Kamelot
Die frühen Jahren unter der Lupe
Special
Lange waren die Noise-Records-Alben von KAMELOT gesuchte Raritäten, für die auf Second-Hand-Märkten hohe Sammlerpreise gezahlt wurden. Zum 30. Geburtstag des Debüts „Eternity“ nimmt sich BMG dem Frühwerk an und veröffentlicht „Eternity“, „Dominion“ und „Siége Perilous“ als Boxset auf CD und Vinyl neu. Die Tracks wurden remastert, dazu gibt es einige Bonustracks. Die CD-Version erscheint im stabilen, hochwertig gestalteten Pappschuber mit drei Digisleeves, Booklet und Poster.
Die Besprechung der drei Alben führen Johannes Werner und Jannik Kleemann in einem schriftlichen Gespräch. Besonders bei „Eternity“, das Werner bereits in unserer „Blast From The Past“-Serie behandelte, nimmt Kleemann häufig Bezug auf dessen Rezension, sodass der Stil aller drei Texte von klassischen Reviews abweichen kann. Vorhang auf für KAMELOTs Frühwerk – oder, um es mit Johannes Werners Worten zu sagen: In eine Zeit, als Power Metal noch gut war.
(Jannik Kleemann)
KAMELOT – Eternity (1995)
Man stelle sich die Szene so vor: Während Jannik mit KAMELOTs Output ab „Ghost Opera“ zufrieden ist und auch die Werke mit Tommy Karevik am Mikrofon schätzt, drängt Johannes ihn seit Jahren, endlich „Eternity“ anzuhören. Klar, das Album steht längst bei ihm im Regal – einst gebraucht bei unseren Freunden von Hot Shot Records ergattert – doch mehr als ein Durchlauf war bisher nicht drin. Mit der Ankündigung des Remasters stand für Johannes fest: „Jannik, die ‚Eternity‘ schreibst du! Und erwähne mein grandioses ‚Blast From The Past‘-Review möglichst oft!“
Johannes, dein „Blast From The Past“-Review ist stark, und deine Leidenschaft für „Eternity“ spürt man auf jeder Zeile. Wie soll man das als Allrounder des metallischen Genres noch toppen? Ein unvoreingenommener Blick auf diesen Rohdiamanten scheint der beste Weg zu sein.
Das Intro des Openers „Eternity“ erinnert mit seinen Synthies stark an den Soundtrack eines 90er-Jahre-Rollenspiels. KAMELOT featuring „Baldur’s Gate“ – warum nicht? Mit progressivem Gitarrenspiel wirkt der Song seiner Zeit voraus, während Mark Vanderbilts Gesang wie eine Mischung aus Ralf Scheepers, Bruce Dickinson und Michael Kiske klingt.
Auch Ohrwürmer liefert die junge Band aus Florida schon. Noch Stunden nach Albumende hängt „The sea is calling me“ aus dem Refrain von „Call Of The Sea“ im Kopf fest. Insgesamt wirkt „Eternity“ gitarrenorientierter und weniger keyboardlastig – ein Punkt, den Johannes in seiner Review treffend herausstellte.
Im Vergleich zur Original-CD klingt das Remaster lauter und druckvoller, ohne den Geist des Originals zu verfälschen. Die Stellschrauben wurden behutsam gedreht, sodass alte Fans wie Neueinsteiger das Debüt unverfälscht erleben können. Mit späteren Werken wie „The Shadow Theory“ hat „Eternity“ allerdings kaum Gemeinsamkeiten.
Ob man nun eine 9er-Wertung oder etwas weniger ansetzt, bleibt Geschmackssache. Fakt ist: „Eternity“ ist für ein Debütalbum eigenständig, gut produziert, erstaunlich ausgereift – und ohne Totalausfall.
