertigen Verpackung mit freizügiger Note über den Konzertmitschnitt bis hin zum Dokumentarfilm ist der Doppeldecker aber äußerst vorbildlich. RAMMSTEIN-Enthusiasten kommen also trotz des nicht ganz knappen Anschaffungspreis definitiv auf ihre Kosten, und auch Sympathisanten der Band werden mit „Rammstein In Amerika“ gut unterhalten.

06.10.2015

- Dreaming in Red -

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