Testament - Dark Roots Of Earth

Review

Es ist mir bereits seit vielen Jahren ein großes Rätsel, warum TESTAMENT nicht den ihnen gebührenden Erfolg einheimsen. Natürlich, die Band ist in der Szene eine fette Nummer, aber eben nur in der Metal-Szene. Während METALLICA, MEGADETH und ein paar andere es geschafft haben, auch über die Metal-Szene hinaus bekannt, gemocht, gehypt zu werden, spielen TESTAMENT regelmäßig „nur“ um den Spitzenplatz im Heavy- und Thrash-Metal-Thronsaal. Warum das so ist, vermag ich nur zu erahnen. Vermutlich liegt es daran, dass TESTAMENT sich immer ihre Härte bewahrt haben und keine Schnullimusik schreiben wie zum Beispiel METALLICA (wobei „Death Magnetic“ tatsächlich wieder etwas frischer klingt) und sich nie um den nächsten Skandal gekümmert haben, wie Mr. „Heulsuse“ Mustaine, nur um halbgare Musik zu kaschieren und im Gespräch zu bleiben. Ich weiß es nicht.

Fakt ist meiner Ansicht nach, dass die Amis um Frontbulle Chuck Billy und das Gitarren-Duo Eric Peterson und Alex Skolnick stets mindestens befriedigende bis total saustarke Alben veröffentlicht haben. Völlig egal, ob man weit in die 80er zurückblickt und „Practice What You Preach“ benennt, oder aber in die 90er schaut und Alben wie „Souls Of Black“, „Low“ oder das harte „Demonic“ nimmt, TESTAMENT haben sich nie lumpen lassen, waren regelmäßig um kleine Neuerungen bemüht (wie z.B. das Einbauen von Death-Metal-Elementen) und haben trotzdem immer ihren eigenen Stil bewahrt. Das letzte Album „The Formation Of Damnation“ (2008) war nach „The Gathering“ (1999) und Chuck Billys Erkrankung (Tumor im Brustbereich) eine formidable Rückmeldung aus der Stille. Und nun, ich möchte es vorweg nehmen, stellen TESTAMENT ihr bisheriges Schaffen in den Schatten.

„Dark Roots Of Earth“ ist ein absoluter Hammer geworden! Gleich nach den ersten Tönen war mir klar, dass dies eines der best produziertesten Metal-Scheiben der 2000plus-Generation ist. Der von Andy Sneap gezauberte Sound ist sauber, klingt nicht klinisch und hat trotzdem amtlich Wumms. Die Höhen sind glasklar, der Bass verdammt packend und alles dazwischen einfach nur atemberauebend stimmig ausgesteuert. Ein Aspekt, der zu diesem Eindruck verhilft, ist wohl die perfekte Auslotung der einzelnen Instrumente zueinander. Jedes benutzte Element hat die richtige Lautstärke und die nötige Präsenz, ohne andere niederzuspielen oder zu unterdrücken. Ich bin insgesamt immer sehr kritisch mit Produktionen, aber „Dark Roots Of Earth“ hat nach meinem Empfinden die Schulnote 1+ verdient. Hier stimmt einfach alles.

Musikalisch bieten TESTAMENT wieder ihr gesamtes Spektrum und sind dabei absolut packend und griffig und trotzdem so aufregend wie nur möglich. Eine der spannendsten Neuerungen im Sound der Thrash-Metal-Könige ist die Hinzunahme von, Achtung, Blastbeats. Hinter den Kesseln bei den Aufnahmen saß (mal wieder) niemand geringeres als Gene Hoglan (Ex-DEATH. DEVIN TOWNSEND, uvm.), der schon häufiger hinter den Kesseln eingesprungen ist und immer einen perfekten Job abgeliefert hat.

„Rise Up“ ist der perfekte, griffige Opener, der auf den vorzüglichen Rest des Albums einstimmt. In „Native Blood“ ist zum ersten Mal auch schon das oben erwähnte Granaten-Drumming zu hören. Toller Song mit sehr geilem Refrain. Lasst euch überraschen! Überhaupt zieht sich die Linie mit herausragenden Stücken nahtlos fort. Egal, ob man das Titelstück, „True American Hate“, „Cold Embrace“ oder „Throne Of Thorns“ nimmt, TESTAMENT setzen auf interessantes, sehr abwechslungsreiches Songwriting, immer wieder auf Eingängigkeit und auf ein durchweg ausgeglichenes Maß an Härte. Selbst wenn man den einen oder anderen Part und Refrain bereits nach dem ersten Anhören im Gehör sitzen hat, gibt es mit jedem weiteren Durchlauf neue Feinheiten zu entdecken, also genau das, was ein sehr gutes Album ausmacht.

Hoglan lebt das harte und trotzdem technisch versierte Drumming wie kaum jemand anderes. Billy singt wie ein junger Gott, mal sauber, mal garstig, mal hart, mal weich, mal angepisst, mal sensibel. Total vielseitig der Mann. Greg Christian pumpt den Bass mehr als dienlich in die Runde und gibt dem Schlagzeug eine schön wummernde Stütze. Die Gitarreros Peterson & Skolnick spielen die wohl besten Riffs ihrer Karriere. Anspruchsvoll und mit einem melodischen Höchstmaß versehen trumpfen sie mit jedem Song neu auf. Ihr Spiel ist gut nachvollziehbar und immer interessant. Diese Männer wissen definitiv, wie sie mit ihrer Klampfe umzugehen haben. Das hier ist Heavy Metal deluxe.

Für mich haben TESTAMENT ihr bis dato bestes Album abgeliefert. Wer die Band mag, sollte, nein, darf nicht zögern, sich mit „Dark Roots Of Earth“ zu beschäftigen. Wer eine Lehrstunde braucht, wie man zeitgemäß eine Mischung aus Heavy- und Thrash Metal spielt, kommt an diesem Werk hier nicht vorbei.

30.07.2012
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