Within Temptation - Bleed Out

Review

Sich mit den niederländischen Symphonic-Metal-Avantgardisten WITHIN TEMPTATION zu beschäftigen, erfordert ein gutes Maß an musikalischer Flexibilität. Während die Band mit ihrem Debütalbum „Enter“ (1997) noch düsteren Gothic Metal auf Tonträger presste, manifestierte sie sich in den Folgejahren mit den Alben „Mother Earth“, „The Silent Force“ und „The Heart Of Everything“ zur einflussreichen Symphonic-Metal-Ikone.

WITHIN TEMPTATION beanspruchen keine Genre-Schublade

Die nächste stilistische Metamorphose wurde 2011 mit dem polarisierenden Album „The Unforgiving“ eingeleitet. Fortan waren rockigere Töne zu hören, inklusive Einflüssen aus dem Power- und Alternative Metal.

Als Nachfolger des durchwachsenen Studioalbums „Resist“(2019) – welches aber immerhin die Spitzenposition der deutschen Albumcharts ergatterte – steht nun der neue Output „Bleed Out“ in den Startlöchern. Wobei „neu“ relativ ist, denn seit 2020 wurden nicht weniger als sieben Singles nach und nach veröffentlicht, um die Fangemeinde bei Laune zu halten. Die Arbeiten an dem Album begannen schon vor Ausbruch der Pandemie.

Die Konzeption des Albums ist stark politisch ausgerichtet, wobei die Frage erlaubt sein muss, ob manchmal nicht weniger mehr wäre. Musik und Politik ist immer eine sensible Kombination, die bei vielen Hörern nur mittelmäßig gut ankommt.

Ein hartes, tiefgründig geschriebenes Album

Nachdem der Sound des Vorgängers „Resist“ vielfach kritisiert wurde, kommt die Produktion von „Bleed Out“ wieder etwas sauberer rüber. Das tut dem Album hörbar gut. Der Opener „We Go To War“ tönt wie ein Wakeup-Call aus den Boxen. Der Mix aus Symphonic-Metal-Elementen und aggressiven Riffs und Drums lässt aufhorchen.

Der Titelsong, der sich mit der Unterdrückung von Frauen in Ländern wie dem Iran beschäftigt, ist musikalisch solide ausgearbeitet, vermag aber nur bedingt zu überzeugen. Die Gitarren sorgen stellenweise für ordentlich Alarm, der Chorus hat jedoch kaum Widerhaken, die für den Verbleib in den Gehörgängen sorgen könnten. „Ritual“ strotzt vor modernem Klimbim, was dem Song aber erstaunlich gut zu Gesicht steht. Die Hintergrundchöre wirken zunächst etwas befremdlich, doch mit jedem Durchlauf reifen sie zu einem tragenden Element eines Tracks, der mit Symphonic Metal absolut nichts mehr zu tun hat, aber dennoch einen der Anspieltipps des Albums darstellt. Mit „Wireless“ drückt die Band ihr Entsetzen über den russischen Einmarsch in die Ukraine aus. Einer der härteren Songs der Platte, der mit druckvollen Riffs und Sharons powervollem Gesang zu gefallen weiß.

„Shed My Skin (feat. Annisokay)“ rockt ganz gut, kein Wunder: Mit dem Gesangsduo Rudi Schwarzer/Christoph Wieczorek von den deutschen Alternative Rockern ANNISOKAY gibt es stimmkräftige Unterstützung.

Mit „Don‘t Pray For Me“ wird dann noch etwas in den Gefilden des Symphonic Metals herumgestochert, was den Song zu einem Highlight des Albums macht. „Cyanide Love“ fällt mit doomigen Elementen ziemlich düster aus, überzeugt aber mit einer besonderen Atmosphäre und beinahe beklemmenden Gesangseinlagen. „The Purge“ erschien bereits vor zwei Jahren als Single. Eine dynamische Nummer, die aber nicht wirklich überzeugt. Es fehlen einige ohrwurmverdächtige Passagen. Ähnliches gilt für die im Mai 2020 veröffentlichte Single „Entertain You“: Ein überdreht wirkender Uptempo-Song, der sich schwertut, hängenzubleiben.

Keine Kehrtwende zum Symphonic Metal

Handwerklich und kompositorisch ist das neue Werk der Niederländer solide, ohne jedoch zu glänzen. In der Tradition der drei Vorgängeralben gibt es rockige, temporeiche Momente, krawallige Riffs, düstere Passagen, poppige Gesangslinien und viele moderne Spielereien. Fast überflüssig zu erwähnen, dass auf Sharons gesangstechnische Kompetenzen gewohntermaßen Verlass ist. Ihre Range ist nach wie vor beeindruckend, insbesondere in den höheren Lagen hat sie immer noch ordentlich „Wumms“ in der Stimme.

Was dem Album aber fehlt ist die eine oder andere Ballade, doch solche Perlen wie „Memories“ oder „Our Farewell“ scheinen nicht mehr in das Konzept der Band zu passen. Zudem fehlt ein echter Hit, der umgehend die Gehörgänge infiltriert, den Status der Band untermauert und – wenn’s denn sein muss – auch mainstreamtauglich ist. So aber bleibt der Eindruck, dass „Bleed Out“ sicher keinen Meilenstein in der Diskografie der Band darstellen wird.

13.10.2023

Redakteur | Schwerpunkte: Classic Metal, Female Fronted Metal, Hard Rock

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