Nightwish
"Alles Mögliche kann passieren."

Interview

Vor gut einem Jahr veröffentlichten die finnischen Symphonic Metaller NIGHTWISH ihr neuntes Studioalbum „Human. :||: Nature.“ und hätten damit eigentlich Ende 2020 auf Tour gehen sollen. Coronabedingt musste diese Tour wie so viele andere verschoben werden, und es wurde still um NIGHTWISH. Zwischenzeitlich machten sie nur noch durch den überraschenden Ausstieg von Bassist Marko Hietala von sich reden. Nun melden sie sich aber mit einem zwei Abende umfassenden Online-Event namens „An Evening With Nightwish In A Virtual World“ zurück. Dies soll kein schnödes Streaming-Konzert werden, sondern eine ganz besondere Atmosphäre haben, wie Bandchef Tuomas Holopainen im Interview verrät. Am 28.05. und 29.05.2021 ist es so weit und 48 Stunden lang werden die Shows online abrufbar sein. Außerdem soll der/die neue Session-Bassist/in bei diesem Event enthüllt werden.

Hi Tuomas! NIGHTWISH-Konzerte sind normalerweise sehr episch und für die großen Bühnen gemacht. Da habe ich mich gefragt, wie gut das im Onlineformat funktionieren wird, das nun ansteht. Was meinst du?

Tuomas: Das wird sich zeigen. Wir sind deshalb auch ziemlich aufgeregt, denn wir hatten noch nicht die Gelegenheit, die Band in der virtuellen Umgebung zu sehen. Das machen wir erst Ende nächster Woche zum ersten Mal. Wir haben viel einzeln geprobt. Das technische Team hat den virtuellen Raum über die letzten fünf Monate aufgebaut, und er sieht überwältigend aus. Das Entscheidende ist, die beiden Elemente zu verbinden und zu sehen, wie das funktioniert. Hoffen wir also auf das Beste. Ich denke, das Potenzial ist auf jeden Fall da, aber wir müssen sehr gut aufpassen.

Online-Konzerte gibt es ja nun schon eine Weile, von NIGHTWISH haben wir bisher aber keine gesehen. Wolltet ihr da auch von den Erfahrungswerten anderer profitieren und sichergehen, dass alles auf Anhieb klappt?

Tuomas: Uns wurde irgendwann letztes Jahr schon mal vorgeschlagen, dass wir doch eine virtuelle Show machen sollen. Wir waren von der Idee aber nicht sehr begeistert. Keiner von uns, denn live ist live. Diese virtuellen Shows sind eine Kuriosität, aber sie werden nicht von Dauer sein. Die, die ich gesehen habe, waren außerdem keine Live-Erfahrungen für mich. Es ist gut, zu sehen, dass Bands noch aktiv sind und versuchen, etwas auf die Beine zu stellen, und das verstehe ich total. Das war aber bisher nichts, was für NIGHTWISH interessant gewesen wäre.

Doch dann kam diese Idee auf, in einer virtuellen Steampunk-Taverne zu spielen. Das ist weniger ein Konzert für die Welt, sondern eher ein fantastisches Universum, das wir für uns selbst kreieren und in das wir Leute aus der ganzen Welt einladen, die uns dann in diesem merkwürdigen kleinen Laden spielen sehen. Das klang sehr faszinierend. Auf Basis dieser Idee haben wir also die letzten paar Monate lang gearbeitet.

Nightwish sind (v.l.) Tuomas Holopainen, Emppu Vuorinen, Troy Donockley, Kai Hahto, Floor Jansen, ehemals: Marko Hietala (Photograph by Tina Korhonen, 2019. All rights reserved.)

Die Ankündigungen klangen auch schon nach mehr als ’nur‘ einem NIGHTWISH-Konzert-Stream. Allzu viel kannst du wahrscheinlich noch nicht preisgeben, aber was kannst du uns denn schon darüber verraten, was uns erwartet?

Tuomas (lacht verlegen): Also, wenn ich ganz ehrlich sein soll, weiß ich selbst noch gar nicht so viel. Ich habe bisher immer nur einige Schnipsel und Stills der Umgebung gesehen und war selbst bei einigen Details des Außen- und Innenbereichs der Taverne involviert. Es wird einige Easter Eggs für die Fans zu entdecken geben. Im Moment kann ich aber nicht so viel dazu sagen, wie es am Ende sein wird. Es wird auch für uns ein ziemliches Abenteuer sein. Ich glaube, der Hauptunterschied wird das sein, was ich gerade schon erwähnt hatte. Dass wir die Leute in die Taverne einladen, um uns spielen zu sehen, anstatt dass wir einfach nur vor der Kamera für die Welt spielen. Ich glaube, das würde bei NIGHTWISH nicht funktionieren. Diese Herangehensweise wird es also interessanter gestalten.

Ihr als Band werdet aber schon zusammen in einem Raum sein? Einige NIGHTWISH-Mitglieder müssen ja reisen, damit ihr euch versammeln könnt.

Tuomas: Ja, wir werden alle am gleichen Ort sein. Wir hatten vor etwa einem Monat auch schon eine gemeinsame Bandprobe. Wir haben uns alle in einem kleinen Ort im Osten von Finnland getroffen und haben fünf Tage geprobt. Das war großartig. Anfang nächster Woche haben wir wieder eine Woche Proben. Es ist nicht leicht, alle zusammen zu bekommen, wegen all der Beschränkungen. Vor allem Troy, der aus Großbritannien kommt (lacht). Das mit der Quarantäne ist extrem, bei der Einreise und dann nach der Rückreise. Bei Floor, die aus Schweden kommt, ist es dasselbe. Für uns andere in Finnland ist es natürlich einfacher. Also ständiges Testen, Isolation im Hotelzimmer, Quarantäne und so weiter, aber wir kriegen das hin.

