Cradle Of Filth - Hammer Of The Witches

Review

Was läuft anno 2015 in der Schmutzwiege anders, abgesehen davon, dass sich Dani und Co. jetzt wie CARACH ANGREN schminken? Irgendetwas verändert sich doch immer. Während viele Musikhörende Entwicklungsschritte einer Band schätzen und mitgehen, werden ebensolche im Fall von CRADLE OF FILTH meist mit Kommerzgeilheit gleichgesetzt. Wahrnehmung und Subjektivität geben sich eben gern die Hand. Betrachtet man die gesamte CRADLE-Diskografie, kommt man um Spannungsmomente nicht herum. Waren die Demo-Zeiten (beispielsweise das derbe, aber schon mit den typischen Trademarks versehene „Total Fucking Darkness“) noch von nasebrechendem Death Metal geprägt, tönten die ersten Studioalben schwarzwurzeliger denn je, ohne auch nur ansatzweise nach reinem Black Metal zu klingen. Album für Album wurden bestimmte Elemente verstärkt (die Düsterromantik, der Thrash), dann wieder reduziert und es kam Neues hinzu (beispielsweise cleane Vocals auf der „Thornography“ und orchestraler Bombast im Allgemeinen) – bis hin zum 2012er-Output „The Manticore And Other Horrors“, einem Album, das sich erneut vom Rest abhebt. Die Frage ist nur immer wieder: als majestätischer Phönix aus der Asche oder wie ein klappriger Zombie, dem man lieber aus dem Weg geht? Und schon sind wir erneut beim Thema Subjektivität. Fakt ist jedenfalls, dass auch „Hammer Of The Witches“ ein Stück weit anders aus den Boxen dröhnt – selbstredend. Dani Filth äußerte sich im Vorfeld des Releases passenderweise zum Kreativprozess: „Wir haben uns nicht nur mit den Musikern, die kürzlich zu uns gestoßen sind, sondern auch mit den Fans der Band zusammengesetzt und uns angehört, was sie wollen und was sie von einem neuen Album erwarten“.

Paul Allender ist nach etlichen Jahren der Bandzugehörigkeit aus der Wiege gekrabbelt. Da kann man zwangsläufig von Veränderungen an der Gitarrenfront ausgehen. „Hammer Of The Witches“ macht seinem Namen alle Ehre und holt wahrhaftig den Hammer aus der schmuddeligen Werkzeugkiste. Genau genommen zwei, malträtiert von den neu dazugestoßenen Gitarristen Richard Shaw und Ashok. Das Wort „Hammer“ passt aber nur im übertragenen Sinne, die beiden beherrschen das Klampfen-Einmaleins durchaus. Zusammengefasst hört sich das folgendermaßen an: auf der einen S(a)eite weitaus mehr schnittiger, oft blitzschnell gezockter Thrash, auf der anderen eine Leadgitarre, die immer mal wieder im traditionellen Heavy Metal brandet.

Auf den Song gebracht klingt das dann so: Nach einem bandtypischen Intro mit seichter Gruselatmosphäre, bedrückenden Streichern und etwas Opulenz am Schluss startet der Opener mit einem alten Bekannten: dem hohen Organ von Dani Filth. Hoch ist auch das Tempo, und die Leadgitarre tobt sich mächtig und vor allem mächtig gekonnt aus. Im leicht poppigen Refrain (keine Neuheit) sinkt die Stimme auf clean, Keyboardteppiche grundieren die Soundmalerei, während die Leadgitarre übers Toben hinausgeht und einen lustvollen Hexentanz vollzieht. Am Ende gesellt sich eine Frauenstimme zum Reigen. Hit! „Enshrined In Crematoria“ rifft zu Beginn geradezu überdeutlich eine Hommage in Richtung „Black Goddess Rises“, später wird das Gitarrenspiel wesentlich stimmungsvoller und so dermaßen großartig, dass es regelrecht durch die Gehörgänge fließt – eine akustische Wohltat. Hit! So kann es ja eigentlich nicht weitergehen … doch, kann es. In „Deflowering The Maidenhead, Displeasuring The Goddess“ rückt der Black Metal mehr ins Visier. Gut, das versuchen auch andere, hier flackert einem aber ein schier umwerfend melodisches Riff entgegen, dass man sich langsam fragt, ob da echte Magie im Spiel ist. Später werden die schwarzen Wurzeln durch Death-Metal-Attacken herausgerissen, und noch später bitten CRADLE OF FILTH die seit jeher im Bandsound implementierte Düsterromantik in die Nummer. Was soll man sagen: Hit! So ab der Mitte passiert es dann aber doch: Die Qualität sinkt. Der Titeltrack hat wieder ein starkes filigranes Riff in petto, überzeugt aber nicht auf ganzer Länge. Und „Onward Christian Soldiers“ stampft phasenweise recht tolpatschig modern voran, ohne gänzlich zu scheitern.

CRADLE OF FILTH liefern mit „Hammer Of The Witches“ eine fantastische erste und eine durchschnittliche bis gute zweite Albumhälfte ab. Das reicht natürlich für eine Kaufempfehlung, zumal der Sound ein wenig organischer erscheint. Konzeptionell lassen sich die Briten eh nicht lumpen, und so wird der historische Spieß mal eben umgedreht und die Hexen verfolgen mit vor Rache leuchtenden Augen die religiösen Fanatiker – da holen wir doch alle unsere Zauberstäbe raus und klopfen Beifall! Die gelungenen Illustrationen stammen übrigens vom lettischen Künstler Artūrs Berzinsh. Unterm Strich darf man wohl nicht den Fehler machen und Ähnlichkeiten zu älteren oder ganz alten Werken suchen – nach dem Motto: Hach ja, sie klingen wieder wie früher. Blödsinn. CRADLE OF FILTH werden nie wieder nach dem überragenden Debüt, der meisterhaften „Vempire“ oder der (zu Recht) hochgelobten „Midian“ klingen. Wie eingangs erwähnt: Irgendetwas ist halt immer anders, trotzdem hält man den Trademarks die Treue. Nur diese dunkelromantische Aura, die scheint mehr und mehr in den Hintergrund zu rücken, da hatten die damaligen Alben schlichtweg mehr Charme. Und allein deshalb werden neue Veröffentlichungen niemals an die alten Glanzleistungen heranreichen, auch „Hammer Of The Witches“ nicht.

07.07.2015
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