Oomph!
"Es hat sich einfach gut und richtig angefühlt."

Interview

Wenn sich eine Band das erste Mal nach über 30 Jahren Bestehen besetzungstechnisch neu formiert und dabei auch noch so eine einschneidende Position wie den Gesang tauscht, dann wird es für uns natürlich höchste Zeit, da mal anzuklopfen. Wir haben also das neue Album „Richter und Henker“ von OOMPH! zum Anlass genommen, um uns mit Cr4p, Flux und Daniel Schulz (auch UNZUCHT) als Neuzugang virtuell zusammenzusetzen und ein Gespräch über Veränderungen und Neubeginne zu führen.

Hi ihr drei! Ich fange mal mit der offensichtlichsten Frage an: Wie fühlt sich das neue Line-Up an?

Flux: Uns geht es fantastisch und es fühlt sich alles sehr gut an, es fühlt sich richtig an, es fühlt sich natürlich an, es fühlt sich wie OOMPH! an, das ist glaube ich das Entscheidende. Wir sind froh damit, wie die Veröffentlichung des ersten Videos aufgenommen wurde, sowohl von der Musik her, aber auch von der brennenden Frage her, wer der neue Sänger ist und wie die Fans ihn aufnehmen werden. Das Echo war sehr positiv, fast besser als wir es uns erhofft hätten. Die Fans haben unseren neuen Frontmann Der Schulz mit offenen Armen aufgenommen.

Wir haben es eigentlich auch nicht anders erwartet. Unsere Fans waren in der Vergangenheit auch schon immer sehr offen, was Veränderungen angeht in dem musikalischen Bereich. Es gab ja eine sehr starke Entwicklung vom ersten Album bis zum dreizehnten Album, von daher muss man für Neuerungen offen sein, wenn man OOMPH!-Fan ist.

Der Schulz: Es war total spannend, klar! Sängerwechsel ist ja immer ein großes Ding irgendwie und als dann meine Person bekannt gegeben wurde, da war ich schon sehr nervös. Aber es war einfach unglaublich, wie positiv das aufgenommen wurde und wie offen die Fans reagiert haben. Wir haben uns kurz danach beim Rockharz gesehen und auch die ganzen Kollegen waren super drauf, haben mir gratuliert und sich gefreut, das war genial. Auch das Video und der Song wurden total positiv aufgenommen, das ist ja nicht unbedingt selbstverständlich bei einem Sängerwechsel.

Insbesondere bei einer Band, die schon so lange stabil war und so stark mit den drei Personen der Originalbesetzung verknüpft ist.

Der Schulz: Umso verblüffender war es dann auch, wie leicht uns die Zusammenarbeit fällt. Ich war der erste, den die Jungs gefragt haben und dann kamen natürlich noch viele andere Bewerbungen, als bekannt wurde, dass Dero die Band verlässt. Bei unserem ersten Test-Treffen hatten die beiden schon ganz viele Songs und wir haben uns einfach mal ausprobiert. Da hatten wir ganz schnell zu fünf, sechs Songs Gesangsmelodien und Textbausteine, die dann teilweise wirklich so später aufs Album gekommen sind. Das hat uns echt verblüfft.

Eshat auch zwischenmenschlich super funktioniert. Wir sind alle in einem Alter, haben die gleiche Art von Humor und sprechen die gleiche Sprache, das hat einfach super geklappt. Wie Flux sagt, es hat sich einfach gut und richtig angefühlt. Das war total natürlich. Ich bin auch sehr glücklich.

An dich (Der Schulz) direkt, wie lange verfolgst du OOMPH! schon? Das muss ja auch ein überwältigendes Gefühl zu sein, diese große Band auf einmal zu fronten.

Der Schulz: Das war schon der Hammer, das stimmt. Ich mag die Band schon ganz lange, mindestens seit „Das weiße Licht“-Zeiten. Wir haben damals auch schon zeitgleich mit verschiedenen Bands auf dem M’Era Luna Festival gespielt. Da haben wir im Hangar gespielt und nach der Hälfte des Sets gingen die Leute auf einmal alle raus. Nicht alle, aber man hat es schon gemerkt und ich hab mich gefragt: „Mensch, wir sind doch gar nicht so schlecht, was ist denn hier los?“. Es hieß dann, dass OOMPH! draußen auf der Bühne gerade angefangen haben. Das war das erste Mal, ich glaube es war 2002, dass ich OOMPH! zum ersten mal live auf der Bühne gesehen habe.

