Dark Tranquillity
Der große Diskografie-Check!

Special

DARK TRANQUILLITY haben mit „Atoma“ nicht ganz die Erwartungen erfüllen können, die Kollege Kreutzer an das mittlerweile elfte Album der Schweden gestellt hat. Das hat uns natürlich nicht davon abgehalten, zur Feier der Veröffentlichung den gesamten Backkatalog der schwedischen Melodic-Death-Metal-Institution Revue passieren zu lassen. Neben besagtem Kollegen Kreutzer haben sich auch Chef Maronde sowie die Kollegen Popp und Klaas mit der Materie auseinander gesetzt und einen Leitfaden für die Diskografie der Band erstellt.

Der Twist: Wir konnten Frontröhre Mikael Stanne dazu überreden, auch seinen Input zu den Alben zu geben. Hiermit präsentieren wir also unseren Diskografie-Check zu DARK TRANQUILLITY!

Und vorab noch eine kleine Grußbotschaft von Mikael Stanne:

Skydancer (1993)

Das Debüt von DARK TRANQUILLITY wirbelte gleich mal gehörig Staub in der Szene auf. Diese Mischung aus aggressivem Death Metal und hochmelodischen Gitarrenläufen, bestens dokumentiert schon gleich beim Opener “Nightfall By The Shore Of Time“, traf den Geist der damaligen Zeit punktgenau. Daneben präsentierte die Band aber auch damals schon immer wieder ruhigere Stücke wie “A Bolt Of Blazing Gold“ oder “Alone“, teilweise gemixt mit Klar- und weiblichem Gesang. Das verband DARK TRANQUILLITY mit den kurze Zeit später durchstartenden Kollegen von IN FLAMES, unterschied sich aber von der viel aggressiveren Herangehensweise von AT THE GATES. Diese drei Kapellen gelten aber dennoch als die Hauptbegründer des typischen Swedish Melodic Death. “Skydancer“ ist noch nicht der ganz große Wurf, aber für ein Debüt schon erstaunlich stark. Und rückblickend betrachtet muss man diese Scheibe ganz klar im oberen Drittel der DARK TRANQUILLITY-Scheiben ansiedeln.

Highlights:

Nightfall By The Shore Of Time, A Bolt Of Blazing Gold, Skywards, Alone

Besonderheiten:

Hr. Stanne ist hier nur bei den Clean Vocals am Mikro, ansonsten sang Anders Fridén (später IN FLAMES), jaja, das konnte der damals noch richtig gut…

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Klares Ja!

Das sagt Mikael Stanne zur Frühphase bis hin zu „Skydancer“:

Damals waren wir ganz schön prätentiös. Mindestens. Als wir die Band gegründet haben, hatten wir große Vorstellungen davon, was man als Death-Metal-Band machen könnte. Niklas (Sundin, Gitarre) hatte angefangen, Textkonzepte und Ideen für ganze Alben zu schreiben. Wir hatten einen langen Plan, welches Instrument wir hier einsetzen wollen, was wir dort erforschen wollen. Richtig ernst, aber das gab es damals auch nicht. Wir waren der Meinung, dass es damals nicht so viele Bands gab, die melodiöse Musik innerhalb vom Death Metal machten. Wir wollten also alles ausprobieren, das System herausfordern. Unsere EP „A Moonclad Reflection“ bestand aus zwei siebenminütigen Liedern, die wir großartig fanden. Die Texte waren unglaublich lang. Das haben wir von unserer damaligen Lieblingsband SABBAT um Martin Walkyier abgeschaut. Die waren große Vorbilder für uns und hatten phantastische Texte. Musikalisch wollten wir so intensiv wie KREATOR und so melodisch wie HELLOWEEN sein.

Damals waren wir schlecht und konnten kaum spielen. Das fühlt sich heute jedenfalls so an. Ich konnte nicht besonders gut Gitarre spielen, aber wir haben natürlich unser Bestes gegeben. Bei „Skydancer“ waren wir ja auch erst 18 Jahre alt. Es war eine coole Erfahrung.

