
Splintered In Winter Tour
Ein Abend voller Widersprüche
Konzertbericht
Man kann CRADLE OF FILTH oder besser gesagt dem Band-Oberhaupt Dani Filth ja einiges nachsagen: Vom Besetzungskarussell bis hin zu kauzigen Interviews lässt die Band-Historie nichts aus. Für viele sind die Briten aber schlicht und ergreifend die Einstiegsdroge in die extremeren Tiefen des Heavy Metal gewesen. Alleine das Cover-Artwork von „Principle Of Evil Made Flesh“ hat nicht nur für feuchte Träume in Teenager-Zimmern gesorgt. Das düstere und vampireske Image hat CRADLE OF FILTH szeneweit interessant gemacht. Die musikalische Darbietung ist über die Dekaden freilich auch nicht auf der Stelle getreten und letztlich verdeutlicht auch das Line Up zur „Splintered In Winter Tour“, dass Dani Filth auf mehreren Genre-Hochzeiten gleichzeitig tanzt.
NARAKA: Ein überraschender Auftakt.
Den Abend eröffnen die Franzosen von NARAKA mit ihrem stumpfen (im positiven Sinne) Old-School-Death-Metal. Nachdem sich die Schlagzeugerin brav vor dem zahlenmäßig unterdurchschnittlichen Publikum dreimal verbeugt hat, geht es ohne viel Schnickschnack zur Sache. Die Growls rühren aus der GOREFEST-Klamottenkiste, gleichzeitig eingestreuter Klargesang, der mit Fug und Recht auch als Gesang bezeichnet werden kann: Check! Der Bass wummert mal mit Zerre, mal im fetten Riff-Einklang: Check! Die Gitarre eckt an Melodic Death Metal an und schrammelt an BOLT-THROWERschen Stampfern vorbei: Check! Das Schlagzeug groovt mittelständig und hält die Band tight zusammen (nebenbei sorgt die Trommlerin mit Sticktricks und lässiger Mimik für Unterhaltung): Check! Am Ende des Abends noch eine Platte oder ein Shirt von der Band ergattert: Fail! Nachdem NARAKA sich wirklich nicht über negative Reaktionen aus dem Publikum beschweren brauchen, hätten sie nicht so früh die Segel streichen sollen. Ansonsten ein wirklich sehr spannender Auftritt, der Lust auf mehr macht.
MÉLANCOLIA: Wollen viel, leisten zu wenig.
Im Anschluss macht sich Hektik auf der Bühne breit, weil für den Changeover nur fünf Minuten zu Verfügung stehen. Einen halbherzigen Linecheck später, geht es aber auch schon los. Die komplett in weiß gekleideten Australier füllen die Bühne optisch ordentlich aus, wobei das Image der Band (im Kontrast zur Garderobe ist die Haut schwarz eingefärbt und die Gesichter mit Corpsepaint geschminkt) offensichtlich über der musikalischen Eigenständigkeit steht. Wie ein Abklatsch namhafter Bands wie LORNA SHORE tingeln die vier Musiker über die Bühne, während speziell der Gitarrensound mit technischen Defiziten zu kämpfen hat. Inwiefern das Bodypack für den Funksender eine neue Batterie vertragen würde, oder ob doch ein schwerwiegendes Problem mit der Anlage vorliegt, können wir nicht verifizieren. Die Riffs enden ohnehin durchgehend in einer, zigfach gehörten 7-Saiten-Tristesse. Interessanter sind da schon die Slapeinlagen am 5-saitigen Bass, der auf Jazzhöhe getragen wird. Der Drummer rollt wie eine Maschine, der Sänger nimmt sich ein wenig zu wichtig, wenngleich wir stimmlich nichts auszusetzen haben. Es ist schade, denn die junge Band könnte wirklich zu einem spannenden Newcomer werden, wenn sie nicht altbewehrte Muster neu abfrühstücken würde. Das Publikum scheint es ähnlich zu sehen, denn der Funke springt nicht wirklich über und der Sänger muss ordentlich nachhelfen, damit der Abschlussapplaus nicht zur Peinlichkeit wird.
SUFFOCATION: Musik, die verbindet!
Terence Hobbs ist eine Legende. Punkt. Was können wir über die Brutal-Death-Metal-Exekutive aus Long Island eigentlich noch Neues berichten? Irgendwie ist das Quintett auf niemals endender Tour und normaler Weise mehrmals im Jahr in Europa unterwegs. Eines ist dabei immer gleich: SUFFOCATION sind eine geladene Blastbeat-Groove-Kanone. Das weiß auch das Publikum zu schätzen, das sich aus älteren Death-Metalheads, schwarzgekleideten Grufties und Black-Metal-Enthusiast:innen zusammensetzt. Der Sound ist mittlerweile gut und wird der beste des Abends bleiben. Die Halle ist derweil nur mager gefüllt, was vielleicht am Dienstag liegt. Und während die Temperatur draußen das erste Mal die Gefriergrenze streift, sorgt Derek Boyer mit seinen flinken Fingern und dem untypischen Picking am Bass für Entertainement pur. Nach einem Shoutout an PROFANITY (die deutsche Version von technisch hochversiertem Death Metal), hat auch der MÉLANCOLIA-Sänger noch einmal einen seltsamen Chameo-Auftritt, als er zum Mikro greift und nicht wirklich textsicher lip-synct und nach nach zwei Zeilen auch schon wieder verschwindet.
CRADLE OF FILTH: Viel Lärm um nichts?
Die Umbaupause ist jetzt schon länger und die Bühne wird erstmal leergeräumt. Übrig bleiben ein paar Friedhofszäune, die mit künstlichem Rankengewächs dekoriert sind, hinter denen sich jeweils das Keyboard und das Drumset (hinter einem Drumshield!) verbirgt. Nach kurzem Intro tänzelt Filth im Kapuzengewand auf die Bühne, wirft es im richtigen Moment ab und… Ein vielleicht infernalischer Lärm dringt aus den Lautsprechern, immer dann wenn der charismatische Frontmann seine berüchtigten High Screams einsetzt. In diesen, nicht unbedingt raren Momenten ist die Soundanlage völlig überfordert, immer wenn er sich in tiefere Regionen wagt, ist er zu leise. Das Schlagzeug geht hinter der Plastikwand völlig unter, die Keyboardpassagen drängen die restlichen Instrumente indes an den Rand der Bedeutungslosigkeit. Oft pendelt sich der Klang nach ein, zwei Stücken noch ein. Heute nicht. Sobald Dani Filth von der Bildfläche verschwindet und den Gitarristen die Bühne überlässt, ist der Sound erträglich, wenn auch nicht für ein Metal-Konzert ausreichend druckvoll. Wir können uns des Eindrucks nicht erwehren, dass all das Ungemach auf die Stimmung von Filth ausstrahlt. Einmal gestikuliert er stark, mal spuckt er aus. Songtitel lassen sich teilweise nur nach Ankündigung oder Spicken auf die Setlist bestimmen.
Und so entwickelt sich leider keine wirklich gute Atmosphäre im Backstage und wir sehen viele Gesichter, die zwischen Enttäuschung und Belustigung changieren. Dieses Bild muss einfach gezeichnet werden: Zwischen all dem Lärm wirkt Dani Filth mit seinem sonst so geschätzten Habitus, wie ein zorniges Kind, das entrüstet auf den Boden stampft und wütend zetert. Schade, denn wir alle wissen, wie machtvoll ein CRADLE-OF-FILTH-Konzert sein kann.
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Oliver Di Iorio































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