Mehr Kontakt hatten wir 2016, als wir mit UNZUCHT die Europatour supportet haben. Es ist ja auch so, dass jede deutsche NDH-Band erstmal RAMMSTEIN-Vergleiche zu hören bekommt. Das war bei UNZUCHT auch so. Ich habe dann immer gesagt, wenn es um Einfluss aus der Neuen Deutschen Härte geht, dann sind eher OOMPH! unser Einfluss als RAMMSTEIN.

Als die Jungs mich dann anriefen, das ist jetzt zwei Jahre her, da fragten sie mich erstmal, ob ich mir vorstellen könne, ein Seitenprojekt mit ihnen zu machen. Ich bin dann hingefahren, weil ich mir das vorstellen konnte und da eröffneten sie mir dann, dass es nicht um ein Seitenprojekt geht, sondern ob ich mir vorstellen könne, der neue Sänger von OOMPH! zu sein. In dem Moment habe ich mich fast neben den Stuhl gesetzt und mir gedacht: „Alter Schwede!“. Ich merkte dann aber ganz schnell, dass ich mir das vorstellen konnte.

Ich musste dann erstmal abklären, ob das zeitlich überhaupt realistisch ist, denn meine alte Band wollte ich dann ja auch nicht verlassen, aber mir war sehr schnell klar, dass ich das echt möchte. Da habe ich mich natürlich tierisch gefreut und geehrt gefühlt.

Das klingt ja schon fast zu smooth um wahr zu sein.

Der Schulz: Ja, das hat sich wirklich alles gefügt, das kann man schon so sagen.

Als jemand, der OOMPH! schon knapp 20 Jahre hört muss ich auch sagen, dass ihr wirklich gut zusammenpasst!

Der Schulz: Das freut mich. Ich freue mich auch tierisch auf die alten Songs. Wenn ich Gast-DJ in irgendwelchen Clubs bin, dann lege ich auch immer reichlich OOMPH! auf und habe da auch immer lustig mitgesungen. Daher wusste ich schon, dass mir die alten Songs liegen. Von daher freue ich mich sehr auf die Tour.

Was sind da deine Lieblingssongs?

Der Schulz: Wo soll man da anfangen? Natürlich erstmal die ganzen Hits wie „Gott ist ein Popstar“, „Labyrinth“, „Träumst du“ und was es da alles gibt. Es ist einfach ein unglaublich großartiger Katalog an Songs, den die Jungs haben und ich habe auch keinen Song gefunden, den ich irgendwie scheiße finden würde. Ich freue mich auf so viele Songs, auch die alten Nummern, die dabei sein werden, wie „Ich bin der neue Gott“ und sowas. Es wird schwierig sein, was man denn spielt, weil es so viele Möglichkeiten gibt.

Gehen wir nochmal zum aktuellen Album, das habt ihr also größtenteils zusammen geschrieben oder war da schon viel fertig, bevor ihr die neue Besetzung fest hattet?

Der Schulz: Es waren natürlich schon Songs da, vor allem natürlich auch das Musikalische. Ich kam dazu, als noch einzelne Teile oder Arrangement-Faktoren fehlten. Ich habe erst gedacht, die Songs wären alle schon fertig, habe aber nochmal eine ganz neue Arbeitsweise mit viel Liebe zum Detail kennengelernt. Mein Part war dann, die Melodien mitzuentwickeln und natürlich auch die Texte. Das haben wir aber auch alles gemeinschaftlich gemacht. Wir haben also das ganze Album gemeinschaftlich geschrieben, aber die beiden hatten auch schon ganz viele geile Arrangements, wo nur noch Gesangsmelodie und Text fehlten. Aber auch nicht immer, manche Sachen sind auch so stehen geblieben, wie die beiden sich das ausgedacht haben.

Vor 1,5 Jahren ging das los, dass wir daran gearbeitet haben und die eigentliche Produktionsphase war dann eher etwas über einem Jahr. Da waren natürlich auch Unterbrechungen bei, man wird ja auch mal mit so einem komischen Virus krank und so weiter.

Ich höre bei der ersten Single textlich auch ein bisschen das Statement raus, dass OOMPH! noch nicht am Ende sind, obwohl sie ihren alten Sänger verloren haben.

Flux: Wir wollten mit der ersten Single auf jeden Fall alle Zweifel ausräumen, also haben wir den stärksten Song genommen, der auch das repräsentiert, wofür man OOMPH! auch kennt. Es ist tanzbar, es groovt und es hat eine gewisse Härte. Wir wollten in erster Linie nicht textlich ein Statement ablassen, das hat dann am Ende auch gepasst, aber es geht nicht nur um den Status der Band.

