Cradle Of Filth - Darkly, Darkly, Venus Aversa

Review

Es war eigentlich eine denkbare ungünstige Konstellation: Einerseits sprach Dani Filth im Vorfeld vom „brutalsten und schnellsten“ Album, welches die Hörerschaft mit dem mittlerweile neunten Werk erwarten durfte – andererseits wurde zeitgleich das erste Video veröffentlicht, ausgerechnet zu „Forgive Me Father (I Have Sinned)“, der nun wirklich nicht besonders brutal oder schnell war. Doch die Briten haben ihr Wort gehalten!

So angriffslustig hat man CRADLE OF FILTH tatsächlich seit langem nicht mehr gehört. Zwar war der Vorgänger „Godspeed…“ eine äußerst gelungene Rückkehr zu alten Stärken gewesen, doch was die Band hier an echter metallischer Härte aufbietet, sucht in ihrer langen Diskographie seinesgleichen. Allein in den ersten 20 Minuten (!) überrollen sie den Hörer regelrecht, und das erbarmungslos und gut. Der Einstieg wie immer stimmungsvoll, doch statt eines alleingestellten Introtitels geht „The Cult Of Venus Aversa“ nach Liliths Ansprache sofort in die Vollen. Dani gibt einen seiner berühmten, markerschütternden Schreie ab, die Band rast und donnert ihm hinterher.
„One Foul Step From The Abyss“ beginnt genauso unheilvoll und lässt ebenfalls keinen Stein auf dem anderen. Wahnsinn! Gitarrist Paul Allender war ja damals bei „Cruelty & The Beast“ nicht mit an Bord, diese Zeit scheint er nun aber irgendwie unbewusst nachzuholen. Man spürt, wie es ihm in seinem stillen Kämmerlein förmlich in den Fingerspitzen gejuckt haben muss. Und Schlagzeuger Martin Skaroupka? Der fegt mit den Sticks wie ein Derwisch über das Kit. In Sachen Rhythmus ist auf „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ mehr denn je Variation angesagt. Raserei wechselt konstant mit gemäßigteren Passagen, kurze Fills und Breaks gibt es zuhauf. Und es ist schon lange her, dass man so ein Midtempo-Geschredder wie in „The Nun With The Astral Habit“ von CRADLE OF FILTH gehört hat.

Mit dem fünften Stück „The Persecution Song“ gönnen sie uns erstmals etwas Erholung, ohne deshalb gleich zu soft zu werden. Wie auch mit „The Spawn Of Love And War“ (der Titel spricht für sich!) zeigen die Briten einmal mehr, wie gut sie es verstehen, symphonische Arrangements, düsteres Gothic Flair und Metal-Härte zu kombinieren, und trotz aller Bannrufe (‚haters gonna hate’…) eben immer noch „black“ im Herzen sind.
Das folgende „Deceiving Eyes“ setzt nahtlos an, protzt mit Vielseitigkeit, zieht dann aber doch etwas zu stark an der Handbremse. Jetzt wird es wieder Zeit für ein Gewitter, und schon ist „Lilith Immaculate“ da. Die Dämonin spielt diesmal die Hauptrolle des Albums. „Darkly,…“ ist zwar ebenfalls wie der Vorgänger „Godspeed…“ ein Konzeptalbum, aber nicht mit so einer stark spürbaren Bindung, die seinerzeit vor allem durch den Erzähler geprägt wurde. „Darkly,…“ wirkt in seiner Gesamtheit nicht so umfassend, dafür aber direkter. Die Atmosphäre des Albums erinnert stellenweise sehr an „Midian“.
Ursprünglich stand ja der Arbeitstitel „All Hallows Eve“ im Raum, aber mit klischeetriefender Halloween-Stimmung hat „Darkly,…“ absolut nichts zu tun. Statt Kürbismetal gibt es wieder richtig finstere Kost, bei der sich CRADLE OF FILTH fast schon selbst überrunden, denn „Harlot On A Pedestal“, eins der heftigsten Stücke, klingt in einigen Passagen ungewohnt nordisch.
Tja, und dann sind wir bei „Forgive Me Father“ angelangt, der sich mit seinem melodischen Gitarrenriff gleich zu Beginn aus der bisherigen Atmosphäre ausklinkt. Die Riffs, der Gesang, die Melodien… der ganze Stil des Songs scheint sich nicht ins Gesamtbild einpassen zu wollen. Keine Frage: Als Single funktioniert er stark, prägt sich einfach sofort ein. Aber hier auf dem Album steht er ein bisschen auf dem verlorenen Posten. Die Band macht das aber wieder wett, in dem sie mit „Beyond Eleventh Hour“ einen verdammt guten Abschluss hinlegt.

Bedeutet unterm Strich: Dani Filth hat nicht zuviel versprochen. „Darkly, Darkly, Venus Aversa“ ist ein grandioses Album, verwundbar nur durch die Single, aber mit erstaunlichem Rotationspotential. Es wächst schneller als man denkt! CRADLE OF FILTH haben auf ihrem neuen Album all das richtig gemacht, was DIMMU BORGIR mit „Abrahadabra“ verbockt haben, und zeigen sich mal wieder in Hochform!

29.10.2010
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