Marduk - Viktoria

Review

Black Metal ist Krieg

MARDUK und ihre Kriegsthematik und dann natürlich der 2. Weltkrieg. Morgan Steinmeyer Håkansson und seine Soldaten können und wollen es nicht lassen und provozieren mal wieder aufs Neue. Titel „Viktoria“, das Covermotiv könnte einen Wehrmachtssoldaten darstellen, dann gibt es noch ein Teaservideo, in welchem man auf der Lederjacke einen Pin mit der Leibstandarte Adolf Hitler trägt. Das Veröffentlichungsdatum der 22. Juni – an jenem Tag 1941 startete mit dem Unternehmen Barbarossa der deutsche Überfall auf die Sowjetunion. Aber, auch das gehört zur Wahrheit – am 22. Juni 1944 begann die Operation Bagration, in deren Verlauf die Rote Armee die Heeresgruppe Mitte der Wehrmacht weitgehend vernichtete. Und der Songtitel „June 44“ scheint sich auf die alliierte Landung in der Normandie zu beziehen, die ebenfalls zum Untergang von Hitlers Reich beitrug. Was aber steckt hinter all dem? Drastische Darstellung von Geschichte, pure Provokation um der Provokation willen, Glorifizierung des Dritten Reichs, Interesse an Kriegsgeschichte, clevere Marketingstrategie, oder von allem etwas? Man kann sich nie so hundertprozentig sicher sein bei MARDUK, aber will man das überhaupt, Black Metal soll doch unangepasst sein und ist doch schließlich auch Krieg…

Panzerfahren mit MARDUK – „Viktoria“

Unbestritten bleibt, dass die Schweden in ihrer bald schon dreißigjährigen Historie viele hochwertige und nachhaltige Alben veröffentlicht haben, die viel zur Definition der zweiten Black-Metal-Generation beigetragen haben. Nun folgt mit „Viktoria“ ein weiterer unbarmherziger Vernichtungsschlag. Dann steigen wir mal bei MARDUK in den Panzer ein preschen los in den aktuellen Feldzug, der mit 33 Minuten Länge eher Blitzkrieg statt Stellungskrieg darstellt und damit natürlich an „Panzer Division Marduk“ erinnert. Sirenengeheul eröffnet den ersten Song „Werwolf“, der Name einer nationalsozialistischen Freischärlerbewegung Ende der Zweiten Weltkriegs, die keine nennenswerten Auswirkung auf den Ausgang hatte und tatsächlich sinnlos war. Das rasant-brachiale Stück ist mit 2 Minuten knackig kurz gehalten, mit räudig schmutziger Punk-Attitüde nach vorne preschend, dazu etwas Black’n’Roll, hat auch was von späteren SATYRICON. Und Mortuus keift mit einem Kinderchor. Alles in allem sehr untypisch für MARDUK, insbesondere als Opener, und damit zu Anfang gleich eine echte kleine Überraschung. Beim klar strukturierten „June 44“ fühlt man sich dann aber umgehend wieder heimisch. Urtypisch flirrende MARDUK-Riff-Kaskaden, rasende Blastbeats, charismatisch giftiges Gekeife inklusive krude geschriene Singalongs von Mortuus. Mit „Equestrian Bloodlust“ setzen MARDUK sogar noch einen drauf, Stakkatogesang, stetige Tempowechsel, dazu die kargen Tremolos und Semi-Melodien, alles in allem hat der Song enorme Durchschlagskraft. Wir setzen das Panzerfahren mit MARDUK fort, nun im „Tiger I“. Die 57 Tonnen Stahl werden vom 700 PS Motor eher gemächlich vorwärtsbewegt, entsprechend der musikalisch schleppende Groove im klassischen CELTIC FROST Stil, Mortuus rrrrrrrrolt das R genüsslich. Das flink wütende „Narva“ schlägt stilistisch die Brücke zwischen „Panzer Division Marduk“ und „Frontschwein“ mit überraschend melodisch rockendem Mittelteil. Wieder stärker im Midtempo mit gelegentlichen rasanten Ausbrüchen gehalten ist „The Last Fallen“, das im Ganzen aber eher unspektakulär ausgefallen ist und MARDUK Standard-Füllmaterial liefert. Besser ist da wieder der klassisch angelegte, rasende Titelsong, der mit Melodieläufen vom Bass überrascht. Abgeschlossen wird „Viktoria“ vom erneut rasanten „The Devil’s Song“ und vom diabolisch zäh schleppenden Ungetüm „Silent Night“, das auch auf „Wormwood“ gut gepasst hätte.

„Viktoria“ – typisch MARDUK

Alles in allem ist „Viktoria“ doch wieder ein typisches Album in der Klangwelt von MARDUK. Nicht direkt als Nachfolger von „Frontschwein“ oder „Panzer Division Marduk“, wenngleich natürlich viele der Elemente übernommen wurden und diese miteinander verbinden. Das neue Werk ist wieder recht minimalistisch und puristisch ausgelegt, so wurden bspw. die Samples wieder reduziert, die Musik ist verhältnismäßig weniger abwechslungsreich und der Sound ist schnörkellos trocken. Ein richtig spannender Ausreißer wie „The Blond Beast“ fehlt leider. Dafür sind nahezu alle im Grunde simpel gehaltenen Songs eingängig prägnant und in sich stimmig. Insgesamt stark, wobei ich die abwechslungsreicheren und mehrdimensionaleren Alben in der nicht gerade kleinen Diskographie von MARDUK bevorzuge.

22.06.2018

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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