
FULL REWIND: Ein Festival als Gegenentwurf
Special
Mit der dritten Ausgabe des FULL REWIND Festivals ist aus einem nostalgischen „Zurück auf den Acker“-Moment längst ein eigenständiges Statement geworden. Im aktuellen metal.de-Podcast Metal Minds – The Pit Unplugged spricht Mitbegründer Bogo (Roland Ritter) offen über Wachstum, Haltung und die bewusste Entscheidung, sich gegen Investorenmodelle und Mainstream-Logiken zu stellen. Es ist ein Gespräch über Szene-Identität, Verantwortung und darüber, warum Festivals heute mehr denn je wissen müssen, wofür sie stehen.
Während viele etablierte Festivals in den vergangenen Jahren strategische Investoren an Bord geholt haben, verfolgt das FULL REWIND bewusst einen anderen Kurs. Für Bogo ist diese Entwicklung kein neutraler Strukturwandel, sondern eine grundsätzliche Frage der Haltung. Große Entertainment-Konzerne, so seine klare Einschätzung, verändern zwangsläufig die Entscheidungslogik und damit auch das Booking, die Atmosphäre und die Identität.
Organisches Wachstum statt Maximierung
FULL REWIND wächst, aber langsam und kontrolliert. Statt auf schnelle Skalierung setzt das Team auf ein organisches Modell: eine treue Stammkundschaft, ergänzt durch eine nachrückende jüngere Generation. Genau dieser Generationenmix ist zentral für das Verständnis des Festivals. Alte Legenden stehen bewusst neben jüngeren Acts, Thrash-Metal-Revival trifft auf aktuelle Strömungen. Nicht, um Trends hinterherzulaufen, sondern um Brücken innerhalb der Szene zu schlagen.
Dabei geht es ausdrücklich nicht um maximale Besucherzahlen. „Belanglos austauschbare“ Programme, die nur auf Reichweite abzielen, sind für Bogo kein Zukunftsmodell. Das FULL REWIND versteht sich als Subkultur-Festival, nicht als Volksfest mit Metal-Soundtrack.
FULL REWIND: Unabhänigkeit als Grundprinzip
Im Gespräch mit Bogo wird deutlich, dass die Unabhängigkeit ein zentrales Thema bleibt. Das FULL REWIND Festival bleibt bewusst autark: keine Großinvestoren, keine externen Vorgaben beim Booking, keine Anpassung an agenturseitige Machtspiele. Spielzeiten, Gagen und Programmstruktur orientieren sich an der eigenen Zielgruppe, nicht an Marktlogiken.
Diese Haltung zeigt sich auch in der Reduktion des Rahmenprogramms. Keine überfrachteten Sponsorenflächen, kein Event-Overkill. Musik und Gemeinschaft stehen im Mittelpunkt – alles andere ist Beiwerk.
Die Knüppelnacht als identitätsstiftendes Element
Ein fester Bestandteil dieser Identität ist die Knüppelnacht. Was einst beim WITH FULL FORCE begann, ist heute beim FULL REWIND mehr als nur ein Programmpunkt: Sie ist Tradition, Erwartungshaltung und für viele Besucher sogar der Hauptgrund für ihre Anreise. Extrem-Metal als bewusster Gegenpol, nicht als Randerscheinung, auch das ist Teil der klaren Positionierung.
FULL REWIND: Atmosphäre, Sicherheit und Verantwortung
Trotz rauer Musik beschreibt Bogo die Atmosphäre auf dem Gelände als auffallend friedlich. Respektvolles Miteinander, klare Regeln und konsequentes Eingreifen bei Fehlverhalten gehören zum Selbstverständnis. Auch infrastrukturell wird Verantwortung übernommen, während zu WITH FULL FORCE-Zeiten noch verbotenerweise manche Gäste Baden waren, ist der Badestrand seit der ersten FULL REWIND Ausgabe offiziell organisierten und überwacht. Dies gilt auch mit Blick auf die früheren Risiken, die so bewusst entschärft werden sollen.
Festivalmachen als Herzenssache
Wirtschaftlich bleibt das Geschäft schwierig, wie Bogo im Podcast beschreibt. Steigende Kosten, ein weitgehend toter Tonträgermarkt und schmale Margen für Bands prägen die Realität. Für Bogo ist das Festivalmachen deshalb kein Geschäftsmodell, sondern eine Herzenssache. Schwarze Zahlen sind ein Ziel, aber nicht um jeden Preis. Sollte die Unabhängigkeit gefährdet sein, wäre auch ein Schlussstrich denkbar.
Direkter Vertrieb statt „Mitesser“-Kultur
Auch beim Ticketing bleibt das FULL REWIND konsequent. Der Verkauf erfolgt primär über die eigene Website, um zusätzliche Gebühren externer Plattformen zu vermeiden. Wenn Bogo von „Mitessern“ spricht, meint er genau diese Strukturen, die an Kulturveranstaltungen mitverdienen, ohne selbst Teil der Szene oder der Organisation zu sein. Direkter Vertrieb bedeutet für das Festival: mehr Kontrolle, geringere Kosten und die Möglichkeit, das Geld dort einzusetzen, wo es hingehört – in Musik, Infrastruktur und faire Bedingungen für Bands und Crew.
FULL REWIND 2026
Das FULL REWIND Festival findet 2026 vom 30. Juli bis zum 1. August in Roitzschjora statt. Camping ist ab Mittwoch möglich, die Abreise am Sonntag ist bewusst entschleunigt. Tickets sind primär über den eigenen Shop erhältlich.

Das FULL REWIND Festival ist damit mehr als nur ein Rückblick auf „alte WITH FULL FORCE“-Zeiten oder ein weiteres traditionsbewusstes Festival, das nicht wagt über den eigenen Tellerrand zuschauen. Es ist ein Gegenentwurf zu einer Festivallandschaft, die sich zunehmend nicht nur professionalisiert, sondern auch aufgrund einer schwierigen Gesamtsituation in der Live-Branche immer mehr Gefahr läuft, durch den Fokus auf ökonomische Faktoren den Ausverkauf durch Investoren preisgegeben zu werden und dabei ihre Wurzeln zu verlieren. Das FULL REWIND setzt daher auf ein gut kurratiertes Line-Up, auf Szenekenntnis und Herz und möchte so nicht ein weiteres beliebiges Festival sein, sondern ein Festival, das aus der Szene für die Szene entsteht.
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Diana Heinbucher
































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