Damals gab es in Göteborg noch keine Studios, die sich auf extremen Metal spezialisiert hätten. Im Studio Soundscape hatten die Tontechniker solche Musik noch nie gehört. Wir haben denen also jede Menge Sachen vorgespielt, die wir gut fanden. Die Tontechniker meinten nur: „Das klingt aber ziemlich fürchterlich!“ Und wir so: „Nein, nein, das ist genau so, wie wir klingen wollen!“ „Of Chaos And Eternal Night“ haben wir dann im Studio Fredman eingespielt, und Fredrik Nordström hatte wirklich Ahnung. Er hatte schon AT THE GATES und CEREMONIAL OATH im Studio und sofort begriffen, was wir haben wollten.

The Gallery (1995)

Wenn die zweite Scheibe einer Band die stärkste ist, dann spricht das nicht unbedingt für eine stetige Entwicklung. Aber im Falle von „The Gallery“ kann man über diesen Makel getrost hinwegsehen, denn  dieses Album ist von A bis Z einfach nur genial und absolut perfekt. DARK TRANQULLITY sprudelten auf ihrem Magnum Opus nur so über von Ideen. Was da an superben Riffs, Hooks und Gesangslinien in jedem einzelnen Track verbraten wird, da hätten die meisten anderen eine ganze CD davon gestrickt. Ein wahres Feuerwerk an Kreativität! Melodie und Härte harmonieren hier in perfekter Zweisamkeit, die Dramaturgie der Scheibe ist einzigartig und jeder Song ist ein absoluter Volltreffer, Anspieltipps verbieten sich eigentlich. Und nie wieder kam Mikael Stanne an seine Gesangsperformance von „The Gallery“ heran, auch wenn er nie einen wirklich schlechten Job abgeliefert hat. Aber hier nimmt man ihm jedes einzelne Wort ab, mit einer solchen Inbrunst und Hingabe muss man erstmal singen. Diese Scheibe ist nicht weniger als ein absolutes Meisterwerk des Melodic Death, das auch die Jungs selber nie wieder toppen konnten.

Highlights:

“Eigentlich alles!“

Punish My Heaven, Lethe, The Emptiness From Which I Fed, …Of Melancholy Burning

Besonderheiten:

Damals tourte die Band noch mit Kapellen wie ENSLAVED oder BEWITCHED, heute unvorstellbar.

LineUp:

Sammlungswürdig:

Absoluter Pflichtkauf für JEDEN auch nur halbwegs qualitätsbewussten Melodic Deather!!!

Das sagt Mikael Stanne:

Hier hatten wir das Gefühl, dass wir technischere Sachen spielen konnten. Ich hatte vor „Of Chaos and Eternal Night“ an der Gitarre aufgehört, was die Sache vereinfacht hat, schwierigere Lieder zu spielen. Frederik Johansson kam in die Band, ein wirklich begabter Gitarrist. Wir wollten ein paar Sachen ausprobieren, die eher progressiv waren. Wir waren sehr stark von den Achtzigern beeinflusst, aber auch von den späteren DEATH. Für uns klang das äußerst heftig. Ich hatte aber auch das Gefühl, dass wir als richtige Band machen konnten, was wir wollten. Wir waren 20, 21 Jahre alt, unglaublich selbstbewusst und auch ein wenig angeberisch. Wir wollten machen, wozu wir Lust hatten, und kannten keine Einschränkungen. Heute sind wir viel vorsichtiger, aber damals ging es nur in eine Richtung: Vorwärts!

