Mental Defect - Longplayer

Review

Immerhin über einen gewissen Sinn für (Selbst-)Ironie scheinen MENTAL DEFECT zu verfügen. Denn einem Album, das abzüglich zweier absolut überflüssiger Bonus-Stücke gerade noch die 30-Minuten-Marke überschreitet, demonstrativ den Titel „Longplayer“ zu verpassen, ist in etwa genauso unangebracht, wie wenn ein des Betrugs überführter ehemaliger Verteidigungsminister die gegen eine großzügige wohltätige Spende erfolgte Einstellung gerichtlicher Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft öffentlich als eine Art von Freispruch darzustellen versucht. Aber sei’s drum, wenn die gebotene musikalische Qualität stimmt, dann ist eine halbe Stunde Spielzeit auch absolut ausreichend.

Doch gerade hier liegt der Hund begraben. Denn ehrlich gesagt bin ich nach mehereren Hördurchgängen ziemlich froh, dass die Band nicht noch länger meine Hörnerven quält. Das mag sich nun aber härter lesen, als es gemeint ist, denn tatsächlich finden sich auf „Longplayer“ im Detail einige ganz nette Ansätze, die für sich genommen recht unspektakulär, aber nicht wirklich schlecht in Szene gesetzt sind. Stattdessen ist es die stümperhafte Zusammensetzung von miteinander nicht harmonieren wollenden Elementen, die das Kartenhaus der MENTAL-DEFECT-Kompositionen letztlich zum Einstürzen bringt.

Da treffen ganz ordentliche, sanfte Melodien auf garstig sterile Electro-Sounds und was sich zu groovigen Rocksongs entwickeln könnte, wird von stampfenden Technobeats kaputtgeknüppelt. Das Wechselspielchen aus aggressiven männlichen Growls und weiblich-cleanem Anmut ist inzwischen altbekannt und könnte für einige positive Spannung sorgen. Leider fehlt es dem Stimmchen der Trällerelse Claudia Bauer-Korzin jedoch völlig an Ausstrahlung, Ausdruckskraft und einem eigenständigen Charakter. Kollege Sanny-Thomas Wagner hat diesbezüglich ganz klar die Nase vorne und kann wenigstens hin und wieder Akzente setzen.

Als „Star Wars“-Fan stehe ich der Jedi-Huldigung „May The Force Be With You“ prinzipiell ziemlich positiv gegenüber, die Umsetzung erinnert dabei aber weniger an die klassische Trilogie als vielmehr an die in vielerlei Hinsicht stümperhafte „Episode 1“. Und auch das einzige Song-Highlight „Won’t Grow Up“ leidet enorm unter einer mangelhaften Umsetzung. Und auch die omnipräsenten Electro-Parts, die gnadenlos überbetont werden und dabei rasch am Nervenkostüm zu sägen beginnen, entpuppen sich bald als echtes Ärgernis. Für Erheiterung sorgt dagegen die schräge Parodie eines Gitarrensolos in „Sad Curiosity“ – ich werte auch das lieber als selbstironisch, denn wenn es ernst gemeint sein sollte, gehören dem Verantwortlichen alle Finger einzeln gebrochen!

Über die beiden Bonus-Tracks, die zwei der Stücke noch einmal in einem furchtbar nervigen Eurodance-/Techno-Gewand recyceln, brauchen wir dann in der Tat gar nicht mehr weiter zu diskutieren.

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24.11.2011

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2 Kommentare zu Mental Defect - Longplayer

  1. Silvio sagt:

    Ich habe mir die CD bei einem Freund angehört. Endlich mal ein Zusammenspiel einer etwas anderer Art.
    Zu jeder Zeit melodiös, gekonnte und einfallsreiche Riffs. Nicht die typische Spielweise nachahmender Klampfer. Die Synthisounds unterstützen das Gesamtvolumen enorm.

    Die eigentliche Idee scheint Stile zusammenzuführen und neue Sachen auszuprobieren.
    Mittelalter??? Eine Band mit eigenen Stil. Ich finde die Klangfarbe der Sängerin enorm gut und sowas kann man nicht lernen.

    „May The Force Be With You“ ist einer der besten Songs auf der CD. Übrigens hat der Song „Sad Curiosity“ gar kein Solo. Ich lese gerne Kritiken, aber eine so schlechte Schilderung habe ich schon lange nicht mehr gelesen.

    Mein Fazit: Es ist eine echt gute CD mit einprägsamen Liedern, die man mal gehört haben muss.
    Die Growls und der Cleangesang sind treffend. Besonders ist das Gitarrenspiel extrem innovativ.
    Die Band hat viel Potenzial für die Zukunft.
    Was fehlt ist ein gerader Weg. Trotzdem klasse Umsetzung!!!

  2. Florian Schörg sagt:

    Meinungen sind halt verschieden, deshalb ein ehrlich gemeintes „Dankeschön“ für die deinige. Zumindest für das „Mittelalter“ will ich dann doch eine Erklärung liefern:
    Du hast natürlich völlig recht, dass die Band mit Mittelalter-Musik nichts am Hut hat. Allerdings haben wir auf der Seite mit unserer zweigliedrigen Kategorisierung eben ein Haupt- und ein Sub-Genre. Und dabei haben wir die Bereiche „Gothic Metal“ und „Mittelalter“ zu einem zusammengefasst, weil beide nicht so furchtbar groß sind und sich nur schwer mit ausreichend Material bestücken lassen. Daher wird als Main-Genre eben „Gothic Metal / Mittelalter“ gelistet und erst über die Subgenres soll klar werden, dass es hier um Gothic Metal und nicht um Mittelalter-Sounds geht.
    Falls du oder jemand anders diese Genre-Zusammenlegung allgemein nicht gut und irreführend findet, würden wir uns über weiteres diesbezügliches Feedback freuen, aber bitte nicht hier in den Kommentaren, sondern per Mail oder über das Kontaktformular. :o)