Es ist an sich eine Durchhalteparole, die in der heutigen Zeit auch auf so vieles passt. Sei es denn auf Menschen, die sich leider im Krieg befinden als auch auf Menschen, die mit anderen schwierigen Situationen zu kämpfen haben. Es gilt ja nicht nur uns, dass man vielleicht totgesagt ist, aber trotzdem noch Lebenswillen hat und es den Leuten beweist und beweisen kann.

Der Schulz: Es war einer der ersten Songs, an dem wir angefangen haben zu arbeiten. Er sprang mich von der Musik her so an, dass ich schon gedacht habe, es wäre cool ihn so zu machen, dass er auch ein bisschen für die Band steht. So nach dem Motto: „Hey, wir sind noch da!“. Es sollte aber auch nicht so spezifisch geschrieben werden, sodass jeder sich mit dem Text identifizieren kann. Ich denke, jeder hatte schon einmal eine Situation in der er gedacht hat: „Ich gebe nicht auf, ich lasse mich nicht unterkriegen und mache weiter.“.

Diese vielseitige Intepretationsmöglichkeit findet sich ja auch bei „Nur ein Mensch“, welches generell ein gutes Antikriegslied ist, aber auch sehr gut auf die aktuelle Situation in der Ukraine anwendbar ist. Wurde der Song davon inspiriert?

Flux: Ja, auf jeden Fall. Auf dem letzten Album gibt es ja auch einen Antikriegssong mit „Tausend Mann und ein Befehl“. Da gab es natürlich auch Kriege auf der Welt aber keinen, in den wir so direkt involviert sind, an dem wir so nah dran sind, in einem modernen Europa, in welchem man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass sowas überhaupt noch möglich ist. Das hat uns sehr stark involviert, weil es genau im Entstehungsprozess unseres Albums passiert ist, dass der Krieg ausgebrochen ist, vor über 530 Tagen oder so.

Meine Frau ist Ukrainerin, von daher bin ich natürlich auch persönlich noch involviert, aber die anderen beiden verfolgen das genau so täglich, wie du vermutlich ja auch, was da um uns herum passiert. Weil es uns bedroht und weil es so unglaublich ist, was da passiert. Die Schlüsselzeile in dem Song ist ja „Brüder töten Brüder“ und so haben wir das in der Vergangenheit auch immer kennengelernt. In unserer Jugend war die Sowjetunion ein großer Staat, sodass es auch kulturelle Gemeinsamkeiten dort gibt und auch in fast jeder Familie Verwandte auf beiden Seiten vorhanden sind.

Wir haben ja in den letzten Jahren auch sehr viel in Osteuropa getourt, war es auch regelmäßig so, dass bei Konzerten in Russland auch Ukrainer im Publikum waren oder auch umgekehrt in Kyiv auch Russen im Publikum waren, die gemeinsam unsere Songs und unser Konzert gefeiert haben, nebeneinander, Hand in Hand und das auch das Normalste der Welt war. Und jetzt zu sehen, dass diese Völker sich gegenseitig töten, das ist schon unvorstellbar und nicht nachvollziehbar. In den ersten Kriegswochen hat vielleicht der ein oder andere Soldat noch nicht begriffen, warum er da in irgendein Land gehen und da kämpfen und töten soll, aber ich glaube weiß jeder, worum es geht und jeder muss sich persönlich die Frage stellen, ob er noch weitermachen möchte und kann oder nicht.

Kulturell gibt es viele Gemeinsamkeiten, das stimmt, viele Ukrainer sprechen ja auch Russisch und andersrum.

Flux: Ukrainisch und Russisch sind schon sehr unterschiedliche Sprachen. Ukrainisch ist näher an Polnisch dran als an Russisch, aber es gibt Bereiche, in denen mehr Russisch gesprochen wird oder es die Muttersprache ist, vor allem im Südosten. Es heißt aber nicht, dass es kulturell oder historisch Russen sind. Das wäre ja so, als würden wir sagen: „In Österreich sprechen sie ja Deutsch, also ist das unseres, wir gehen da jetzt mal hin und annektieren das. In Südtirol das Gleiche und Niederländisch klingt ja auch fast wie Deutsch, also ist das alles unser Territorium.“. So ungefähr passiert das gerade. Territoriale Grenzen sind nunmal unantastbar, es gibt keinen Grund dafür.

Dann ist auf dem Album als prominenter Featuregast auch Joachim Witt zu hören. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?

Flux: Joachim Witt kennen wir schon sehr lange, das ist eine Ikone unserer Jugend. Und genau wie wir mal das Glück hatten, mit Nina Hagen zusammenzuarbeiten ist es ähnlich mit Joachim Witt. Er hat damals mit seinem ersten Album „Silberblick“, da waren wir so 13, 14, Horizonte bei uns aufgestoßen, was man mit deutscher Sprache machen kann, wie verrückt man texten, aussehen, tanzen und singen kann. Zu Zeiten der Neuen Deutschen Welle war er eine Ikone.

