Madsen
Grillfest im Berliner Osten eskaliert
Konzertbericht
MADSEN haben jüngst ihr neues Album „Hollywood“ im Eigenvertrieb veröffentlicht. Das gehört natürlich gefeiert. Und so haben MADSEN eine ganz besondere Mini-Tour geplant, bevor es im Herbst dann auf große Hallentour geht. Um die letzten lauen Sommerabende zu nutzen, haben sich die Gebrüder MADSEN gedacht, dass man doch ein kleines Grillfest mit anschließendem Konzert veranstalten könne.
Der Auftakt dieser als „BBQ Blitz Tour“ bezeichneten Konzertreihe in Leipzig fiel leider dem Regen zum Opfer, weswegen MADSEN in den Felsenkeller umziehen mussten. Auch das Konzert in Hamburg müssen sie wegen der Wetterlage nach drinnen verlegen. Wie es sich für die Hauptstadt gehört, bleibt Berlin trocken – und einem Grillfest im Freien steht nichts im Wege.
Grillen mit den Gebrüdern MADSEN
Mit dem ://about blank haben MADSEN die richtige Wahl für ein BBQ-Fest getroffen. Eigentlich eine Institution der lokalen Technoszene verfügt das ://about blank über einen erstaunlich großen Garten, der das Publikum dank verwinkelten Hecken und clever versteckten Chillout-Ecken zum Entdecken und Entspannen einlädt. Aufgrund der beiden über das Gelände verteilten Bars kommt es auch nicht zu den typischen Bierschlangen mit längeren Wartezeiten. Leider hat der tagsüber einsetzende Regen einige Sitzmöglichkeiten aufgeweicht. Das hält die Fans aber nicht davon ab, es sich im Garten des ://about blank gemütlich zu machen.
Die einzige Schlange findet sich – wie sollte es bei einem BBQ auch anders sein – vor dem Grill. Hier gibt es vegane und herkömmliche Bratwürste sowie Grillkäse – alles gegen einen kleinen Aufpreis von 2 bis 3 Euro. Wie von der Band im Vorfeld angekündigt, tummeln sich im Publikum auch einzelne Mitglieder von MADSEN, die gern das eine oder andere Selfie machen und Fragen beantworten. Die gute Laune ist den Jungs deutlich anzusehen, was die Vorfreude auf den späteren Abend deutlich steigert – doch der beginnt leider etwas unspektakulär.
Hanna wer?
Das denken sich viele im Publikum, als MADSEN-Schlagzeuger Sascha die Sängerin Hanna Rautzenberg ankündigt. Denn die Musikerin dürfte dem Großteil des Berliner Alternative-Publikums kein Begriff sein. Dennoch wird sie unter warmem Applaus empfangen.
Warum sich MADSEN für Rautzenberg als Support entschieden haben, bleibt allerdings schleierhaft. Ja, sie hat eine gute Stimme. Aber musikalisch könnten die Welten zwischen ihr und MADSEN nicht größer sein. Auch inhaltlich ist Hanna vom anwesenden Publikum weit entfernt. So erzählt sie, dass sie kürzlich ausgezogen sei und der nächste Song das verarbeite – und fragt, ob hier auch schon Leute ausgezogen seien. Das größtenteils Ü-30- und Ü-40-Publikum schaut sich verständlicherweise fragend an.
Obwohl sie immer wieder Applaus erntet (die Berliner können ja auch höflich), merkt man, dass sich einige ein kürzeres Set wünschen würden. Hier hätten MADSEN vielleicht lieber eine kleine Alternative/Punk-Band aus dem Untergrund supporten können. Gerade in Berlin fände sich da bestimmt eine junge, wilde Truppe, die Bock gehabt hätte. Sei es drum. Man hat das Ticket ja nicht für den Supportact gekauft.
Volle Ladung Madsen
MADSEN machen von Beginn an deutlich, dass es ihr Abend ist, und starten mit „Ein Bisschen Lärm“ vom aktuellen Album „Hollywood“. Und wie könnte man ein Set besser beginnen als mit den Songzeilen „Guten Tag, meine Damen und Herren/Sind Sie bereit für ein bisschen Lärm/Dann lad‘ ich Sie ganz herzlich ein/Sich heute, hier und jetzt, einfach mal frei zu schreien“? Sowohl Band als auch Publikum sind vom ersten Akkord an in bester Spätsommerlaune. Wahrscheinlich spüren alle, dass es das vielleicht letzte gute Open-Air-Konzert in Berlin sein könnte.