The Mind’s I (1997)

Als „The Mind’s I“ zur Veröffentlichung anstand, war die Frage eigentlich nur, ob DARK TRANQULLITY halbwegs an den genialen Vorgänger würden anknüpfen können. Und ja, sie konnten. Die Scheibe ist wirklich nur marginal schwächer als „The Gallery“, also immer noch auf absolutem Weltklasse-Niveau angesiedelt. Einige andere kommen übrigens zu einer leicht anderen Einschätzung und setzen „The Mind’s I“ auf Nummer 1. Die Hitdichte ist nicht mehr ganz so schwindelerregend hoch, dennoch ist die Platte unheimlich homogen und wirkt irgendwie reduzierter, nicht mehr ganz so ausschweifend. Und DARK TRANQUILLITY reizen ihre ganze Bandbreite wieder mal aus, vom fiesen „Zodijackyl Light“ über das hymnisch-schleppende „Hedon“ bis hin zum äußerst melancholischen „Insanity’s Crescendo“. Und wieder mal wird einem bewusst, kein Death-Metal-Shouter leidet so schön wie Herr Stanne.

Highlights:

Dreamlore Degenerate, Zodijackyl Light, Hedon, Insanity’s Crescendo

Besonderheiten:

Dass dies das letzte Album auf einem Indie-Label (Osmose) sein sollte, nahm man damals nur als eher unbedeutende Randnotiz hin.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Gehört ebenfalls in jede Plattensammlung des melodischen Todesstahls.

Das sagt Mikael Stanne:

„The Mind’s I“ war unsere letzte Platte auf Osmose. Die haben damals einen guten Job gemacht, waren tüchtig und hatten einen guten Vertrieb. Aber für die Leute war Osmose natürlich ein Black-Metal-Label. Als wir unsere erste Tournee gespielt haben, kamen einige Leute mit Corpsepaint zu den Konzerten und haben sich ziemlich über uns gewundert.

„The Mind’s I“ waren so etwas wie eine Fortsetzung von „The Gallery“: Die technischen Sachen waren etwas länger und die harten Sachen etwas härter. Aber dann sind wir das erste Mal richtig auf Tournee gewesen und haben gesehen, was live gut funktioniert und was eher weniger. Danach haben wir auch wieder kürzere Sachen geschrieben.

Projector (1999)

Da war er also, der Stilbruch in der Karriere von DARK TRANQUILLITY. Mit „Projector“ konnten zunächst einmal die wenigsten so richtig etwas anfangen. Natürlich gab es da noch Songs mehr oder weniger vom alten Schlag wie „The Sun Fired Blanks“, „Doberman“ oder „On Your Time“. Aber Mikael Stanne entdeckte auf diesem Album seinen Klargesang wieder und setzte diesen auch ziemlich ausgiebig ein. Für so manchen alten Fan viel zu oft. Aber rückblickend muss man schon konstatieren, dass Hits wie „FreeCard“ oder „ThereIn“ gerade deswegen funktionieren. Natürlich geht das zu Lasten der Härte und rückte die Band gar etwas in die Nähe des Gothic Metals. An dieser Einschätzung ist vor allem ein Song wie „Day To End“ schuld, durchaus mutig, keine Frage, aber sehr gewöhnungsbedürftig. Damals hielten wir die Scheibe noch für eine Art Ausrutscher, nicht ahnend, dass sich hier die zukünftige Ausrichtung bereits ankündigen sollte.

Highlights:

ThereIn, Freecard, The Sun Fired Blanks, On Your Time

Besonderheiten:

Der Einstand bei Century Media, und man kann wirklich nur spekulieren, ob dies einen Einfluss auf die grundsätzliche Ausrichtung der Band hatte. Undenkbar ist das sicher nicht.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Ein eingeschränktes Ja, man braucht für diese Scheibe schon eine gehörige Portion Offenheit.

Das sagt Mikael Stanne:

Zu der Zeit wurde ziemlich viel über den Göteborg-Sound und die Göteborg-Szene gesprochen. Damals ging es sehr stark darum, ob man Teil eines Sounds oder einer Stadt ist. Bei uns hat das das Gegenteil bewirkt: Wir wollten nicht so klingen wie andere, das fühlte sich in gewisser Weise unoriginell an. Das hat in das Songwriting von „Projector“ hineingespielt. Das Album war für uns ein Wendepunkt. Damit haben wir gezeigt, dass wir mehr als bloß Melodic Death Metal spielen können.

