Celtic Frost
Jugendliche Entschlossenheit und der Drang, sich zu beweisen

Interview

Auf CELTIC FROST lastet ein tonnenschweres Vermächtnis. Die Schweizer Band, die einst mit HELLHAMMER die erste Welle des Black Metals prägte, schuf mit ihrem einzigartigen, schwer zu kategorisierenden Stil in den Achtzigern drei bahnbrechende, bis heute höchst einflussreiche Meilensteine des düsteren Heavy Metals. Nachdem der Backkatalog wie bei den meisten früheren Bands auf Noise Records jahrelang schändlicherweise brachlag, entschlossen sich BMG Rights Management in Folge der Reissues von 2017 nun, die klassischen Alben der Band, als “Morbid Tales”, “To Mega Therion” und “Into The Pandemonium” samt aller damals erschienenen EPs in einer umfangreichen, wertigen Box namens “Danse Macabre” herauszubringen.

Obwohl der stets bescheidene Hauptsongwriter Tom Gabriel Warrior sympathischerweise gar anzweifelt, ob seine frühere Band eines eigenen Boxsets überhaupt würdig sind, nehmen wir die Gelegenheit mit Freuden wahr, uns mit dem eloquenten 59-Jährigen über die Historie von CELTIC FROST zu unterhalten. Anscheinend nahmen diese Gelegenheit auch unsere jeweiligen Haustiere wahr, denn während bei Tom im Hintergrund deutlich eine Katze auf sich aufmerksam macht, wird dies auf der anderen Seite emsig miauend durch meine Katze beantwortet.

Er schrieb mit HELLHAMMER, CELTIC FROST und inzwischen TRIPTYKON Heavy-Metal-Geschichte und ist aus dem Klassiker-Kanon nicht wegzudenken. Vorhang auf für Tom Gabriel Warrior.

Bild Celtic Frost - Danse Macabre Cover

“Ich sitze nicht zu Hause rum und denke: ‘Wow, ich bin so ein Pionier!’”

Guten Morgen Tom, es ist eine Freude, dich zu hören. Bevor wir uns über das neue CELTIC-FROST-Boxset “Danse Macabre” unterhalten, wollte ich dich fragen, wie es dir zur Zeit geht und woran du im Moment so arbeitest, da vermutlich nicht alle unsere Leser:innen regelmäßig deinen äußerst informativen Blog verfolgen.

Es geht mir mäßig, da ich mir bei unserem letzten Konzert in Wien vor ein paar Tagen offenbar eine Erkältung aufgelesen habe. Und was tue ich gerade? Wir sind mitten in einem Umzug unseres Lager- und Proberaums in Zürich und es ist sehr viel Equipment. Ich bin froh, wenn ich das hinter mir habe.

Nachdem ihr vor fünf Jahren den Backkatalog von CELTIC FROST nochmals aufgearbeitet und der Masse zugänglich gemacht habt und vor einer Weile auch das Tape-Boxset “The Sign Of The Usurper” erschienen ist, wollte ich fragen, ob es für die Box einen bestimmten Anlass gibt.

Du siehst das falsch. Aufgrund der Verträge, die Martin [Eric Ain, langjähriger Bassist und Kreativpartner von Tom Warrior bei CELTIC FROST – Anm. d. Red.] und ich 1984 mit Noise Records unterschrieben haben, haben wir keinerlei Rechte an unserer früheren Musik. Nach der Schließung von Noise Records sind die Rechte durch verschiedene Firmen gegangen und liegen jetzt bei der BMG in London, die diese Ideen hat und diese Entschlüsse fasst.

Wir schauen zu, wir können nichts beeinflussen und haben keinerlei Entscheidungsgewalt, ob wir eine Box oder eine Re-Issue-Kampagne machen, denn die Rechte gehören uns nicht, dank Noise Records’ fairem Vorgehen in den Achtziger Jahren. 2017 haben sich BMG entschlossen, die Re-Issues zu machen; vor einem Jahr kontaktierten sie mich mit dem Vorhaben einer Box. Wie bei der Tape-Box habe ich an sich nichts damit zu tun. Der Unterschied zu den damaligen Noise Records ist, dass BMG effektiv eine professionelle Firma ist in London, die nicht gegen die Künstler arbeiten, sondern mit ihnen. Jedes Mal, wenn sie so einen Plan haben, kontaktieren sie mich und fragen mich, ob ich mitarbeiten möchte. Das müssen sie nicht und ich rechne es ihnen hoch an.

Noise Records haben das niemals gemacht, die haben immer gegen uns gearbeitet. Bei dieser Box hingegen war ich als Art Director involviert, habe am Konzept mitgearbeitet und gebe jetzt natürlich auch Interviews dazu. Denn es geht um meine Musik, die ich geschrieben habe. Weshalb das jetzt alles geschieht, das müsstest du schon BMG fragen.

Okay. Nichtsdestotrotz ist es sehr erfreulich, dass du da wieder mit ins Boot geholt wurdest, denn die Einheit von Musik und Visuellem war bei euch stets wichtig. Ich nehme an, es ist wieder ein sehr rundes Package, was euren bisherigen Ansprüchen an Gesamtbilder gerecht wird. Ich muss leider zugeben, dass meine Box noch nicht geliefert wurde, daher kann ich das Thema jetzt gar nicht so richtig aufgreifen.

