Judicator - The Majesty of Decay

Review

Was, wir haben noch keine Platte von JUDICATOR rezensiert? Skandalös! Berichtigen wir diesen Missstand also mal besser ganz schnell mit dem bereits sechsten Album „The Majesty of Decay“. Aber erstmal ein kurzer Blick zurück. Der Legende nach haben sich die Gründungsmitglieder John Yelland und Alicia Cordisco (PROJECT: ROENWOLFE) 2010 auf einem Konzert von BLIND GUARDIAN kennengelernt und in der Folge JUDICATOR aus der Taufe gehoben.

Das hört man den bisherigen Alben auch an, auf denen vermischen die Amis nämlich stark an die Krefelder Barden angelehnte Gesangsharmonien mit US Power Metal zwischen ICED EARTH, JAG PANZER und SANCTUARY. Und da es ob der geistigen Tieffliegerei von Jon Schaffer so bald wohl kein neues Material von DEMONS & WIZARDS geben wird, lohnt sich die Erkundung der Diskographie von JUDICATOR durchaus, zumal hier vieles deutlich stärker ist als das letzte Album der Krefeld-Tampa-Connection.

JUDICATOR nähern sich einem schwierigen Thema mit Leichtigkeit

Alle Alben von JUDICATOR sind als Konzeptwerke angelegt, auf denen sie sich bisher überwiegend mit historischen Themen befasst haben. Das 2015er Album „At the Expanse of Humanity“ sticht allerdings inhaltlich aus dieser Reihe heraus, denn darauf verarbeitete Sänger John Yelland den Krebstod seines Bruders und wer sich fragt, ob sich eine solch schwierige Thematik mit Power Metal vereinen lässt, sollte unbedingt reinhören.

„The Majesty of Decay“ knüpft inhaltlich lose an genau diese Scheibe an, im Mittelpunkt steht der Umgang mit Sterblichkeit und die Verarbeitung von Verlust, sowohl durch die betroffene Person als auch durch ihr Umfeld. Musikalisch haben sich JUDICATOR im Vergleich zu ihren letzten Alben allerdings etwas freigeschwommen und die schon in der Vergangenheit stets präsente progressive Note weiter ausgebaut. Entsprechend sind die BLIND-GUARDIAN-Einflüsse auf „The Majesty of Decay“ nicht mehr ganz so offensichtlich präsent und John Yelland hat sich stimmlich noch etwas stärker emanzipiert, wenngleich so manche Gesangsharmonie à la Kürsch natürlich nach wie vor sofort ins Ohr springt, etwa beim Opener „Euphoric Parasitism“ und der intensiven Halbballade „Judgment“.

Grade der instrumentale Unterbau ist heute aber deutlich breiter und komplexer aufgestellt als in der Vergangenheit. Die verschachtelten aber dennoch brettharten Riffs von „Daughter of Swords“ positionieren sich irgendwo zwischen NEVERMORE und PYRAMAZE, während das dramatische „From the Belly of the Whale“ mit einigen schmachtenden Soli vom Leder zieht und John Yelland einen jungen Warrel Dane kanalisiert. „The High Priestess“ sorgt mit kauzigen Synthesizern, fröhlichen Bläsern und erneuten Krefelder-Chören für heruntergeklappte Kinnladen; sollte nicht funktionieren, tut es aber.

„The Majesty of Decay“ kennt keine Scheuklappen

Experimentierfreude und Abwechslungsreichtum ziehen sich durch das gesamte Album; dem euphorisch beschwingten „Ursa Major“ steht mit „Ursa Minor“ beispielsweise ein düsterer Zwilling gegenüber, der sich hier und da ein paar fiese Thrash-Riffs und sogar etwas Black-Metal-Tremolo erlaubt. Und am Ende des Albums thront mit „Metamorphosis“ ein Neunminüter, der sich von chilligen Bongotrommeln eröffnet zu einem regelrechten kreativen Parforceritt progressiven Power Metals hochschraubt. Fantastisch!

Obwohl der bisherige Katalog von JUDICATOR schon beileibe nicht schwach ist, fühlt sich „The Majesty of Decay“ wie ein Befreiungsschlag an, der jegliche Scheuklappen ablegt und zeigt, dass Power Metal keine musikalische Einbahnstraße sein muss. Ob diese musikalische Neuorientierung auch mit dem Ausstieg von Gründungsmitglied Alicia Cordisco nach dem Vorgänger „Let There Be Nothing“ zusammenhängt ist fraglich, letztlich aber egal.

Eines der spannendsten Power-Metal-Alben der letzten Jahre

Hinzu kommt außerdem, dass „The Majesty of Decay“ trotz heikler Thematik keine durchweg deprimierende Angelegenheit geworden ist. Dramatisch sowie manchmal melancholisch und tragisch sicherlich, so mancher Text liegt schon schwer im Magen. Genauso oft kreieren JUDICATOR aber eben auch euphorische, erhebende und hoffnungsvolle Momente. Denn letztlich geht es der Band nach eigener Aussage mit dem Album darum, das Leid in etwas Bedeutsames zu verwandeln. Dieser Ansatz ist musikalisch definitiv geglückt, denn „The Majesty of Decay“ ist eine der spannendsten Power-Metal-Scheiben der letzten Jahre. Da darf man sich auch von dem zwar passenden jedoch etwas verstörenden Cover-Artwork nicht täuschen lassen.

 

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16.11.2022

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