Haven (2000)

Martin Brandström wurde im Vorfeld der Aufnahmen zu “Haven” fest als Keyboarder in die Band aufgenommen, was man auch sofort hört. Unterdessen schien die Begeisterung für Stannes Klargesang wieder abgeebbt zu sein, denn den findet man auf “Haven” eigentlich nur noch im Song “Emptier Still”. Das tat der Musik jedoch keinen Abbruch, das Album klingt trotz allem peppig, und einige Hits hat das Album natürlich auch zu bieten. Neben dem grandiosen Opener “The Wonders At Your Feet” und dem nicht minder großartigen “Not Built To Last” sind es auch “Indifferent Suns” und der Titeltrack, die sich vor allem mit ihren Melodien dauerhaft in die Hirnwindungen hineinfräsen. Ein bisschen Füllmaterial ist da, klar, aber dennoch haben DARK TRANQUILLITY mit “Haven” einen mehr als soliden Eintrag in ihrer Diskografie geschaffen.

Highlights:

Not Built To Last, Haven, Indifferent Suns

Besonderheiten:

Der erneute, weitgehende Verzicht auf klaren Gesang und der vermehrte Einsatz von Keyboards zeichneten “Haven” aus. Textlich setzt sich Stanne lose mit seinen eigenen Unzulänglichkeiten auseinander.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Durchaus.

Das sagt Mikael Stanne:

Das war das erste Album mit Martin Brändström. Martin kannten wir von früher und mochten seine damaligen Bands. Bevor er bei uns einstieg war er der Meinung, dass in unserer Musik kein Platz für Keyboards wäre. Wir waren anderer Ansicht, und mit ihm hatten wir die Möglichkeit, Keyboards richtig einzusetzen. Vorher hatte immer jemand anders oder wir selbst eher nebenbei die Tasten bedient. Mit den Jahren haben wir uns und er sich immer weiterentwickelt; er spielt mehr Melodien, er spielt organischer und rhythmischer.

„Haven“ begann zunächst als natürliche Fortsetzung von „Projector“, mit langsamen Liedern. Aber dann sind wir getourt und haben die Stücke getestet und gesehen, wo wir noch an Härte und Intensität zulegen müssen.

Damage Done (2002)

„Final Resistance“, was für ein mächtiger Opener. So hart und angepisst hatten DARK TRANQUILLITY schon lange nicht mehr geklungen. Doch leider entdeckte die Band damals mehr und mehr das Keyboard für sich, das nahm dem Sound dann schon einiges an Wucht. Aber mit dem festen Einstieg von Martin Brändström beim Vorgänger „Haven“ (mit noch dominanteren Keys) als Herr der Tasten war eigentlich klar, dass man nun verstärkt auf dieses Instrument setzen würde. Das ruft bei so manchem bis heute gemischte Gefühle hervor. Wohlwollend registrierten hingegen viele, dass Mikael Stanne wieder ausnahmslos growlte. Und teilweise konnten die Jungs auch überzeugen, vor allem dank eingängiger Hits wie z.B. „Monocromatic Stains“ oder „The Treason Wall“. Es gelang Ihnen aber längst nicht mehr so gut wie früher, das Niveau über die gesamte Spielzeit richtig hoch zu halten.

Highlights:

Final Resistance, Monochromatic Stains, The Treason Wall, Damage Done

Besonderheiten:

Dass man hier das Keyboard wieder etwas weiter zugunsten der Gitarren in den Hintergrund rückte, war kurioserweise ausgerechnet eine Idee von Herrn Brändström.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Nur bedingt, da die Scheibe eher im (gehobenen) Durchschnitt angesiedelt ist.

Das sagt Mikael Stanne:

Im Rückblick empfanden wir „Haven“ als ein bisschen zu soft. Man geht ja immer durch unterschiedliche Phasen, und bei „Damage Done“ hatten wir einfach Lust, wieder schnellere Sachen  zu spielen. Uns kamen die Sachen knallhart vor, und wir hatten richtig Spaß bei den Aufnahmen. Aber es war auch sehr intensiv. Wir sind dann lange getourt, und das hat meine Stimme ziemlich in Mitleidenschaft gezogen: Ich konnte wochenlang nicht sprechen – schreien schon, aber nicht sprechen. Auf der USA-Tour war das wirklich furchtbar. Aber es ging wieder vorbei.