Was ihr vorhabt, klingt auch sehr aufwendig. Es gab auch schon Streams, die wegen überlasteter Plattformen zusammengebrochen sind. Seid ihr da etwas nervös, das so etwas passieren könnte?

Tuomas: Es kann passieren. Es ist Technik, die nun mal ihre Macken hat. Alles Mögliche kann passieren, aber die Firma, die hinter dem Projekt steckt, hat schon einige solche Shows gemacht. Hauptsächlich für finnische Künstler und finnisches Publikum. Die sind immer sehr gut gelaufen. Das hier ist natürlich eine etwas andere Kategorie, aber die haben mir erst diese Woche gesagt, dass sie extra Leute eingestellt haben, die sicherstellen werden, dass die Server den extra Traffic verkraften und so weiter. Wir werden deren Expertise einfach vertrauen müssen (lacht).

Galerie mit 27 Bildern: Nightwish - Decades: Europe 2018 Tour in Berlin

Bevor ich dich jetzt verrückt mache, was alles schiefgehen kann, wenden wir uns mal der Setlist zu. Ihr habt für beide Abende individuelle Setlists zusammengestellt. Da viele NIGHTWISH-Fans sicher beide Sessions mitnehmen werden, habt ihr euch doch sicher für jede etwas Besonderes ausgedacht. Wie viel kannst du denn schon verraten?

Tuomas: Ich kann nicht ins Detail gehen, das soll eine Überraschung bleiben. Der Anfang und das Ende werden identisch sein, aber – ich habe die Setlist gerade vor mir – sechs oder sieben Songs werden sich von einem Abend zum anderen unterscheiden. Es wird also keine komplett andere Setlist sein, aber es wird eine ganz gute Abwechslung geben.

NIGHTWISH haben ja normalerweise Perioden des intensiven Schreibens und Aufnehmens und Perioden des intensiven Tourens. Letzteres ist nun weggefallen. Wie kommst du denn damit klar?

Tuomas: Hmm, überraschend gut, unter den Umständen. Als der Lockdown letzten März anfing, habe ich sofort zwei Dinge gedacht. Erstens, dass wir uns jetzt besonders gut umeinander kümmern müssen, vor allem um das Management und die technische Crew, da die für lange Zeit ohne Arbeit sein werden. Lasst uns also unser Bestes tun, denen zu helfen, sowohl finanziell als auch mental. Das geht nämlich wirklich auf die Psyche, wie ich selbst viele Male gesehen habe. Zweitens, dass diese Sache eine ganze Weile dauern könnte, also sollten wir uns eine Beschäftigung suchen. Ich habe also ein Stück Papier genommen und Sachen aufgelistet, die es zu tun gab.

Ein bisschen wie eine Bucket List, die man endlich in die Tat umsetzt. Dazu gehörten ein neues AURI-Album und ein neues Album meiner Black Metal Band aus Schulzeiten, DARKWOODS MY BETHROTHED, mit denen ich Mitte der Neunziger drei Alben gemacht habe. Jetzt machen wir also ein Comeback-Album. Außerdem ein paar andere Musikprojekte, in denen ich involviert bin. Und eben normaler Haushaltskram, wie das Haus zu streichen. Sachen, für die du normalerweise nicht die Zeit oder Möglichkeit hast. Nach einem Jahr dieses Wahnsinns habe ich persönlich noch keinen einzigen Tag gehabt, an dem mir langweilig war. Es ist aber Zeit, dass das endet und die Normalität wieder einkehrt.

Nightwish – Sind bester Laune.

Ich traue mich ja kaum zu fragen, aber diese Online-Shows sind ja die Kickoff-Shows für die tatsächliche NIGHTWISH-Tour zu „Human. :||: Nature.“, die schon sehr bald angesetzt ist. Wie optimistisch bist du denn aktuell?

Tuomas: Ich bin immer optimistisch (lacht). Das hält mich bei Verstand. Ich denke, es gibt eine relative Chance, dass im Laufe des Jahres richtige Shows vor Publikum möglich sein werden. Das wird sicher nicht im Frühsommer sein, aber vielleicht später. Wir müssen von Woche zu Woche leben und sehen, wie es sich entwickelt. Es kann natürlich auch sein, dass wir dieses Jahr nichts außer der virtuellen Shows machen können. Diese Realität müssen wir auch akzeptieren. Wir hoffen aber weiter auf eine Europatour gegen Ende des Jahres. Spätestens 2022 sollte es wieder Konzerte satt geben.

Für NIGHTWISH als größere Band ist es etwas schwieriger, wenn Konzerte erstmal im kleineren Rahmen möglich sind. Ihr könnt dann natürlich nicht das machen, was ihr gewohnt seid.

Tuomas: Dann passen wir uns halt an. Und die Leute werden sich anpassen, und dann wird es OK sein. Es gibt auch einen großen Unterschied zwischen Shows draußen und drinnen, das könnte also auch eine Antwort sein.

Damit wären wir durch. Gibt es von deiner Seite etwas hinzuzufügen?

Tuomas: Ich freue mich einfach auf die virtuellen Shows und wollte nach 14 Monaten Funkstille mal ein Lebenszeichen aus dem NIGHTWISH-Lager geben. Ich hoffe wirklich, dass die Leute dabei am Start sind, denn ich denke nicht, dass wir jemals wieder eine virtuelle Show machen werden. Wenn ihr das live miterleben wollt, ist die Zeit dafür jetzt.

Danke für das Interview!

Nightwish – Tourposter 2021
Quelle: Tuomas Holopainen, Nightwish
14.05.2021

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