Die Box sieht fantastisch aus. Ich habe eben mein Exemplar erhalten. Ich bin sehr happy damit und rechne es wie gesagt BMG hoch an, dass sie auf jede einzelne meiner Ideen reagiert und sie angenommen haben. Das war eine sehr angenehme und professionelle Zusammenarbeit.

Celtic Frost - Danse Macabre Box Innenansicht

Als die Band noch existierte, war das absurderweise genau das Gegenteil. Ich bin sehr glücklich, dass BMG uns überhaupt für Boxset-würdig halten. Ich bin ja auch Vinylsammler und habe die ganzen Boxsets von BLACK SABBATH und so weiter. Ich habe immer gedacht: “Wenn du mal so eine Box kriegst, ist das ein Ritterschlag.” Ich freue mich, dass wir dessen würdig sind und es ist auch etwas Spezielles, nach 41 Jahren so eine Box zu Hause stehen zu haben.

Ich schlage mal einen Anlass dafür vor: Als ich mich im Zuge der Vorbereitung auf das Interview mit allen alten Alben nochmals auseinandergesetzt habe, ist mir aufgefallen, wie zeitlos CELTIC FROST immer noch sind. Vieles, was ihr gemacht habt, war seiner Zeit voraus und hat folgende Generationen von Extreme-Metal-Musiker:innen nachhaltig geprägt. Bist du dir dessen bewusst oder fällt dir das nur auf, wenn du drauf angesprochen wirst oder es in anderer Musik wahrnimmst?

Das Letztere. Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht zu Hause rumsitze und denke, “Wow! Ich war so ein Pionier!” Ich sehe meine Musik immer selbstkritisch und das ist meiner Meinung nach auch sehr wichtig. Ich versuche auch heute noch, mich stetig zu verbessern. Auch das finde ich extrem wichtig. Und ich werde mit dem Einfluss von CELTIC FROST konstant konfrontiert, wenn ich wie jetzt Interviews mache oder mich im Anschluss an ein Konzert mit den Leuten unterhalte. Das ist eine extreme Ehre und ich nehme das nicht als gegeben hin.

Im Gegenteil: ich habe sogar Mühe, damit umzugehen, weil ich uns immer sehr realistisch sah. Ich wusste, wo unsere Schwächen sind; ich wusste, wo unsere Stärken sind. Unsere Musik war sehr ehrlich und vor allem zu Beginn ein persönlicher Aufschrei, bedingt durch unsere Leben, das damalige Umfeld und dieser konstanten Angst vor einem Atomkrieg. Das war so persönlich, dass wir in keinster Weise je gedacht hätte, wir würden jemanden beeinflussen. Wir hatten auch keine Ahnung, ob die Musik nach 40 Jahren noch hörbar ist. Das stellt sich eben raus oder nicht.

Um mal anzuknüpfen: in deinem Buch “Only Death Is Real” erzählst du, wie dich seinerzeit die Radikalität von VENOM nachhaltig beeindruckte und dein musikalisches Verständnis umgekrempelt habe. Mir ging es mit CELTIC FROST ähnlich. Ich habe “Morbid Tales” über 20 Jahre nach seiner Veröffentlichung als 14-Jähriger gehört und es hat meine musikalische Welt verändert, wohingegen ich die Radikalität von VENOM aufgrund des Alters schon gar nicht mehr nachvollziehen konnte.

Ist das etwas, was deine Kreativität heute noch so leitet wie früher?

Gut, das ist schwierig zu beurteilen. Das Wort Radikalität wird in unserer Szene auch benutzt, um sich cool zu machen, um Platten zu bewerben. Ich denke, ich habe mir einen Fanatismus, eine Radikalität auf persönlicher Ebene bewahrt. Das war für uns damals der Schlüssel und wir wollten das nicht verlieren.

Ich bin in den Siebziger Jahren aufgewachsen, war Die-Hard-Fan von Hard Rock, UFO, NAZARETH, BLUE ÖYSTER CULT und so weiter. Ich war immer enttäuscht, als all diese Bands in den Achtzigern immer kommerzieller wurden, bis hin zur Hausfrauenmusik. Übrigens liefen auch Prog-Bands wie GENESIS oder ROXY MUSIC, die in den Siebzigern total abenteuerlich waren, in den Achtzigern auf einmal im Aufzug.

Tom Warrior heute auf der Bühne mit TRIPTYKON. Foto: Larissa Reiter (metal.de)

Wir haben uns immer geschworen, das darf uns nicht passieren und haben nicht verstanden, warum all diese Bands so lasch wurden. Wenn ich jetzt mit TRIPTYKON auf der Bühne stehe und es kommen junge Fans zu mir, die noch gar nicht geboren wurden, als ich angefangen hatte und sagen: “Wow, das war so unglaublich heavy!”, dann zeigt mir das, dass es uns gelungen ist, das zu bewahren. Aber wie gesagt, das ist meine Selbstwahrnehmung. Wir waren natürlich damals getrieben von Radikalität, weil wir in unserem Privatleben nichts zu verlieren hatten. Das war schon ziemlich heftig damals.

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Quelle: Tom Gabriel Warrior
28.10.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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