Character (2005)

Bei “Character” verzichteten DARK TRANQUILLITY – wie schon auf dem Vorgänger – auf klaren Gesang. Dazu lenkte die Band ihre Musik in eine technischere, aggressivere Richtung, während Brandströms Keyboards eine weiterhin untergeordnete oder besser: unterstützende Rolle spielten. Will sagen, dass sie lange nicht so dominant eingesetzt wurden wie auf “Haven”. Auch war das Album insgesamt etwas kälter und sperriger ausgefallen. Dazu spielte man mit progressiveren Elementen, etwa in “Senses Tied”, die im nachfolgenden “Fiction” noch weiter ausgebaut werden sollten. “The New Build” und “Lost To Apathy” kennt man ja, aber auch “The Endless Feed” und “Dry Run” setzen sich sofort im Gehörgang fest. Insgesamt bieten DARK TRANQUILLITY auf “Character” ihre gewohnte Qualität, vielleicht teilweise etwas zu gewohnt, sind einige Tracks dann doch austauschbar und bieten wenig Aufregendes. Damit steht das Album etwas im Schatten vorausgegangener Veröffentlichungen. Es ebnete dafür aber den stlistischen Weg für das kommende Album, mit dem DARK TRANQUILLITY wieder über sich hinaus wachsen sollten.

Highlights:

The Endless Feed, Lost To Apathy, Dry Run, Senses Tied

Besonderheiten:

“Character” klingt etwas aggressiver, vereinzelt auch progressiver, was sich auf “Fiction” fortsetzen sollte. Die Texte drehen sich grob um das titelgebende Thema, soll heißen, dass diverse, menschliche Charakteristika beschrieben werden.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Durchaus, auch wenn andere Veröffentlichungen der Band einen gewissen Vorzug genießen sollten.

Das sagt Mikael Stanne:

„Character“ haben wir in drei verschiedenen Studios aufgenommen und ziemlich viel selbst gemacht. Das hört man auch im Sound. Wir wollten eine gewisse Änderung haben.

Fiction (2007)

Was sich auf “Character” angedeutet hat, wurde nun mit wesentlich mehr Konsequenz durchgeführt. “Fiction” zeigt eine Band, die ihren bisherigen, kreativen Zenit erreicht hat. Zwar nicht so aggressiv wie in ihren frühen Tagen, bot man progressives Songwriting mit vielen Ecken und Kanten. Vor allem reihten DARK TRANQUILLITY Hit um Hit aneinander. Die Keyboards rückten wieder etwas mehr in den Vordergrund, Stanne setzte zum ersten Mal seit “Haven” wieder seine klare Stimme ein, und zwar bei “Misery’s Crown” und dem zugegeben etwas kitschigen “The Mundane And The Magic”. Bei letzterem sang auch Nell Sigland, ihres Zeichens damalige THEATRE OF TRAGEDY-Stimme. Weiblicher Gesang kam im Übrigen seit “Projector” nicht mehr in einem DARK TRANQUILLITY-Album vor. Doch das sind nur Details, ist “Fiction” schließlich ein hervorragendes Album dieser Band und eines, mit dem sich DARK TRANQUILLITY selbst seit jeher stets messen lassen müssen – und das völlig zu Recht.

Highlights:

Alles!

Besonderheiten:

“Fiction” hat eine enorme Hitdichte und zeigt ein deutlich differenzierteres, ambitionierteres Songwriting der Band. Die Texte drehen sich derweil um die Auseinandersetzung mit den individuellen Problemen der Menschen und kritisierten in “The Lesser Faith” etwa das Konzept von Religion im Allgemeinen als Projektion der jeweiligen Angelegenheit auf eine höhere, “magische” und nicht greifbare Entität.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Ja!

