Clowns - Endless

Review

Soundcheck Oktober 23# 22

Wir schreiben das Jahr 2023 und irgendwie fühlt es sich angesichts des auch schon im zweiten Post-Pandemie-Jahr laufenden bzw. zum Zeitpunkt des Verfassens schon größtenteils abgeschlossenen Festivalbetriebs fast so an, als wäre COVID auch schon ein abgeschlossenes Kapitel der Geschichte. Das ist natürlich Sophisterei, die weit an der Realität vorbei formuliert ist. Das Thema Corona und deren Nachwirkung und Verarbeitung wird uns sicher noch eine ganze Weile begleiten, medizinisch, menschlich, politisch und nicht zuletzt auch musikalisch. Es gibt viele Bands, deren Mitglieder die Pandemie unterschiedlich aufgenommen haben, in ihrer Eigenschaft als Menschen aber oftmals ganz ähnliche Erfahrungen wie wir Normalsterbliche gemacht haben. Die Melbourner Punk Rocker CLOWNS bilden da natürlich keine Ausnahme.

Die CLOWNS sinnieren auf ihrem Post-Corona-Album über Unsterblichkeit

Im April 2019 erschien deren letztes Album „Nature / Nurture“ – zu dem Zeitpunkt war an den Lockdown von 2020 noch gar nicht zu denken. Und laut Presseinfo schien es gerade Sänger Stevie Williams besonders schwer getroffen zu haben. Es sei eine mental herausfordernde Zeit für ihn gewesen zu sein, womit er sicherlich nicht allein gewesen ist. Aber wie die meisten von uns hat auch er sich durchgebissen. Aus dieser Erfahrung heraus ist der Kerngedanke zum neuen Album „Endless“ entstanden, welches sich um das Thema Unsterblichkeit dreht. Aber da steckt mehr dahinter als Reflexionen über Ewiges Leben. Es ist tiefergehend ein Album über die Symbolik der Unsterblichkeit sowie ferner Beharrlichkeit, Stärke und das berauschende Gefühl von Genugtuung nach der Überwindung zäher Widrigkeiten.

„A breathless rush of adrenaline and defiance“. Idealerweise sollte Punk Rock und damit einhergehend Hardcore Punk genau das verkörpern, was die Presseinfo des neuen CLOWNS-Albums „Endless“ ebendiesem als definierendes Prädikat anheftet. Diese Eckpfeiler werden gerade im deutschsprachigen Raum gerne für parolendreschendes Futter für die anspruchslosen Massen geopfert bzw. kommen im ungleich populäreren Pop-Punk unter die Räder für zugängliche Cuts, deren infantile Spaßigkeit aber bestenfalls die charmante Fußarbeit als Kompensation leistet. Aber die hier gegenständlichen Australier machen ihrem Namen getreu richtig Zirkus und lösen das Versprechen, das man der zugegeben recht plakativen Phrase „a breathless rush of adrenaline and defiance“ abzunehmen gewillt ist, tatsächlich ein.

Hier gibt es besten Punk-Rotz auf die Ohren, wie frisch aus der Kehle gespuckt

Als eine Punk-Band mit Gitarren-Doppelspitze bestehend aus Jarrod Goon und Cameron Rust gehört die Musik der Melbourner zu den agileren Sounds aus dem zeitgenössischen Punk-Bereich. Und „Endless“ hat davon nichts eingebüßt, sondern birst nach dem titelgebenden Intro, dessen perlendes Klavier und singende Stadion-Gitarren noch wenig erahnen lassen, mit „Formaldehyde“ bereits vor lauter Energie. Williams‘ atemloser Krächzgesang überschlägt sich fast ein bisschen, seine inbrünstigen Kriegsschreie bringen das Blut amtlich zum Kochen und der Song fährt mit seiner nervösen Art so dermaßen in die Glieder, dass es schwer fällt, sitzen zu bleiben. Mittendrin gibt es einen Hardcore-Einschub, der etwas Heaviness reinbringt, nur um die abschließende Hook noch energetischer und nervöser klingen zu lassen.