7,5/10 – mit Tendenz zur 8
(Jannik Kleemann)
KAMELOT – Dominion (1996)
Immerhin hat Johannes ein Selfie von Jannik mit der “Dominion”-CD in der Hand auf dem Handy – fragt besser nicht! Das beweist aber, dass wir uns nicht immer nur mit den entgegengesetzten Hälften einer Diskografie auseinandersetzen. “Dominion” lässt sich als “Eternity 2.0” bezeichnen und das ist keineswegs negativ gemeint. Im Gegensatz zum Spätwerk erkennt man hier noch die gleiche Band wie auf dem Debüt, nur dass an jeder Ecke eine Prise mehr stattfindet. Die Songs geben sich progressiver, streckenweise orchestraler und zugleich härter. Gleich beim Opener “Heaven” muss Mark Vanderbilt seine Stimmbänder ordentlich strapazieren. Apropos: Der hier letztmalig zu hörende Sänger klingt auf “Dominion” viel weniger nach CRIMSON-GLORY-Röhre Midnight als das noch bei “Eternity” der Fall war.
Das bekommt den Songs mal mehr und mal weniger gut. In der Bemühung, beim Songwriting nicht den einfachen Weg zu wählen, scheitern KAMELOT manchmal an dauerhaft fesselnden Strukturen, obwohl die einzelnen Ideen hochwertig sind. “One Day I’ll Win” ist so ein Beispiel: Der Song will nicht zum Ziel kommen. “Rise Again” plätschert ebenfalls etwas unspektakulär vor sich hin. Der Rest ist überwiegend in gewohnter Stärke. “Song Of Roland”, “Birth Of A Hero” und “Troubled Mind” sind liebenswert-naive Power-Metal-Perlen, die das überlebensgroße Potenzial der Band nur andeuten, aber in den Neunzigern eine neue Ära des Power Metal einleiteten.
Zugleich muss bei aller Wertschätzung gesagt werden, dass man “Dominion” aus heutiger Sicht zwei Dinge anhört. Erstens sind die Orchester-Keyboards fast so schlecht gealtert, wie die Eskapaden eines gewissen David DeFeis und zweitens spürt man, dass das Ende der Fahnenstange mit Mark Vanderbilt erreicht war, obwohl die Zusammenarbeit mit Roy Khan auf dem Folgewerk noch nicht annähernd so fruchtbar war wie auf den späteren Klassikern der Band.
Wertschätzende 7/10
(Johannes Werner)
KAMELOT – Siége Perilous (1998)
Mit dem dritten Album „Siége Perilous“ (wie spricht man das „Siége“ mit Accent eigentlich aus?) betritt ein Name die Bühne, der KAMELOT bis 2010 prägen wird: Roy Khan. Er folgt auf Mark Vanderbilt und verleiht der Band mit seiner markanten Stimme den Sound ihrer bekanntesten Werke. Seine Wahl überrascht kaum, schließlich bewegte sich auch seine frühere Band CONCEPTION im Power-Prog.
Musikalisch orientieren sich KAMELOT nun deutlich stärker am Euro-Power-Metal – wenig erstaunlich, da sich die größte Fangemeinde auf dieser Seite des Atlantiks befindet. Keyboards und orchestrale Elemente treten stärker in den Vordergrund und rücken näher an das heran, was KAMELOT bis heute ausmacht. Gleichzeitig überzeugen die Songs mit prägnanten Riffs und Leads: von „Providence“ über die Stakkatos in „Expedition“ bis hin zum Finale „One Day“. Roy Khans Gesang schwankt zwischen theatralisch, episch und melancholisch und prägt den Wiedererkennungswert entscheidend.
„Siége Perilous“ markiert ohne Zweifel den Beginn der modernen KAMELOT. Viele hier eingeführte Elemente greift die Band auf späteren Alben wieder auf, verfeinert oder erweitert sie zum pompösen Power-Symphonic-Metal, der sie berühmt machte. Die wachsende Fangemeinde gab ihnen recht, und auch 27 Jahre später bleibt das Werk stark und jedem KAMELOT-Fan uneingeschränkt zu empfehlen.
Starke 8/10
(Jannik Kleemann)