Das sagt Mikael Stanne:

Hier haben wir im Studio wieder alles selbst gemacht. Bei den Aufnahmen waren nur wir im Studio, und dann haben wir alles zu Tue Madsen zum Mix geschickt. Wir wollten unbedingt mit ihm zusammenarbeiten, weil er wirklich Ahnung davon hat, wie knallharte Musik klingen muss. Da wir die Studiotechnik besser im Griff hatten, konnten wir viel mehr ausprobieren. Ich erinnere mich, dass im Studio unheimlich viel passiert ist.

We Are The Void (2010)

Nach dem überragenden „Fiction“ nachzulegen hätte so mancher Band so manches Problem bereitet. DARK TRANQUILLITY lösen die schwierige Aufgabe 2010 kongenial mit „We Are The Void“, einem Album das deutlich düsterer daherkommt als sein Vorgänger, und dessen Hits sich weniger aufdrängen. Vielleicht ist es deshalb so gut. Klar hörbar ist eine ausgeprägte Black-Metal-Note in Songs wie „Arghangelsk“ und „Iridium“, die dieses DARK-TRANQUILLITY-Album mit einer neuartigen, atmosphärischen Kälte überzieht. Stanne setzt seinen Klargesang sparsamer ein als zuletzt und die gekonnt eingestreuten Keyboards veredeln Brecher wie „The Fatalist“ endgültig. Dabei hat „We Are The Void“ aber durchaus auch gitarrenlastige Tracks wie „In My Absence“ und „I Am The Void“ zu bieten, die den schwedischen Todesstahl nur so schimmern lassen. Album Nummer neun aus dem Hause DARK TRANQUILLITY gelingt, woran „Construct“ und „Atoma“ später zumindest partiell scheitern sollten: die perfekte Melange aus neuen und alten Sounds, Atmosphäre und Dynamik.

Highlights:

Das größte Ohrwurmpotential halten „The Fatalist“ und „I Am The Void“ bereit,  „Arghangelsk“ und „Iridium“ überzeugen durch die angesprochene Atmosphäre der Kälte.

Besonderheiten:

„We Are The Void“ ist das einzige DARK-TRANQUILLITY-Album mit Daniel Antonsson am Bass. Es enthält außerdem die laut Mikael Stanne düstersten und ernsthaftesten Texte der Bandgeschichte. Oberthema ist die „Leere im Menschen“. Niklas Sundin war aus Zeitgründen ausnahmsweise nicht für das Albumcover verantwortlich.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Ja.

Das sagt Mikael Stanne:

Auf „We Are The Void“ haben vor allen Dingen Martin und Niklas die Songs geschrieben. Martins Songs waren etwas härter, hatten mehr Thrash- und Metal-Einflüsse. Niklas fühlte sich zu der Zeit eher frustriert und wollte die Musik weiterentwickeln. Seine Songs hatten eine leichte Black-Metal-Prägung, waren etwas dissonant und länger. Das war wirklich ein anderer Einfluss. Martins Songs waren so gesehen eher traditionell. Insgesamt passiert auf dem Album aber richtig viel und es zeigt verschiedene Seiten der Band. Wir haben unser Spektrum noch einmal erweitert und ausgelotet, wie weit wir gehen können.

Construct (2013)

Auf der bis dato vorletzten Scheibe verstärkte sich der Eindruck, dass DARK TRANQUILLITY irgendwie mit angezogener Handbremse agieren. Beispielhaft für diese These steht der Opener „For Broken Words“, wo man immer wieder das Gefühl hat, gleich würde der Song explodieren. Doch stets verliert man sich dann irgendwie in gewollt atmosphärischem Gewaber. Auch das ziemlich seichte und fast schon auf Radio getrimmte „Uniformity“ wird eher von Mikaels Gesang gerettet, als dass es überzeugen kann. Die Band steckte irgendwie in einer Sackgasse: Zurück zu den ganz alten Fans wollte man nicht mehr, und für die modernere Ausrichtung der letzten Jahre hatte man nicht genügend richtig gute Ideen. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel, aber dass ausgerechnet das harte „Apathetic“ mit seiner größtenteils sehr rückwärtsgerichteten Ausrichtung eines der Highlights ist, sollte einem als Band dann doch zu denken geben. Alles in allem leider ein etwas blutarmer Auftritt. Die Band betonte in diversen Interviews zu dieser Veröffentlichung, dass man während des Songwritings an einer regelrechten Schreibblockade gelitten habe. Das merkt man leider.

