Melted Space - The Great Lie

Review

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Das französische Opera Metal-Projekt MELTED SPACE des Pianisten und Komponisten Pierre Le Pape wartet mit einem neuen Studio-Album auf: „The Great Lie“.
Neben vierzehn renommierten Vokalisten unterstützen weitere sieben namenhafte Gastsänger aus der Metal-Szene die epische Saga, die sowohl Metal als auch Soundtrack-ähnliche Musik und einige elektronische Elemente zu einem fulminanten symphonischen Spektakel verbindet. Die kraftvollen instrumentalen Parts wurden vom The City of Prague Philarmonic Orchestra eingespielt.

Unheimliche Bläser, Glockenläuten, das Orchester beginnt leise – ebenso sanft setzt der männliche Gesang (Arno Strobl von CARNIVAL IN COAL als ‚Dante‘) ein, gefolgt von einer fragilen weiblichen Stimme (Ailyn Gimenéz Garcia von SIRENIA als ‚Titania‘). „Listen To The Song Of Despair“ ist als Intro anerkennbar. „Called By The Queen“  startet ähnlich verhalten, bevor epische Streicher einsetzen, allerdings ohne den Bombast von Bands wie EPICA. Die männlichen Lyrics (Guillaume Bideau von MNEMIC als ‚Hagen‘) sitzen, leider ist der Chorus arg poppig. Tendenz zur Belanglosigkeit, daran ändern auch die Duett-Teile mit Christine Rhoades (JEFF LOOMIS) in der Rolle der ‚Hope‘ nichts. Plot: Die Elfenkönigin ruft Hagen (Ist das nicht der aus dem Nibelungenlied?) im Traum zu sich.

Verheißungsvolles Glockenspiel und zuckersüße, hohe Violinen leiten „No Need To Fear“ ein, jetzt stimmt die Mischung aus Metal und Orchester, erinnert an alte WITHIN TEMPTATION-Songs. Zu den schon bekannten Figuren Hagen, Hope und Dante gesellen sich ‚Baba-Yaga‘ (Mariangela Demurtas von TRISTANIA) und drei männliche Charaktere: ‚Azrael‘ (David Vincent von MORBID ANGEL), ‚Thanatos‘ (Attila Csihar von SUNN O))) und ‚Loki‘ (Mikael Stanne von DARK TRANQUILLITY). Ordentliche Growls sind hier also garantiert. Und bei einer Länge von über acht Minuten wird sogar der Refrain irgendwann eingängig. Inhaltlich wird es hier langsam undurchsichtig. Die Geschwister Hagen und Hope berichten ihrer Mutter (?), der Hexe Baba Jaga von ihrem Traum, irgendetwas mit drei Engeln und einem Thron der Verzweiflung, den nur eine gefallene Seele besteigen kann. Ach so, der islamische Todesengel Azrael, der griechische Totengott Thanatos und Loki (bekannt aus der nordischen Mythologie) sind auch noch am Start. Metaphorisch.

Flottere Gitarren und die markanten Growls der Figuren Hagen und Azrael bilden in „Terrible Fight“ den düsteren Gegenpart zum weiblichen Gesang der drei Schicksalsgöttinnen ‚The Fates‘, gesungen von Clémentine Delauney (VISIONS OF ATLANTIS), Virginie Goncalves (KELLS) und Lucie Blatrier. Auch dabei: Manuel Munoz (THE OLD DEAD TREE) als ‚Apollo‘. Der übernimmt auch den gesanglichen Solo-Part in der Ballade „A God Is Dead“, begleitet von tragischem Klavier im Musical-Style. Das instrumentale Geigen-Zwischenspiel ist wahrlich ein Genuss, in der Strophe strengt Munoz‘ Akzent doch sehr an. Apollo ist wohl des Herrn Hagens Vater, so sagt er. Und dann stirbt Gott Apollo als alter Mann.

