Turn Back Time To 1997
Folge 1: "Whoracle" von In Flames

Special

Auch im neuen Jahr setzen wir von metal.de unsere Zeitreisen fort und landen diesmal logischerweise im Jahr 1997.

Jaja, damals waren wir noch jung, damals war alles besser, damals hatten Metaller noch lange Haare usw. Doch halt, stop, hören wir am besten einfach auf in Nostalgie zu schwelgen und starten unseren bunten Reigen illustrer Scheiben aus diesem Jahr einfach gleich mal mit einer Melodic-Death-Metal-Combo aus Schweden, die diese Bezeichnung damals wirklich noch verdient hatte…

Doch doch, es gab diese Zeit wirklich mal, als IN FLAMES noch richtig gute Alben veröffentlicht haben. Die Älteren unter uns werden sich bestimmt noch erinnern.

Und was habe ich diese Band damals geliebt! Die ersten sechs Scheiben von „Lunar Strain“ bis „Clayman“ kann sich auch heute noch jeder Melodic-Death-Fan bedenkenlos ins heimische Regal stellen. Die dann folgenden drei eher schon moderner angehauchten mit Abstrichen ebenfalls noch. Über den Rest, also über die Veröffentlichungen seit 2008, hüllen wir an dieser Stelle mal ganz dezent den Mantel des Schweigens. Denn schließlich wollen wir ja an dieser Stelle punktgenau ins Jahr 1997 reisen. Und da veröffentlichten IN FLAMES ein absolutes Highlight ihrer Karriere.

 

IN FLAMES „Whoracle“ – Fakten:

Aufgenommen und produziert wurde dieses dritte Album von IN FLAMES im Studio Fredman bei Fredrik Nordström mit Unterstützung der Band. Die Scheibe umfasst elf Songs mit einer Spielzeit von 42:24 und wurde am 27.10.1997 über Nuclear Blast veröffentlicht.

Besetzung:

Anders Fridén (v)
Jesper Strömblad (g)
Glenn Ljungström (g)
Johan Larsson (b)
Björn Gelotte (dr)

Tracklist:

1. Jotun
2. Food For The Gods
3. Gyroscope
4. Dialogue With The Stars
5. The Hive
6. Jester Script Transfigured
7. Morphing Into Primal
8. Worlds Within The Margin
9. Episode 666
10. Everything Counts
11. Whoracle

Damals war alles anders, die Gitarristen hießen Jesper Strömblad und Glenn Ljungström, und hinter den Kesseln saß ein gewisser Björn Gelotte, heute Gitarrist und Hauptsongwriter der Band. Und Herr Fridén konnte damals noch so richtig schön singen bzw. schreien. Kein Vergleich zu dem, was er heute so abliefert.

Das eröffnende „Jotun“ reiht sich dann auch gleich mal in die Reihe der ausnahmslos starken Opener („Behind Space“, „Moonshield“, „Embody The Invisible“ und „Bullet Ride“) der ersten zehn Jahre Bandgeschichte ein. Der Song ist ganz einfach ein hochmelodischer Stampfer mit genialen Ideen. Und von dieser Sorte hatten IN FLAMES damals noch so einige andere mit an Bord. Da wären z. B. „The Hive“ mit seinen feinen Soli oder aber die atmosphärische Walze „Worlds Within The Margin“, deren Melodiebögen sich direkt ins Hirn fräsen. Die Jungs haben den berühmten Knüppel ja eh eher seltener geschwungen als andere Bands dieses Genres. Und wenn man sich die eben erwähnten Songs anhört, dann weiß man auch warum: Genau diese Midtempo-Brocken war die Stärke dieser Truppe. Aber man konnte natürlich auch anders und ließ die Pferde gelegentlich schon mal von der Leine, nachzuhören bei den coolen Smashern „Food For The Gods“ oder „Morphing Into Primal“. Es ist ja nicht so, dass man es nicht drauf gehabt hätte.

IN FLAMES – Eine große Band in ihren besten Jahren

Dennoch fühlten sich die Jungs offensichtlich in den anderen Gefilden deutlich wohler. Und man schaffte es auch mühelos, den einen oder anderen Akustik-Part absolut passend zu integrieren. Beweise gefällig? Aber gerne doch! „Gyroscope“ ist so ein Kandidat, da fließen die akustischen Passagen so richtig schön mit dem hochmelodischen Rest mit. Oder aber „Jester Script Transfigured“, wo Anders anfangs zur unverzerrten Gitarre singt bzw. flüstert, bevor er dann gemeinsam mit dem Song so richtig explodiert. Auch hier überzeugt das Wechselspiel einfach voll. Zwei reine Instrumentals haben IN FLAMES dann auch noch auf ihr Konzeptalbum über Vergangenheit, Gegenwart und mögliche Zukunft unseres Planeten gepackt. Dabei weiß aber das reine Heavy-Metal-Stück „Dialogue With The Stars“ etwas mehr zu überzeugen als das atmosphärisch-akustische Titelstück zum Abschluss. Der wohl größte Hit der Platte ist natürlich „Episode 666“ und kommt sogar heute noch ab und zu live zum Zuge. Einfach ein mega eingängiger Kracher mit richtig feinem Refrain.

Eine Coverversion durfte es dann auch noch sein. Und es ist jetzt nicht so, dass man „Everything Counts“ von DEPECHE MODE schlecht intoniert hätte, absolut nicht. Dennoch sollte man von solchen Songs vielleicht generell besser die Finger lassen, da das Original ganz einfach zu übermächtig ist. Doch dieser klitzekleine Makel kann den Gesamteindruck von „Whoracle“ kaum schmälern, dafür ist die Scheibe als homogene Einheit ganz einfach zu gut.

Und passend für eine wichtige Veröffentlichung dieser Zeit vor allem aus Donzdorf ist natürlich auch das gelungene Andreas-Marschall-Cover.

Was IN FLAMES in den ersten zehn Jahren ihrer Karriere veröffentlichten, das ist nicht weniger als ganz großes Melodic-Death-Kino, ohne Abstriche. Die Band sprudelte damals nur so vor Kreativität und offenbarte ein so großes Potential, da hätte man aus jedem Lied auch gut und gerne zwei bis drei richtig starke basteln können, unglaublich. Und bei jeder Komposition hatte Jesper Strömblad seine Finger im Spiel, das ist genau der Input, der der Band heutzutage leider völlig abgeht.

IN FLAMES sind meiner Meinung nach eine der wenigen jungen Bands, die den Sprung zu einem Major gemeistert haben, ohne irgendwo einzubüßen, ganz im Gegenteil. Die wurden also nicht von irgendeiner großen Plattenfirma in eine massenkompatible Richtung gedrängt oder ganz einfach gesagt versaut. Der Stilwechsel vor allem der letzten vier Scheiben hin zum so genannten Modern Metal dürfte andere Ursachen haben. Aber das ist dann sicher mal eine Geschichte für eine andere Zeitreise.

06.02.2017
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