Highlights:

The Science Of Noise, Uniformity, Apathetic

Besonderheiten:

Ab dieser Scheibe agierte man für die folgenden drei Jahre ohne festen Bassisten.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Eher nicht.

Das sagt Mikael Stanne:

„Construct“ war das erste Album, das wir nicht im Proberaum geschrieben haben. Es ist leicht, immer nach demselben Muster vorzugehen, aber wir wollten etwas ändern und ausprobieren. „Construct“ haben wir komplett im Studio geschrieben und direkt die Ideen mit Cubase aufgenommen. Man kann natürlich im Proberaum neue Songideen spielen, Demos aufnehmen und dann erst jedes kleine Detail mühsam erarbeiten und diskutieren. So ist es dann ein langer Weg, bis man herausgearbeitet hat, was jeder spielen soll.

Mit der neuen Arbeitsweise kann man beispielsweise ein Synth-Schlagzeug einprogrammieren und hat dadurch schneller eine gemeinsame Grundlage. Dadurch bekommt man ein besseres Verständnis für den Song. Das hat es uns sehr erleichtert, den Kern eines Songs zu erkennen und herauszuarbeiten, was wichtig ist. Das interessant und spannend, erst die Songs fertig zu erarbeiten, dann Demos zu machen und auf der Basis dieser Demos dann die einzelnen Instrumente aufzunehmen. Das lief extrem geschmeidig ab.

Atoma (2016)

„Construct“ empfand manch einer als Enttäuschung – „Atoma“ hätte ein Statement werden können. Und zu Anfang sieht es auch fast so aus. „Encircled“ spielt mit viel Atmosphäre, einem großartigen Hauptthema und starker Dynamik zwischen Verse und Refrain alle Stärken der modernen DARK TRANQUILLITY aus. Der folgende Titeltrack meldet danach einfach mal so Ansprüche auf das Erbe von „Misery’s Crown“ an. Stanne ist Gold wert, wenn er seinen mehr als hörbaren Klargesang derart variabel und im Wechsel mit seinen unverkennbar kehligen Growls einsetzt. Schnell macht sich nach einem fulminanten Start allerdings Ernüchterung breit, die vor allem damit zusammenhängt, dass DARK TRANQUILLITY immer wieder auf die gleichen Stimmungen, Songstrukturen, ja Melodien zurückgreifen. Nach einem ordentlichen Durchhänger zur Mitte findet „Atoma“ im Ausklang dann noch den versöhnlichen Abschluss. „Merciless Fate“ weicht kompositorisch und auch spielerisch angenehm vom überperfektionierten DT-Schema ab und „Caves and Embers“ ist einfach eine weitere dieser Midtempo-Hymnen, die DARK TRANQUILLITY aus dem Ärmel schütteln, ohne dass sie dadurch weniger gut würden. Kein wirklich schlechtes Album, für DARK TRANQUILLITY aber eine Enttäuschung.

Highlights:

Der bockstarke Albumstart mit „Encircled“, „Atoma“ und „Forward Momentum“.

Besonderheiten:

„Atoma“ verwendet wie schon „Construct“ auf dem Cover nur die stilisierten Buchstaben „DT“ anstelle des Bandnamens. Im Januar 2016 verließ Martin Henriksson die Band, für die er seit ihrer Gründung als Gitarrist und Bassist tätig war.

Line-Up:

Sammlungswürdig:

Nein.

18.11.2016

- Dreaming in Red -

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