Ob Hagen auf der Suche nach seiner vermeintlichen Mutter, der Elfenkönigin, die dem Sterben nah ist, gerade Loki vertrauen sollte? Interessantes Duett „Trust & Betrayal“. Schneidende Gitarren mit stimmungsvollen Keyboards und elektronischen Chor-Sounds im Hintergrund machen das Stück durchaus reizvoll. Juhu, noch mehr neue Figuren! In „Glass Castle’s Beast“ erwarten uns nun noch die ‚Sphinx‘ (Kobi Fahri von ORPHANED LAND), Wächterin des Glas-Schlosses und Ritter ‚Parcifal‘ (Niklas Kvarforth von SHINING). Beide zweifeln Hagens Rechtschaffenheit und Reinheit des Herzens an und verteidigen das Glas-Schloss. Der Track zeichnet in bemerkenswerter Weise die Charakteristika der Metal Oper nach, besonders Kvarforth überzeugt mit seiner wandelbaren Stimme als Parcifal. Besonders melodiös ist der Song nicht, er hat eher erzählenden, rezitativischen Charakter.

Wundervolle Chöre (‚The Fates‘) im EPICA-Stil begeistern in bestem Latein wiederholt in „Hopeless Crime“. Die Gitarren-Soli rocken ebenfalls, was das Zeug hält. Hagen hat sich Parcifal widersetzt, Hagens Schwester Hope ist tot. Nun gilt es, eine Flasche (vermutlich eine Matapher für das Gedächtnis) zur Elfenkönigin zu bringen. Verzweiflung macht sich breit: Parcifal, der rechtschaffene Ritter glaubt, dass Gott die Welt verlassen hat, wenn er so eine Tragödie zulässt. Im opernhaft orchestral untermalten „The One Who Lost The Faith“ folgt eine emotionale Debatte über die Existenz Gottes mit ‚Dante‘.

Wer ist sie denn nun, die rätselhafte Elfenkönigin? Titania natürlich (dazu sollte man Shakespeares „Sommernachtstraum“ kennen). Diese verliebte sich einst in Gott Apollo und hatte mit ihm Tochter Hope. Loki weist daraufhin, dass Titania ihre Tochter Hope einst einer anderen Mutter, der Hexe Baba Jaga – was hat die eigentlich mit all den Göttern und literarischen Figuren zu tun? – gab und sie aus ihrer Erinnerung verdrängte. Damit Hope nicht allein sein musste, erschuf sie ihren Sohn Hagen. Im Song „Titania“ erzählt selbige Hagen davon, wie sie ihre Erinnerungen verlor. Dieser Song ist wahrlich episch. Volles Orchester, eingängiger Refrain, ein Ohrwurm, der auch elektronische Elemente nicht ausspart und trotzdem mit Genre-typischen Gitarren-Soli aufwartet. Die Metal Oper findet mit „Lost Souls From The Other Side“ ihren Abschluss. Hagen verharrt in tiefer Trauer über den Tod seiner Schwester Hope und will sterben. So bieten ihm Totengott Thanatos und Loki einen Handel an: Sein Leben für das der Welt. Die Welt wird weiter bestehen und Hope von den Toten auferstehen. Alles wird sein wie vorher – nur wird sich niemand an Hagen erinnern. Er wird für immer auf einem Thron des Schmerzes leiden, vergessen von den Menschen, der Göttern, der Welt. Über sieben Minuten erstreckt sich das tragische Opfer Hagens, die Musik weckt Assoziationen zu epischen Schlachten – mitreißend!

Mit Sicherheit hat der französische studierte Komponist Pierre le Pape, von dem sämtliche Musik und Texte stammen, mit „The Great Lie“ einen Meilenstein im Bereich der Metal Oper gesetzt. Ein ambitioniertes Projekt, dessen Zielgruppe definitiv über Kenntnisse der griechischen, römischen und nordischen Mythologie verfügen, Wagners „Ring der Nibelungen“ gehört sowie die Nibelungensage und Shakespeares „Sommernachtstraum“ gelesen haben sollte. Ein sehr anspruchsvolles Werk, das live aufgeführt wirkt, nur von der CD gehört aber etwas an Eingängigkeit vermissen lässt. Ein vielversprechendes Arrangement mit Charakter, das auf keinen Fall nebenbei gehört werden kann.

13.12.2015

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