Damit ist bestens beschrieben, was „Endless“ so besonders macht. Die CLOWNS spucken im Rahmen der Albumspielzeit jede Menge besten Punk-Rotz in Richtung ihrer Hörerschaft mit frechen, mit Widerhaken bespickten Hooks. Damit maskieren sie aber geschickt ihr hervorragendes Songwriting, das so dem rebellischen Lärm nicht in die Quere kommt, sondern mehr so aus dem Hintergrund heraus dafür sorgt, dass alles Hand und Fuß hat. Daher wirkt der hypernervöse Lärm des erwähnten „Fomaledehyde“ auch nur an der Oberfläche so, als hätte die Band ihre Musik nur gerade so unter Kontrolle gebracht. In Wirklichkeit steuern das Mädel und die Jungs die Dynamik ihrer Songs geschickt, halten ihre noch so energetischen Cuts gleichzeitig so intensiv und interessant. Daher wirken die Songs gleichsam spontan und nachvollziehbar.

Dabei kontrollieren die CLOWNS geschickt das Verhältnis zwischen Spontanität und Nachvollziehbarkeit

Das zahlt sich aus, denn so bringen die CLOWNS die facettenreiche Trackliste hinter „Endless“ geschmeidig unter einen Hut. Daher passt der poppige Punker „Thanks For Nothing“, bei dem Tieftönerin Hanny J das gesangliche Ruder übernimmt, so gut rein zwischen den rotzigen Rocker „Scared To Die“ und den ruppigen Stampfer „Bisexual Awakening“. Positiv ist auch, wie oft die Australier richtig heavy aufspielen. Der Geist der frühen KVELERTAK spukt immer mal wieder durch die Songs, zum Beispiel auch durch „Z3r0s&0n3s“ mit seinem aggressiven Abgang. Die heftigen Gitarren in „Sarah“ fahren zwischenzeitlich richtig schön in die Nackengegend und richtig heftig geht es auf dem Zwei-Minuten-Monster „Enough’s Enough“ ab. Das epochale „Quicksand“ lässt ein dramatisches Intro dann in einen frechen Punker übergehen.

Und zum Abschluss fordern die CLOWNS die Gunst ihrer Hörer noch einmal richtig heraus mit dem hörspielartigen „A Widow’s Son“, bei dem der Sprecher des australischen True Crime-Podcasts „Casefile“ die Geschichte der umstrittenen australischen Ikone Ned Kelly in Form einer Art Spaghetti-Westerns rezitiert. Untermalt wird das durch die geschmackvolle Instrumentierung der Band, die das Western-Thema tatsächlich recht gut auf den Punkt trifft. Ein bisschen lenkt die trockene Narration des namentlich nicht genannten [lt. Presseinfo anonymen, Anm. d. Red] Sprechers ab. Doch inhaltlich fesselt die Geschichte, die wiederum ein weiterer Ausdruck des zentralen Themas Unsterblichkeit in Form einer bis heute durch viele Adaptionen am Leben erhaltene Legende Kellys darstellt.

Das Ergebnis ist die Antwort auf die Frage: „Was kann Punk anno 2023?“

Das achtminütige Wagnis des abschließenden Tracks kann man sehen wie man möchte, aber es passt ins Konzept der Platte hinein und ist doch stilsicher umgesetzt. Das ist auch das einzige, bei dem man angesichts „Endless“ Zahnschmerzen bekommen könnte, denn ansonsten ist das neue Album eine hervorragende Angelegenheit. Es ist ein energiegeladenes, rebellisches Spektakel, das sowohl in seinen nervöseren wie auch zugänglicheren Momenten stets eine gute Figur macht aufgrund dieser guten Balance zwischen rotznäsiger, punkiger Spontanität und dem zu Grunde liegenden Songwriting, das alles subtil aber bestimmt beisammen hält. Wer sich die Frage stellt, wie Punk anno 2023 zu klingen hat, bekommt hiermit die Hausaufgabe, in „Endless“ reinzuhören.

19.10.2023

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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4 Kommentare zu Clowns - Endless

  1. Higgibaby sagt:

    Platz 22 und 9 Punkte, lol

    5/10
  2. ClutchNixon sagt:

    Deshalb hast du Troll aus Prinzip vor Album Release einfach mal spontane fünf Punkte vergeben. Wie scheiße muss jemandes Tag sein?

    Zur Mucke: ich habe mich auf das Album gefreut und wurde nicht enttäuscht. ROTZ!

    8/10
  3. elLargo sagt:

    Klingt geil! Da hör ich rein… 👍🏻

  4. doktor von pain sagt:

    Zehn Ausgleichspunkte wegen der Quatschwertung im ersten Kommentar.

    10/10