Zünftig geht es mit „Mit Dem Moped Nach Madrid“ weiter. Das Publikum singt, grölt und springt beim Refrain mit, als gäbe es kein Morgen. MADSEN vereinen sich zunehmend mit den Zuschauern, und spätestens beim Dauerbrenner „Nachtbaden“ brechen bis zur letzten Reihe alle Dämme. Schlagzeuger Sascha verlässt am Anfang sein Kit – Sänger Sebastian übernimmt die Taktmaschine –, zeigt aufs Publikum und springt über dessen Köpfe hinweg, während er voller Leidenschaft den Refrain anstimmt. Und jeder, wirklich jeder singt die Textzeilen mit. Nachdem Sascha wieder sicher auf der Bühne angekommen ist, wechseln er und Sebastian die Plätze und beenden den Song mit noch größerer Leidenschaft. Vier Minuten pure Ekstase!
Da Sebastian danach eine kleine Pause braucht, stimmt Johannes „Kein Mann Für Eine Nacht“ an. Man sollte meinen, dass das Publikum nach dem vorherigen Abriss müde sein müsste. Aber Pustekuchen.
Mit LAMPE geht ein Lichtlein auf
LAMPE gehört zwar ebenfalls zu den großen Unbekannten, zur Feier des heutigen Abends hat Sebastian Madsen ihn aber gebeten, auch ein Lied zu spielen. Bei LAMPE handelt es sich eigentlich um Tilman, der zu MADSENs Roadies gehört und ebenfalls als Musiker tätig ist.
Nach ein bisschen Überzeugungsarbeit spielt er seinen Song „Immer Muss Ich Alles Alleine Machen“, der mit seinem sehr kreativen Text besonders gut ankommt. Und man fragt sich, warum er den Abend nicht eröffnet hat. Nach nur einem Song verabschiedet sich LAMPE wieder von der Bühne. Er muss ja noch weiter arbeiten.
Mit „Wir Haben Immer Noch Die Sonne“ und „Hollywood“ spielen MADSEN weitere Songs vom neuen Album und zeigen, wie gut sie sich in die bisherige Hitdichte einreihen. Für die Fans erster Stunde reißen sie das ://about blank mit „Die Perfektion“ noch einmal richtig ab, bevor es mit der neuen Single „Heirate Mich“ schunkeliger wird.
Melancholisch geht es mit „So Cool Bist Du Nicht“ weiter, bei dem sie auch Keyboarderin Lisa nach vorne beten. Doch bevor es allzu ruhig wird, drehen MADSEN erneut auf und beenden ihr Set mit dem Klassiker „Du Schreibst Geschichte“.
Der Abspann
Aber natürlich können MADSEN das Berliner Publikum nicht einfach so nach Hause schicken. Mit ihrem Hit „Vielleicht“ vom selbst benannten ersten Album aus dem Jahr 2005 stimmen sie die Zugabe an. Es geht stimmungsvoll weiter mit dem für die aktuelle Zeit so wichtigen Song „Brücken“. Und das Publikum zeigt, dass es das neue Album schon verinnerlicht hat, denn auch hier beweist es sich so textsicher, als wäre der Song 20 Jahre alt.
Sebastian fragt das Publikum, welchen Song es noch hören möchte. Eine Dame in der ersten Reihe bittet um „Das Beste Von Mir“ von „Hollywood“, doch Sebastian muss ihr leider mitteilen, dass sie den Song noch nicht ausreichend geübt haben. Weil ihr der Song so viel bedeutet, stimmt er den Refrain aber kurzerhand a cappella an. Fanservice kann der Mann.
Danach wünschen sich mehrere Leute „Nitro“. Sebastian versichert, dass sie den Song irgendwann wieder spielen werden (vielleicht auf der Hallentour?). Doch nachdem Lisa das elektronische Intro anspielt, ist allen klar, dass „Lass Die Musik An“ der perfekte Abräumer für einen ohnehin grandiosen Abend ist. Ein letztes Mal mit MADSEN singen, tanzen und einfach alle Sorgen fallen lassen.
MADSEN zeigen sich mit dem Abend und dem neuen Album ebenfalls glücklich und zufrieden. Noch am Morgen haben sie offiziell die Bestätigung erhalten, dass „Hollywood“ auf Platz 1 der deutschen Albumcharts gelandet ist – das erste Mal in der Bandgeschichte. Auch über die Location können Sebastian und seine Brüder nur schwärmen. Zu schade, dass der Ort bald Geschichte ist.
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