Dann war er eine Zeit lang verschwunden und kam 1998 wieder in unseren Kosmos, weil er bei uns anrief, dass er jetzt auch Musik wie unsere hat und uns und RAMMSTEIN auch verfolgt. Er fragte, ob er bei uns im Vorprogramm spielen kann auf der Tour zum „Unrein“-Album. Da haben wir uns sehr drüber gefreut und haben ihn natürlich gerne mitgenommen und seitdem sind wir befreundet. Wir haben dann noch zwei, drei Remixe für sein Album gemacht, mit dem er dann ja auch sehr erfolgreich war, mit Nummer-1-Hit „Die Flut“.

Seitdem läuft man sich immer wieder über den Weg, von daher bot es sich an, ihn für dieses Album zu fragen. Er hat dann schon zwei Tage nach unserer Anfrage den Song im Chameleon-Studio in Hamburg eingesungen und wir freuen uns sehr, dass er auf dem Album ist. Auch der Schulz ist schon länger mit ihm befreundet.

Der Schulz: Ja, wir haben uns immer mal wieder auf irgendwelchen Festivals getroffen. Irgendwann haben wir dann dieses Gothic Meets Klassik zusammen gemacht, das war sehr intensiv. Wir haben uns viel ausgetauscht und gemerkt, dass wir uns mögen. Es hat einfach gepasst, dass ein gemeinsamer Freund von uns auf der Platte auftaucht und der Song passt ja auch super zu ihm.

Abschließend: Welche Gedanken habt ihr zur anstehenden Tour. Müsst ihr bei dieser großartigen Chemie in der Band überhaupt noch proben?

Cr4p: Proben musst du immer, gerade bei mir und Flux ist es ja so, dass wir das letzte Mal im März 2020 auf der Bühne waren. Wir haben gerade eine wirklich lange Bühnenabstinenz, was für uns auch untypisch ist, weil sonst sind eigentlich keine drei Monate ohne irgendeinen Auftritt vergangen. Bei Daniel ist es anders, er ist gleich nach Corona wieder aufgetreten, teilweise schon während der Coronazeit, das gab es bei uns nicht. Wir müssen auf jeden Fall üben, auch die alten Songs. Bei vierzehn Alben, jedes mit zehn bis fünfzehn Stücken, ist es eine ganze Menge, die du dir nicht alle merken kannst.

Wir probieren auch, möglichst viele von den neuen Stücken zu spielen. Selbst wenn man die im Studio gespielt und aufgenommen hat, ist das irgendwann wieder raus. Das ist die Kunst, die du als Instrumentalist haben musst, dass du das, was nicht mehr wichtig ist, aus dem Kopf entfernst und die wichtigen Dinge für die nächste Tour aufnehmen kannst. Wir bereiten die Tour auch noch vor, damit wir die wieder mit allen Musikern, die bei uns auf der Bühne stehen spielen können. Da müssen viele Sounds für die Keyboards umgebaut werden. Wir arbeiten mit Rechnern, auf welchen wir aus dem Vollen schöpfen können und das muss alles auf die Maschinen rübergebracht werden. Das ist einigermaßen aufwendig, wir haben bis zur Tour noch viel zu tun.

Der Schulz: Ich übe natürlich auch schon. Jeder, der mir beim Autofahren derzeit entgegen kommt, der sieht mich mit offenem Mund, um die ganzen Sachen reinzukriegen natürlich.

Flux: Da ist es ja gut, dass du ein Auto hast und kein Motorrad, dann hättest du die ganze Zeit Fliegen im Mund.

Der Schulz: Die würden vom Schalldruck dann weggeweht.

Cr4p: Bei meinem Moped-Führerschein habe ich immer gerne „Highway To Hell“ gesungen. Aber bei unserer Tour ist es immer so, dass die Entspannung immer erst auf Tour kommt. Bis dahin gibt es 1000 Sachen zu regeln, die mit den Musikern, der Logistik und der Technik zu tun hat. Für uns ist der erste Moment der Tag der Tour. Vielleicht nicht die ersten beiden Tage, das ist Adrenalin pur, aber danach ist alles passiert und dann kommt der Moment, wo du ein bisschen entspannen kannst. Wir freuen uns, gerade Flux und ich, nach so vielen Jahren wieder auf der Bühne zu stehen.

Quelle: Zoom-Call mit Oomph!
08.09.2023

Redakteur für alle Genres, außer Grindcore, und zuständig für das Premieren-Ressort.

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